Wenn die Nacht am dunkelsten ist
28.10.2008 | Eugen Weinberg
Energie
Beflügelt von steigenden Aktienmärkten und einem schwächeren Yen konnte der WTI-Ölpreis am Morgen bis knapp unter 65 USD je Barrel steigen. Gestern war der Kassakurs für Brentöl vorübergehend unter 58 USD gefallen, den niedrigsten Stand seit Februar 2007. Eine Erholung ist nach den massiven Verlusten der vergangenen Tage nicht überraschend. Die Dauer der Aufwärtsbewegung wird maßgeblich davon abhängen, wie sich der US-Dollar entwickelt und ob die Erholung an den Aktienmärkten länger als nur ein paar Stunden anhält. Die verkündete OPEC Produktionskürzung um täglich 1,5 Mio. Barrel per 1. November dürfte derzeit hingegen wenig Einfluss auf den Ölpreis haben, zumal viele Rohöllieferungen für November schon im Voraus gebucht worden sind. Raffinerien in Asien haben bislang noch keine Benachrichtigung über Lieferkürzungen erhalten, rechnen damit aber in Kürze im Ausmaß von ca. 5%.
China erwägt Industriekreisen zufolge russischen Ölfirmen die Gewährung von Krediten in Höhe von 20-25 Mrd. USD, welche durch künftige Ölexporte gedeckt sein sollen. Dies ist Teil eines Abkommens, welches Russland und China heute unterzeichnen wollen. Durch dieses Abkommen würde China, welches über Devisenreserven in Höhe von 1,9 Billionen USD verfügt, Zugang zu 300 Mio. Tonnen russisches Öl über die nächsten 20 Jahre erhalten. Russland würde seine Ölexporte diversifizieren und dringend benötigte finanzielle Mittel erhalten.
Aufgrund der Finanzkrise und des Ölpreisrückgangs haben russische Unternehmen mit Liquiditätsschwierigkeiten zu kämpfen, zumal der Exportzoll von derzeit gut 50 USD je Barrel bei einem Preis von 60 USD für russisches Öl einen Großteil der Exporteinnahmen aus dem Ölgeschäft wegfrisst. Der russische Staat kann wiederum kaum auf die Erlöse aus dem Ölgeschäft verzichten, welche mehr als die Hälfte der gesamten Haushaltseinnahmen ausmachen. Gestern hatte ein Vertreter des russischen Finanzministeriums eine außerplanmäßige Senkung des Exportzolls im November abgelehnt. Die nächste Anpassung steht am 1. Dezember an.
Edelmetalle
Gold hat sich erholt und steigt heute auf 750 USD. Steigende Aktienmärkte, ein etwas schwächerer US-Dollar und der höhere Ölpreis geben Gold Unterstützung. Die Erholung dürfte anhalten, solange sich der Deleveraging-Prozess und die Rückführung von Carry-Trades nicht fortsetzen. Die langfristig orientierten Anleger haben den Preisrückgang der vergangenen Tage offensichtlich dazu genutzt, um Bestände aufzubauen. SPDR Gold Trust berichtet einen Anstieg der Goldbestände um 2 Tonnen auf 749,21 Tonnen. Die physische Nachfrage bleibt somit ein stabilisierendes Element für den Goldpreis.
Der physische Markt für Goldmünzen und kleine Goldbarren scheint bereits ausgetrocknet zu sein. Wie die kanadische Münzanstalt berichtet, ist praktisch jede Münzanstalt auf der Welt ausverkauft. Trotz aller Produktionsanstrengungen würde die Nachfrage noch immer stärker seien. Dennoch kann ein erneuter Preisrückgang bei Gold nicht ausgeschlossen werden, wenn Finanzinvestoren abermals dazu gezwungen sind, ihre bestehende Gold-Positionen zwangszuliquidieren, um Liquidität zu generieren und Kredite zurückzubezahlen.
Platin kann ebenfalls kräftig zulegen und heute Morgen auf 830 USD je Feinunze steigen. Die Preisdifferenz zu Gold hat sich wieder etwas ausgeweitet. Aufgrund der starken industriellen Verwendung dürfte das Potenzial bei Platin sehr begrenzt sein, obgleich das gegenwärtige Preisniveau massive Produktionskürzungen zur Folge haben wird.
Industriemetalle
Die Industriemetalle erlebten gestern einen äußerst volatilen Tag. Von den Tagestiefs haben sich die Industriemetalle um über 10% erhöht. Dies deutet zwar daraufhin, dass der Boden nah ist. Andererseits macht diese immense kurzfristige Volatilität nachhaltige fundamentale Analyse nahezu unmöglich, weil der Markt hauptsächlich von den Emotionen beherrscht wird und die fundamentalen Rahmenbedingungen noch außer Acht gelassen werden.
Bei Zinn hat sich die Situation jedoch schon jetzt geändert, nachdem PT Timah, der größte Zinnproduzent Indonesiens, die Grenzen klar definiert hat. Das Unternehmen gab bekannt, dass die Produktion in diesem Jahr bei lediglich 45.000 Tonnen bzw. 23% tiefer als im Vorjahr liegen wird. Außerdem schätzt man die durchschnittlichen Produktionskosten derzeit auf 12.000 USD je Tonne. Letzte Woche haben bereits die kleinen Zinn-Schmelzhütten in Indonesien das Preisniveau von mindestens 17.000 USD je Tonne als noch machbar erklärt. Diese Meldungen reichten bereits aus, dass sich der Zinnpreis vom vorübergehenden Tief bei 10.500 USD auf nun knapp 15.000 USD erholen kann.
Wir erwarten mittelfristig ähnlich starke Preisreaktionen bei anderen Metallen, wenn sich die Grenzkosten klar abzeichnen und die Produktionskürzungen Wirkung zeigen.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Sie soll lediglich eine selbständige Anlageentscheidung des Kunden erleichtern und ersetzt nicht eine anleger- und anlagegerechte Beratung. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung und können sich ohne vorherige Ankündigung ändern.
Beflügelt von steigenden Aktienmärkten und einem schwächeren Yen konnte der WTI-Ölpreis am Morgen bis knapp unter 65 USD je Barrel steigen. Gestern war der Kassakurs für Brentöl vorübergehend unter 58 USD gefallen, den niedrigsten Stand seit Februar 2007. Eine Erholung ist nach den massiven Verlusten der vergangenen Tage nicht überraschend. Die Dauer der Aufwärtsbewegung wird maßgeblich davon abhängen, wie sich der US-Dollar entwickelt und ob die Erholung an den Aktienmärkten länger als nur ein paar Stunden anhält. Die verkündete OPEC Produktionskürzung um täglich 1,5 Mio. Barrel per 1. November dürfte derzeit hingegen wenig Einfluss auf den Ölpreis haben, zumal viele Rohöllieferungen für November schon im Voraus gebucht worden sind. Raffinerien in Asien haben bislang noch keine Benachrichtigung über Lieferkürzungen erhalten, rechnen damit aber in Kürze im Ausmaß von ca. 5%.
China erwägt Industriekreisen zufolge russischen Ölfirmen die Gewährung von Krediten in Höhe von 20-25 Mrd. USD, welche durch künftige Ölexporte gedeckt sein sollen. Dies ist Teil eines Abkommens, welches Russland und China heute unterzeichnen wollen. Durch dieses Abkommen würde China, welches über Devisenreserven in Höhe von 1,9 Billionen USD verfügt, Zugang zu 300 Mio. Tonnen russisches Öl über die nächsten 20 Jahre erhalten. Russland würde seine Ölexporte diversifizieren und dringend benötigte finanzielle Mittel erhalten.
Aufgrund der Finanzkrise und des Ölpreisrückgangs haben russische Unternehmen mit Liquiditätsschwierigkeiten zu kämpfen, zumal der Exportzoll von derzeit gut 50 USD je Barrel bei einem Preis von 60 USD für russisches Öl einen Großteil der Exporteinnahmen aus dem Ölgeschäft wegfrisst. Der russische Staat kann wiederum kaum auf die Erlöse aus dem Ölgeschäft verzichten, welche mehr als die Hälfte der gesamten Haushaltseinnahmen ausmachen. Gestern hatte ein Vertreter des russischen Finanzministeriums eine außerplanmäßige Senkung des Exportzolls im November abgelehnt. Die nächste Anpassung steht am 1. Dezember an.
Edelmetalle
Gold hat sich erholt und steigt heute auf 750 USD. Steigende Aktienmärkte, ein etwas schwächerer US-Dollar und der höhere Ölpreis geben Gold Unterstützung. Die Erholung dürfte anhalten, solange sich der Deleveraging-Prozess und die Rückführung von Carry-Trades nicht fortsetzen. Die langfristig orientierten Anleger haben den Preisrückgang der vergangenen Tage offensichtlich dazu genutzt, um Bestände aufzubauen. SPDR Gold Trust berichtet einen Anstieg der Goldbestände um 2 Tonnen auf 749,21 Tonnen. Die physische Nachfrage bleibt somit ein stabilisierendes Element für den Goldpreis.
Der physische Markt für Goldmünzen und kleine Goldbarren scheint bereits ausgetrocknet zu sein. Wie die kanadische Münzanstalt berichtet, ist praktisch jede Münzanstalt auf der Welt ausverkauft. Trotz aller Produktionsanstrengungen würde die Nachfrage noch immer stärker seien. Dennoch kann ein erneuter Preisrückgang bei Gold nicht ausgeschlossen werden, wenn Finanzinvestoren abermals dazu gezwungen sind, ihre bestehende Gold-Positionen zwangszuliquidieren, um Liquidität zu generieren und Kredite zurückzubezahlen.
Platin kann ebenfalls kräftig zulegen und heute Morgen auf 830 USD je Feinunze steigen. Die Preisdifferenz zu Gold hat sich wieder etwas ausgeweitet. Aufgrund der starken industriellen Verwendung dürfte das Potenzial bei Platin sehr begrenzt sein, obgleich das gegenwärtige Preisniveau massive Produktionskürzungen zur Folge haben wird.
Industriemetalle
Die Industriemetalle erlebten gestern einen äußerst volatilen Tag. Von den Tagestiefs haben sich die Industriemetalle um über 10% erhöht. Dies deutet zwar daraufhin, dass der Boden nah ist. Andererseits macht diese immense kurzfristige Volatilität nachhaltige fundamentale Analyse nahezu unmöglich, weil der Markt hauptsächlich von den Emotionen beherrscht wird und die fundamentalen Rahmenbedingungen noch außer Acht gelassen werden.
Bei Zinn hat sich die Situation jedoch schon jetzt geändert, nachdem PT Timah, der größte Zinnproduzent Indonesiens, die Grenzen klar definiert hat. Das Unternehmen gab bekannt, dass die Produktion in diesem Jahr bei lediglich 45.000 Tonnen bzw. 23% tiefer als im Vorjahr liegen wird. Außerdem schätzt man die durchschnittlichen Produktionskosten derzeit auf 12.000 USD je Tonne. Letzte Woche haben bereits die kleinen Zinn-Schmelzhütten in Indonesien das Preisniveau von mindestens 17.000 USD je Tonne als noch machbar erklärt. Diese Meldungen reichten bereits aus, dass sich der Zinnpreis vom vorübergehenden Tief bei 10.500 USD auf nun knapp 15.000 USD erholen kann.
Wir erwarten mittelfristig ähnlich starke Preisreaktionen bei anderen Metallen, wenn sich die Grenzkosten klar abzeichnen und die Produktionskürzungen Wirkung zeigen.
© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets
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