Ein Interview mit einem Meister der Zyklen
09.02.2009 | Clif Droke
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C: Kommen wir kurz auf Rohstoffe zu sprechen. Sie bezeichnen die von Kondratieff entdeckte lange Welle bei den Rohstoffpreisen als “K-Welle“ anstatt als Zyklus. Hat Ihr 60-Jahre-Zyklus irgendeine Verbindung zur Kondratieff-Welle?Kress: Aber natürlich hat sie das. Die K-Welle kann überall zwischen 40-80 Jahren liegen - im Durchschnitt bei 60 Jahren. Der 60-Jahre-Zyklus korreliert mit der durchschnittlichen K-Welle. Der 60-Jahre-Zyklus ist von wirtschaftlicher Bedeutung. Bei jedem Zyklus entsprechen die letzten 25% einer Abwärtsphase. Für den 60-Jahre-Zyklus sind das 15 Jahre. Fünfzehn Jahre von 2014 ergibt 1999, das Jahr, in dem wir das Endhoch erreichten. Der 60-Jahre-Zyklus hat vier Jahreszeiten wie die K-Welle: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Wir haben gerade die Hälfte des Winters des 60-Jahre-Zyklus überschritten; das zeigt, dass die Deflation letztes Jahr begonnen hat und bis in das Jahr 2011 weiter bestehen müsste. Und dann beginnen die drei “Hard-Down“-Depressionsjahre von 2012-2014.
C: Können Sie aufgrund Ihres historischen Wissens über Märkte und Zyklen einige generelle Aussagen über die langfristige Zukunft des Goldpreises machen?
Kress: Ich verfolge Gold nicht Jahr für Jahr. Aber im Allgemeinen gibt es zwei Gedanken, die man unbedingt beherzigen muss. Es gibt überhaupt nur zwei Phasen, in denen man Gold kaufen sollte. Erstens kauft man Gold angesichts einer Hyperinflation, weil es dann die ultimative Absicherung ist. Eine Hyperinflation begann in den späten 60er Jahren bis 1981; über 15 Jahre stieg Gold von 35 $ auf ca. 800 $ pro Unze. Die zweite Phase, in der man Gold kaufen sollte, ist angesichts eines Wirtschaftskollapses etc., weil es dann das ultimative Wertaufbewahrungsmittel ist. Nachdem Gold 1981 - als die Hyperinflation endete und die Disinflation begann - seine Spitze erreicht hatte, kam es im Jahr 1999 in der Talsohle bei 250$ pro Unze an; das war zu Beginn des ökonomischen Winters. Seitdem ist es gestiegen. In den kommenden Jahren, wenn der Wirtschaftskollaps ansteht, müsste es schneller steigen. Hätten wir von hier aus auch nur einen Teil des Anstiegs, den es zwischen "66 und "81 gab, wird Gold astronomische Preise erreichen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die "Kaufen-und-Halten-Mentalität" der langfristigen Fundamentalinvestoren bei konventionellen Aktien als gewinnbringend herausgestellt. Aber mit den revolutionären Veränderungen zur Jahrtausendwende ist das etwas fürs Museum geworden. Um dies zu ersetzen, wird Gold konsequenterweise als zeitgenössisches Äquivalent auftreten und man sollte seine langfristigen Goldpositionen behalten und diese Positionen bei zwischenzeitlichen Korrekturen aufstocken. Aufgrund der innovativen Vehikel, die seit einigen Jahren verfügbar sind, kann man, ohne physisches Metall kaufen zu müssen, an Gold-ETFs teilhaben.
C: In Bezug auf die harten Zeiten, die Sie anhand Ihrer Zyklen prognostizieren: Welche US-Staaten werden Ihrer Meinung nach relativ unbeschadet aus diesem ökonomischen Chaos der kommenden Jahre hervorgehen?
Kress: Ich denke, die landwirtschaftlich dominierten Staaten, die mit einem minimalen Anteil am industriellen Sektor, werden vergleichsweise am besten abschneiden. Staaten wie Iowa, South Dakota und Wyoming, die quasi keine industrielle Basis haben aber hauptsächlich mit der Produktion der essentiellen Rohstoffe für Nahrungsmittel beschäftigt sind, dürften dem Chaos entkommen. Haben Sie etwa gehört, dass ein Agrarstaat jemals große Finanzprobleme gehabt hat? Nein, es sind die Staaten des Rust Belt im Osten oder die hippen Staaten wie Florida, Kalifornien und Nevada, die Probleme haben. Da sie die Stabilität der Landwirtschaft auf ihrer Seite haben, müssten die westlichen Agrarstaaten relativ stabil bleiben [während der "Hard-Down-Phase" des 60-Jahre-Zyklus, der das Äquivalent zur durchschnittlichen K-Welle ist].
Q: Um noch einmal auf den Aktienmarkt zurückzukommen: Wenn ich es richtig verstanden habe, sehen Sie einen letzten zyklischen Bullenmarkt kommen, bevor der letzte Ihrer langfristigen Zyklen nächstes Jahr sein Hoch erreichen wird. Welche Bedeutung hat das Jahr 2009 in Ihrem gesamten Zyklenverständnis? Könnte der kommende Bullenmarkt explosionsartig und extrem sein?
Kress: Es handelt sich um eine Bärenmarkt-Rally während eines zyklischen Wirtschaftswinters; und das 2009er Hoch wird deutlich niedriger ausfallen als das 1999er Hoch. Das Maximalziel von 1.200-1.250 wird im S&P nicht überschritten. Wie ich schon meinte, halte ich das 1999-2000-Hoch für das Endhoch, an dem einige Jahrzehnte lang nicht mehr gekratzt wird. Das 2009er Hoch wird ein Erholungshoch, über das es wohl innerhalb des nächsten Jahrzehnts nicht hinausgehen wird. Auch wenn es das bei mir den Namen "zyklische Erholung in Form eines Minibullenmarktes“ trägt, so könnte man es auch einen zwischenzeitlichen Fortschritt in einem anhaltenden Bärenmarkt nennen. Solche Ereignisse können sehr kraftvoll und ebenso trügerisch sein.
Q: In der Schlacht zwischen den Kräften aus US-Notenbank, Finanzministerium sowie anderen Finanzinstitutionen auf der einen Seite und den großen langfristigen Zyklen auf der anderen, wer wird am Ende als Sieger hervorgehen?
Kress: Big Brother wird immer besser, aber Mutter Natur und Vater Zeit werden am Ende dennoch siegen. Die Antwort der US-Notenbank erfolgte unmittelbar - in den 1930er Jahren kam die Antwort erst einige Jahre später. Das ist die ultimative Notversorgung, die uns ein wenig mehr Zeit bringt, bevor Mutter Natur und Vater Zeit wieder übernehmen.
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