Silber: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
26.02.2009 | Theodore Butler
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Diese Entwicklungen fielen jedoch mit einer anderen zusammen, die vor ca. 100 bis 150 Jahren einsetzte. Zu dieser Zeit, als die Welt im Silber schwamm, ereignete sich etwas Drastisches. Wir gingen in das Zeitalter der Industrialisierung über. Erfindungen und Anwendungen aller Art wurden nun eingeführt, sie beeinflussten die Welt in bisher noch nicht dagewesenem Maße. Die Elektrifizierung hielt weit und breit Einzug. Das Automobil wurde geboren. Die Fotografie setzte sich durch. So drastisch die Veränderungen der Lebensgewohnheiten und -umstände der Menschen auch waren, die Veränderungen, die sich damit für Silber ergaben, waren noch drastischer. Es stellte sich heraus, dass die Substanz, die es auf der Welt in Hülle und Fülle gab - eine Substanz, die seit Tausenden von Jahren angehäuft wurde - Eigenschaften besaß, welche in der ganzen bisherigen Geschichte keine Beachtung gefunden hatten. Dieses viel zu häufig vorkommende Material passte perfekt in diese sich rapide ändernde, moderne Welt der Industrialisierung. Silber war und ist der beste elektrische Leiter, der beste Wärmeleiter, das am besten Licht reflektierende Material, ein hervorragendes Schmiermittel, es ist vielseitig anwendbar als Katalysator und in Legierungen für eine große Reihe von industriellen Anwendungen, auch im medizinisch-technischen Bereich. Silber war der wichtige Stoff, der die Fotografie erst möglich machte. All diese Anwendungsgebiete, das reichliche Vorkommen und die niedrigen Preise! Das war das perfekte Szenario für die Verwendung und den Verbrauch von Silber. Und bis zum heutigen Tage wird Silber auf der Welt im großen Stil verwendet und verbraucht.Es war dieser Stoß in die Moderne, der dazu führte, dass sich die Wege von Silber und Gold hinsichtlich deren Verwendung trennten. Gold hat viele potentielle Anwendungsgebiete, auch wenn nicht annähernd so viele wie Silber. Da Gold aber im Vergleich zum Silber einen so hohen Preis hatte und hat, war es unpraktisch für einen weitverbreiteten industriellen Einsatz. Weil Silber so billig war und im Überfluss vorhanden, wurde es auch so umfangreich eingesetzt. So umfangreich, dass die Welt nicht nur jede Unze, die aus dem Boden geholt worden war, verbrauchte, sondern auch anfing, die angehäuften Lagerbestände der Vergangenheit anzutasten.
In den 1940er Jahren gab es oberirdisch ca. 10 Milliarden Unzen Silber auf der Welt, wovon sich die Hälfte im Besitz der US-Regierung befand. Zu dieser Zeit gab es ungefähr eine Milliarde Unzen Gold. Weltweit existierte also zehnmal so viel Silber wie Gold. Nach 60 Jahren zu hohen Silberverbrauchs, der Entnahme und Entleerung der über Hunderte und sogar Tausende von Jahren angelegten Silberbestände, hat sich die Mengenbeziehung zwischen dem oberirdisch existierenden Silber und Gold umgekehrt. Jetzt gibt es viel mehr Gold auf der Welt als Silber. Derzeit existiert weltweit fünfmal so viel Gold wie Silber - je nach dem, wie Sie ’Lagerbestand’ definieren. Die Silberbestände sind von 10 Milliarden Unzen im Jahr 1940 auf heute 1 Milliarde Unzen gesunken. Die US-Regierung, mit 5 Milliarden Unzen der größte Silbereigentümer damals 1940, besitzt jetzt Null Unzen. Die Goldbestände, einschließlich Schmuck, sind von 1 Milliarde im Jahr 1940, auf heute 5 Milliarden Unzen angestiegen, das geht aus dem allgemein anerkannten Quellen des World Gold Councils hervor.
Ich bitte Sie, einen Moment darüber nachzudenken, dass oberirdisch mehr Gold als Silber existiert, denn dies ist einer der wichtigsten Faktoren für Silber heute. Es ist zudem einer der am wenigsten bekannten Fakten, auch wenn dieser Umstand relativ problemlos nachprüfbar ist und sich über einen so langen Zeitraum entwickelt hat. Wenn die Leute das erste Mal davon hören oder lesen, bezweifeln sie es instinktiv. 99,9% der Menschen auf diesem Planeten würden Ihnen, bis zum heutigen Tage, erzählen, es könne gar nicht sein, dass es weltweit mehr Gold als Silber gäbe. Oder auch nur, dass es gleichviel Gold und Silber gäbe. Keiner unter diesen 99,9% hat sich jemals eine Minute Zeit genommen, darüber nachzudenken oder nachzulesen und keiner hat den Versuch unternommen, nachzuprüfen, wie viel vom jeweiligen Metall oberirdisch existiert. Das müssen sie auch nicht. Sie erhalten die Bestätigung tagtäglich - und das nun schon seit Jahrzehnten, aus einem einfachen Grund: Die Tagespreise der jeweiligen Metalle. Die Silber- und Goldpreise sind kontinuierlich in der Öffentlichkeit, auch im verlassensten Winkel der Welt weiß man, dass es wohl 60- oder 70- oder 80-mal so viel Silber auf der Erde geben muss als Gold. Das denken 99,9% der Menschheit. Und ich rede hier nicht nur von ungebildeten Menschen in den Drittweltstaaten. Ich würde auch die raffiniertesten, vermögendsten und am besten gebildeten Menschen zur Gruppe jener zählen, die glauben, dass der Preis nicht lügen kann. Ich hoffe allerdings, dass 99% der hier Anwesenden dies nicht glauben.
Der Silberpreis ist, was die jeweils existierenden Mengen angeht, im Vergleich zum Goldpreis so stark verzerrt: Und nur diese simple Tatsache muss man kennen, damit man Silber kauft. Das geht jetzt nicht gegen Gold. Jedes bullische Argument, das für den Kauf von Gold spricht, wird von mir unterschrieben und akzeptiert. Sie können mir stundenlange Vorträge über all die guten Dinge halten, die Gold mit sich bringt, und ich werde sie alle widerspruchslos akzeptieren. Wenn Sie dann durch sind, mit all den bullischen Argumenten, dann werde ich Ihnen nur zwei Dinge sagen. Erstens: All diese Argumente treffen genauso auf Silber zu. Und Zweitens: Es gibt weniger Silber als Gold.
Ich komprimiere Hunderte ja sogar Tausende von Jahren Silbergeschichte zu ein paar Minuten. Seit vielen Jahrhunderten förderte und verbrauchte die Welt Silber für Geld, Schönheit und Reichtum. Ungefähr im letzten Jahrhundert entdeckten wir neue, unglaubliche Verwendungen für dieses uralte Material und holten es in immer größeren Mengen aus dem Boden; im Grunde verbrauchten wir das ganze neu geförderte Silber und fast das gesamte alte dazu. Und auch wenn diese Faktenlage recht einfach zu überprüfen ist, so ist sich doch nur ein verschwindend geringer Teil der Menschheit darüber bewusst, wie wenig Silber noch übrig ist. Und trotzdem dieses uralte, geschätzte und begehrte Metall immer seltener wird, ist sein Preis, nach jeder objektiven Betrachtung, spottbillig. Auf alle Menschen verteilt, existiert heute weniger Silber als jemals zuvor, dennoch spiegelt der Preis einen extremen Überfluss wider. Auf die Gefahr hin, einen schon oft gemachten Spruch überzustrapazieren: Ich könnte mir das alles gar nicht ausdenken, selbst wenn ich es wollte.