Exploration von Rohstoffen - Mineralogie und Ökonomie
Mineralische Rohstoffe, bzw. deren Aufsuchung (Exploration) und bergbauliche Gewinnung, stehen bereits seit langer Zeit in enger Verbindung sowohl zur Mineralogie, Geologie und Lagerstättenkunde (Abb. 1) als auch zur Ökonomie. Der Zusammenhang zwischen "Mineralogie und Ökonomie" sind das Thema dieses Kapitels, in dem ich versuchen möchte, die wissenschaftliche wie wirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors und seiner unterstützenden geowissenschaftlichen Forschungsrichtungen zu erläutern und zu illustrieren.
Abbildung 1: Antike Darstellung der Explorationstätigkeit bei Georg Agricola (1556) De Re Metallica Libri XII, Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. |
| Abbildung 2: Prähistorisches Steinbeil aus Quarzit (Paläolithikum?), N'Gami-See, Botswana. | Abbildung 3: Motiv der antiken Scherbe einer bemalten griechischen Vase mit der Darstellung eines Bergmanns bei der Arbeit unter Tage. Die internationale 'Society for Geology Applied to Mineral Deposits' verwendet dieses anschauliche Motiv übrigens als Logo. |
Die Aufsuchung (Exploration), Gewinnung und Veredlung mineralischer Rohstoffe ist von Natur aus und seit frühester Zeit durch den Handel eng mit der Ökonomie verbunden gewesen. Aus der anfänglichen Suche nach technisch verwertbaren Gesteinen und Metallen haben sich in prähistorischer und historischer Zeit empirische Vorläufer der heutigen Mineralogie, Geologie und Lagerstättenkunde entwickelt. Steinbeile (Abb. 2) stellen eines der frühesten Beispiele für erfolgreiche Exploration und Bergbau dar, bei dem die Rohstoffe Feuerstein, Obsidian und Quarzit exploriert und z.T. bereits unter Tage abgebaut wurden. Aus dem antiken Griechenland ist uns die anschauliche Darstellung eines Bergmannes bei der Arbeit erhalten geblieben (Abb. 3). Deutschland blickt spätestens seit dem Mittelalter auf eine gut dokumentierte Explorations- und Bergbautradition zurück, eine Tradition die noch heute besonders in den Landschaften des Erzgebirges, Harzes und Siegerlandes museal gut belegt und wieder zu entdecken ist. Das sicherlich herausragendste literarische Werk der frühen Rohstoff-, Explorations- und Bergbaumineralogie stellt dabei Georg Agricola's De Re Metallica, 12 Bücher vom Berg- und Hüttenwesen von 1556, dar (Abb. 1). Das reich bebilderte Werk beeindruckt noch heute durch seine Anschaulichkeit, und, was die Bergbautechnik sowie die pyrotechnische und mechanische Erzaufbereitung betrifft, seine erstaunliche Modernität.
Geogene Rohstoffe - "Schätze" der Erde
Geogene Rohstoffe, wie die Bodenschätze der Erde auch genannt werden, umfassen weit mehr als nur die Erze metallischer Rohstoffe, welche in Deutschland zunehmend aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden sind. Im Vergleich zu den metallischen Rohstoffen ist die Gruppe der Energierohstoffe derzeit von erheblich größerem öffentlichen Interesse, sind doch die ökonomischen Schwankungen dieses Sektors von jedermann erfahrbar, so z.B. am Benzinpreis. Zu den Energierohstoffen zählen Erdöl und Erdgas, Kohle bzw. Braunkohle und Atomenergierohstoffe (Abb. 4). Zunehmend gewinnen aber die Erdwärme und möglicherweise in Zukunft auch Gashydrate vom Meeresboden an Bedeutung. Neben der Produktion von Stein- und Braunkohle spielt auch die Förderung von Erdöl und Erdgas in Deutschland noch immer eine durchaus bedeutende Rolle (Abb. 5).
Abbildung 4: Energiequellen der Stromerzeugung in der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2000 |
| Abbildung 5: Tabellarische Auflistung der volkwirtschaftlich relevanten Eckdaten der Rohstoffwirtschaft in Deutschland (Wellmer & Becker-Platen, 1999) |
Im Bereich der Steinsalz- und Kalisalzgewinnung, ist Deutschland sogar einer der führenden Weltproduzenten, wobei dies außerhalb von Fachkreisen öffentlich kaum Beachtung findet. Eine weitere bedeutende Gruppe mineralischer Rohstoffe, welche in der Öffentlichkeit noch weniger deutlich wahrgenommen wird, ist die Gruppe der sogenannten Steine und Erden bzw. Industrieminerale. Deren Gewinnung vollzieht sich nach wie vor auch in Deutschland und ist von größter wirtschaftlicher Bedeutung. Die Bauindustrie befindet sich in nahezu vollständiger Abhängigkeit von diesem Zweig der Rohstoffindustrie, die Güter wie Ziegeleiton, Sand, Kies, Zementrohstoffe, Glassande, Schotter, Bruchstein oder Dachschiefer produziert. Deutlich spezialisierter sind die häufig noch weniger offensichtlichen aber trotzdem "unverzichtbaren" Industrieminerale, welche als Bestandteile alltäglicher Gebrauchsgüter wie Zahnpasta, Puder, Kosmetika, Schall- und Wärmedämmungsmaterialien, Autoreifen, Farben, Weichspülern, Wasserenthärtern, Schleif- und Poliermitteln etc. benötigt werden.
Bei den Steinen und Erden bzw. Industriemineralen handelt es sich in der Regel um oberflächennahe Vorkommen, da die hierbei relativ niedrigen Rohstoffpreise keine aufwendigere Gewinnung im Tiefbau erlauben würden. Die oberflächennahen Vorkommen, z.B. von Kies- und Sandlagerstätten, erfordern meist keine aufwendigen Untersuchungen im Rahmen der Exploration. Die Ausführungen dieses Kapitels werden sich daher den ökonomischen Zusammenhängen der meist schwieriger zu explorierenden und gewinnenden metallischen Rohstoffe widmen und dabei aufzeigen, wie eng unsere ökonomische Zukunft nach wie vor von diesen Rohstoffen abhängt, selbst wenn oder gerade weil wir inzwischen über keine aktiven Erzbergwerke in Deutschland mehr verfügen.
Globalisierung contra "Germanozentrik" - oder: "Rohstoffe kann man doch kaufen"
Die zunehmende Sensibilisierung weiter Teile der Bevölkerung für die begründeten Belange unserer Umwelt, insbesondere der verstärkte Schutz der Umwelt im kommunalen und regionalen Lebensraum, haben dazu geführt, dass Bergbau in Deutschland weitgehend als höchst unerwünscht betrachtet wird. Die derzeitige öffentliche Wahrnehmung von "Bergbau" in Deutschland ist geprägt durch die Debatten um Subventionierung des defizitären deutschen Steinkohlebergbaus, die Schließung von ostdeutschen Kupfer-, Kali- und Braunkohlegruben nach der deutschen Wiedervereinigung, sowie durch den öffentlichen und politischen Widerstand gegen neue Tagebauvorhaben, wie Gartzweiler II.
Auf regionalem Niveau setzt sich dieser Konflikt um die Nutzung von Naturräumen bei der Gewinnung oberflächennaher Rohstoffe wie Sand und Kies zunehmend fort. Die Erschöpfung bekannter metallischer Rohstoffvorräte in Deutschland, sowie die geschwundene Akzeptanz für negative Begleiterscheinungen des Bergbaus haben dazu geführt, dass Deutschland sogenannte "hochpreisige" mineralische Rohstoffe, wie z.B. metallische Primärrohstoffe, zu 100 % importieren muss (Abb. 6).
Neben diesen durch Bergbau im Ausland gewonnen metallischen Rohstoffen wird allerdings inzwischen ein bedeutender Teil des deutschen Metallbedarfs durch Recycling gewonnen. Die Recyclingraten metallischer und mineralischer (z.B. Glas) Rohstoffe konnten insbesondere in den vergangenen 10 Jahren drastisch gesteigert werden, was eine immense politische, organisatorische und technische Leistung darstellt (Abb. 7). Leider lassen sich diese Steigerungsraten nicht in die Zukunft extrapolieren, da viele der technischen Recyclingverfahren "nur noch" geringfügig optimiert werden können, sodass vergleichbare Zuwächse in Zukunft nur in Einzelfällen oder sektoral erreicht werden können. Es steht also zu erwarten, dass die Recyclingraten auf ihrem erfreulich hohen Niveau bleiben oder bestenfalls moderat steigen werden, einen weitgehenden Ersatz geogener Primärrohstoffe kann das Recycling jedoch keinesfalls bieten. Statistische Daten der Jahre 1970 bis 1995 belegen, dass der Verbrauch von Nicht-Eisen-Metallen (NE-Metalle) parallel zum Wachstum des Brutto-Inlandsprodukts um ca. 80 % gestiegen ist (Abb. 8).
Während "teure" (metallische) Rohstoffe profitabel über weite Entfernungen transportiert und importiert werden können, so rechtfertigen verhältnismäßig "niedrigpreisige" Rohstoffe, wie Sand und Kies, die durch weiten Transport entstehenden Kosten nicht, sodass bei Steinen und Erden, Rohstoffen bzw. bei Industriemineralen die lokale Gewinnung meist unersetzbar ist.
Die gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Entwicklung, weg von der Rohstoffgewinnung, hin zur Rohstoffveredlung bzw. -verarbeitung und in einem weiteren Schritt bis hin zur Dienstleistungsgesellschaft, ist keineswegs nur ein deutsches oder westeuropäisches Phänomen, sondern ist ebenfalls in den USA, Kanada und inzwischen auch in Australien zu beobachten. So wiesen die Sektoren Metallbergbau und Landwirtschaft in den USA zwischen 1950 und 1996 ein drastisch sinkendes, die Dienstleistungssektoren jedoch ein umso deutlicher steigendes Einkommen auf (Abb. 9).
Abbildung 8: Parallele Zunahme von Brutto-Inlandsprodukt und Verbrauch an Nicht-Eisen-Metallen um ca. 80 % in der BRD zwischen 1970 und 1995. |
| Abbildung 9: Gegenläufiger Trend der Einkommen aus Metall-Bergbau und Landwirtschaft gegenüber dem allgemeinen und dem juristisch/finanziellen Dienstleistungssektor in den USA zwischen 1950 und 1996. |
Spielen also für uns Bergbau und die dazu nötige Exploration mineralischer Rohstoffe heute keine Rolle mehr? Die drastisch divergierenden Trends zwischen inländischer Produktion und Verbrauch zeigen eine deutliche Diskrepanz, die derzeit durch aktiven bzw. verstärkten Bergbau in anderen Weltregionen geschlossen wird. Diese Diskrepanz wird allerdings in anderen "hoch entwickelten" Regionen wie Nordamerika und Australien durch die o.g. Tendenz, zunehmend von Rohstoffproduzenten zu Rohstoffkonsumenten zu werden, noch weiter verstärkt.
Die extreme Trennung von Rohstoffproduzenten und Rohstoffveredlern/-konsumenten lässt sich anschaulich am Beispiel der Verteilung von Kupferbergwerken und Kupferhütten in Westeuropa und den südamerikanischen Anden belegen (Abb. 10 und 11). Während Westeuropa eine sehr hohe Dichte an Kupferschmelzhütten und Kupferraffinerien aufweist, findet sich in derselben Region heute kein einziges Kupferbergwerk (Abb. 10). Im Gegensatz dazu ballen sich in den südamerikanischen Anden eine Vielzahl von Kupferbergwerken aber nur wenige Kupferschmelzhütten und Kupferraffinerien (Abb. 11). Dies führt u.a. dazu, dass nach wie vor ein großer Teil der maßgeblichen Wertschöpfung (der "Mehrwert", eng. "added value") nicht in den Regionen erfolgt, in der die Förderung und der eigentliche Verbrauch der geogenen Ressourcen geschieht.
Im Zuge zunehmender Globalisierung dürfen wir solch drastische Verschiebungen nicht ignorieren. Dies trifft sowohl auf wirtschaftliche Abhängigkeiten und weltweite ökonomische Verknüpfungen als auch auf globale Umwelteinflüsse zu. Eine Abkehr von der Erforschung mineralischer Rohstofflagerstätten durch deutsche oder europäische Universitäten und andere Forschungseinrichtungen dürfte sich als fatale Kurzsichtigkeit erweisen, da wir in weitaus stärkerem Maße von den ökonomischen, technischen und ökologischen Auswirkungen eines sich in die Schwellen- und Entwicklungsländer verlagernden Bergbaus betroffen sind, als derzeit wahrgenommen wird. Dass hierbei die kurzsichtige Forderung nach gänzlicher Einstellung von Exploration und Gewinnung mineralischer Rohstoffe keine ernsthafte Option darstellt, sollte sich von allein verstehen. Selbst bei zukünftigen, optimalen Recyclingraten und sinnvoll reduziertem Rohstoffverbrauch werden immense Explorations- und Bergbauanstrengungen notwendig sein, um die Bergwerke zu ersetzen, deren Vorräte derzeit versiegen bzw. in Zukunft erschöpft sein werden.
Explorationsausgaben als Indikatoren zukünftiger Bergbautrends
Die jährlichen Explorationsausgaben internationaler Rohstoffkonzerne sind äußerst sensitive Indikatoren zukünftiger Bergbauaktivitäten. Die weltweiten Gesamtausgaben lagen in der vergangenen Dekade jährlich zwischen 1 Mrd. und 4 Mrd. USD (Abb. 12)! Dabei ist zu berücksichtigen, dass statistisch gesehen lediglich 2% aller Explorationsprojekte tatsächlich zum Bau eines Bergwerks führen, es handelt sich also bei der Exploration nach wie vor um notwendige aber finanziell höchst risikoreiche Unternehmungen (high-risk-ventures).
Abbildung 12: Globale Gesamtausgaben für die Exploration metallischer Rohstoffe zwischen 1992 und 2001 (aktualisiert aus Borg, 1998) |
Zwischen 1997 (3,9 Mrd. US$) und 1998 (2,7 Mrd. US$) kam es zu einem besonders drastischen Rückgang der Explorationsausgaben infolge eines starken Abflusses von Risiko-Kapital aus dem Explorationssektor. Ausgelöst wurde diese "Kapitalflucht" durch den sogenannten "Bre-X"-Skandal, bei dem durch massiven Betrug das Vorhandensein von bedeutenden Goldreserven in einem fernöstlichen Explorationsgebiet vorgetäuscht wurde. Die Aufdeckung dieses Betruges hat dazu geführt, dass ein großer Teil des hochspekulativen Kapitals den Markt verlassen hat und die internationalen Explorationsanstrengungen unter der Führung seriöser Bergbauunternehmen auf ein realistischeres Maß zurückgeführt wurden. Der eher konjunkturbedingte graduelle Rückgang der Explorationsausgaben hat sich seitdem fortgesetzt. Insbesondere die letzten 10 Jahre haben eine drastische globale Umverteilung von Explorationsbudgets und infolge dessen der Explorationsaktivitäten in den Großregionen der Welt mit sich gebracht (Abb.13).
Abbildung 13: Prozentuale Veränderung der Explorationsausgaben in verschiedenen Weltregionen (aktualisiert aus Borg, 1998) |
Die Zunahme der Explorationsaktivitäten ist in diesem Zeitraum in Südamerika, Afrika, Pazifik/SE-Asien am drastischsten und fällt in den USA und Kanada deutlich am geringsten aus (Abb. 14).
Abbildung 14: Relative Veränderung (in %) des Anteils der globalen Explorationsausgaben in den verschiedenen Regionen der Welt (aktualisiert aus Borg, 1998) |
Dabei wird deutlich, dass es Regionen gibt, welche die globale Steigerung der Explorationsausgaben (Abb. 13) deutlich übertreffen, also Exploration und Bergbau verstärkt anziehen, aber auch solche Regionen, die erkennbar hinter dieser globalen Steigerung zurückbleiben. Hier spiegelt sich der o.g. Trend wider, dass Exploration und Bergbau in den "hoch entwickelten" Ländern zunehmend unerwünscht sind und sich daher in Länder verlagert, wo wirtschaftliche Not, eine "liberale" oder noch unterentwickelte Gesetzgebung, finanzielle und steuerliche Anreize sowie weite, dünn besiedelte Landstriche die Rohstoffgewinnung einfacher erscheinen lassen.
Am deutlichsten wird diese Tendenz, wenn man untersucht, in welchem Maße sich der prozentuale Anteil jeder Region an den globalen Explorationsausgaben zwischen 1991 und 2001 gesteigert bzw. vermindert hat (Abb. 14). Hier zeigt sich deutlich, dass insbesondere in Kanada, Australien und den USA eine Abwanderung von Explorationsprojekten (und infolgedessen in Zukunft vermutlich auch von Bergbauaktivitäten) zu verzeichnen ist. Südamerika, Afrika, die GUS und Asien sind Regionen, in die sich die Exploration verlagert bzw. zukünftiger Bergbau verlagern wird. Selbst in Westeuropa wird in vielen Ländern sehr aktiv und z.T. wieder zunehmend Exploration und Bergbau metallischer Rohstoffe betrieben. Dazu zählen beispielsweise Länder wie Irland (Pb-Zn), Portugal und Spanien (Cu-Pb-Zn und Au), Italien (Au), Griechenland (Au), Norwegen, Finnland (Ni-Cu-PGM) und Schweden (Cu-Pb-Zn) sowie Polen (Cu-Pb-Zn).
Die Warnung vor einer zu "germanozentrischen" Sichtweise der deutschen importabhängigen Versorgungssituation mit mineralischen Rohstoffen scheint durchaus angebracht. Der Eindruck, dass Exploration und Gewinnung (metallischer) Rohstoffe für uns in Deutschland "kein Thema" mehr darstellen, da alle Ansprüche über den Markt geregelt werden können, wäre sowohl in Deutschland als auch in Europa fatal. Unsere näheren europäischen Nachbarn wie auch weiter entlegene Länder und Kontinente sind sehr aktiv bei der Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Rohstoffe und die derzeitigen dramatischen Veränderungen haben weitreichende Auswirkungen auf die nationalen und globalen Rohstoff-, Finanz- und auch Arbeitsmärkte sowie voraussichtlich auf die regionalen und globalen Ökosysteme.
Die Lebensdauer mineralischer Rohstoffvorräte - ein Perpetuum mobile?
Immer wieder werden öffentlich Angaben zur Lebensdauer einzelner geogener Rohstoffe gemacht (genauer gesagt, zur Lebensdauer der verbleibenden Rohstoffreserven); bei den Prognosen zur Verfügbarkeit von Erdöl ist dies seit Jahren am deutlichsten. Dabei fällt auf, dass diese Angaben oft höchst unterschiedlich ausfallen und immer wieder Anlass für Missverständnisse und Konflikte sind. Ein "Paukenschlag" mit nachhaltig sensibilisierender Wirkung war sicherlich der Bericht des "Club of Rome" aus den 60er Jahren mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" (Meadows, mehrfach neu aufgelegt, siehe zuletzt 1998). Dieser Bericht postulierte das Ende der Vorräte verschiedener mineralischer und Energierohstoffe in naher Zukunft, mit "dead-lines" die in vielen Fällen heute bereits deutlich überschritten worden sind, ohne dass eine spürbare Verknappung der entsprechenden Rohstoffe eingetreten wäre.
Der Umkehrschluss, geogene Rohstoffe seien unerschöpflich und eine völlige Entwarnung daher gerechtfertigt, ist allerdings ebenso falsch wie die voreiligen Kassandra-Rufe. Die große Komplexität der Zusammenhänge der Faktoren, die die Lebensdauer eines Rohstoffs bestimmen, eignet sich nicht für derartige Simplifizierungen. Ich will im Folgenden versuchen, einige der für die Lebensdauer eines Rohstoffs relevanten Faktoren zu benennen und aufzuzeigen, dass eine Prognose der tatsächlichen Lebensdauer eines (verbleibenden) Rohstoffs(Vorrats) nur sehr schwer bzw. gar nicht möglich ist.
Eine Vielzahl verschiedener Faktoren, wie Weltmarktpreise, Recyclingraten, verändertes Verbraucherverhalten, neue technische Gewinnungsverfahren oder die Einführung von Ersatzstoffen wirken zusammen und verhindern die Bestimmung der tatsächlichen Lebensdauer, sodass man die Begriffe der "statischen Lebensdauer" bzw. "dynamischen Lebensdauer" eingeführt hat (Wellmer & Becker Platen, 1999), um zumindest die relativen Unterschiede in der Verfügbarkeit verschiedener Rohstoffe veranschaulichen zu können.
Bei beiden Begriffen geht man ausschließlich von den heute bekannten Vorräten des jeweiligen Rohstoffs aus und dividiert diese entweder durch den heutigen Verbrauch desselben Rohstoffs (die statische Lebensdauer) bzw. durch einen dynamisch wachsenden Verbrauch (die dynamische Lebensdauer). Nun ist offensichtlich, dass weder der heutige Erkenntnisstand über den Umfang der tatsächlichen Vorräte noch das Wissen über zukünftige Verbrauchszahlen eine abschließende Einschätzung zulassen. Trotzdem zeigen sich bei einer Auflistung der statischen Lebensdauer ausgewählter mineralischer Rohstoffe deutliche Unterschiede (Abb. 15).
Wodurch werden diese dramatischen Unterschiede verursacht? Die wesentlichen Prinzipien sollen an den "langlebigen" Rohstoffgruppen Salz und Chromit sowie den Platin-Gruppen-Metallen (PGM) einerseits und der scheinbar "kurzlebigen" Gruppe Baryt, Zink und Blei andererseits aufgezeigt werden.
Abbildung 15: Die statische Lebensdauer eines Rohstoffs errechnet sich aus den derzeit bekannten Vorräten, dividiert durch den derzeitigen Verbrauch. (adaptiert nach Dalheimer & Wellmer, 2000) |
Es ist bekannt, dass mineralische Rohstoffe in sehr unterschiedlichen geologischen Situationen, d.h. in unterschiedlichen Lagerstättentypen, vorkommen. Diese Lagerstättentypen unterscheiden sich neben ihrer Bildungsgeschichte (der Metallogenese) auch hinsichtlich ihrer Tonnage, Gehalte, Vererzungsstile, mineralogischer und physikalischer Eigenschaften sowie ihrer Geometrie und räumlichen Erstreckung der Erzkörper. Diese Lagerstätteneigenschaften resultieren im Falle einiger Rohstoffe in einem besonders hohen Explorationsgrad (oder Erforschungs- bzw. Nachweisstand); dies trifft für die erstgenannte Gruppe (Salz, Chromit, PGM) zu, allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen.
Die im Vergleich zu den umgebenden Gesteinen geringe Dichte des Salzes ist eine relativ gut messbare (geo)physikalische Eigenschaft. Dieselbe Eigenschaft (die geringe Dichte) hat dazu geführt, dass Salz (Steinsalz und Kalisalze) als Reaktion auf die Auflast überlagernder relativ schwerer Gesteinsschichten in Form von Diapiren, Kissen oder Walzen aufsteigt und so mehrere hundert Meter durchmessende, ballon-ähnliche‚ Salzstöcke unter der Erdoberfläche bildet, die relativ leicht mit Hilfe geophysikalischer Methoden (Gravimetrie) zu orten sind. Hieraus ergibt sich der sehr hohe Erkundungsgrad der Salzreserven, d.h. dass sehr umfangreiche Vorräte bekannt sind, was in einer statischen Lebensdauer von fast 350 Jahren resultiert (Abb. 15).
Im Falle von Chromit (Chrom wird z.B. als Stahlveredler benötigt) und den Platin-Gruppen-Metallen (hier insbesondere Platin und Palladium für Katalysatorzwecke) sind andere geologische Gründe die Ursache der langen statischen Lebensdauer. Sowohl Chromit als auch PGM sind in überwiegendem Maße Bildungen magmatischer metallogenetischer Prozesse, in deren Verlauf heißes flüssiges Magma aus dem oberen Erdmantel in die Erdkruste eingedrungen und dort in großen Magmenkammern abgekühlt und erstarrt ist. In den Frühstadien der Abkühlung bildeten sich Chromitkristalle und sanken aufgrund ihrer hohen Dichte zusammen mit PGM-reichen Sulfidtropfen zum Boden der Magmenkammer, wo sie sich in lateral sehr beständigen "Flözen" ablagerten. In der größten derartigen Magmenkammer, dem Bushveld-Komplex im Nordosten Südafrikas (Abb. 16), lassen sich meterdicke Chromit-PGM-Flöze lateral z.T. über mehr als 300 km verfolgen (Abb. 17). Derartig nahezu planar ausgebildete Erzkörper (Abb. 18) lassen sich naturgemäß gut erkunden bzw. recht zuverlässig extrapolieren und die daraus resultierenden Vorräte können relativ genau bestimmt werden. Hier ist also die relativ leichte Explorierbarkeit des Rohstoffs der Grund dafür, dass sehr große Vorräte bekannt sind, woraus sich, wie auch beim Salz, eine vergleichsweise lange statische Lebensdauer von zwischen 250 und 300 Jahren ergibt (Abb. 15).
Abbildung 16: Der Bushveld-Komplex stellt eine ehemalige Magmenkammer in der Erdkruste dar, die heute durch Erosion z.T. freigelegt worden ist. Der Komplex beinhaltet die größten bekannten Vorräte an Chromit und Platin-Gruppen-Metallen. |
| Abbildung 17: Schematische Profile durch einen Teil des Bushveld-Komplexes; deutlich sichtbar ist der lagige Aufbau der Gesteine der durch das Absinken von Kristallen aus dem abkühlenden flüssigen Magma entstanden ist. |
Wenden wir uns nun der "kurzlebigen" Gruppe Baryt, Zink, und Blei zu, um zu erläutern, was hier die ausgeprägt kurze statische Lebensdauer verursacht.
Die Lagerstätten dieser Gruppe kommen meist in vergleichsweise kleinen Erzkörpern vor, die jedoch in vielen Fällen innerhalb eines Lagerstättendistriktes gehäuft auftreten. Zudem weisen diese Erzkörper meist recht komplexe und unregelmäßige Formen auf, die nur mit größerem Aufwand erkundet werden können. Die stark schwankenden Metallpreise haben dazu geführt, dass die Bergbauunternehmen in vielen Fällen zufrieden sind, wenn Vorräte für die jeweils kommenden 7 - 10 Jahre nachgewiesen sind, solange diese durch den Abbau unterstützende Exploration fortlaufend ergänzt werden können. Man könnte dieses Verhalten als ein Beispiel des aus dem Handel und der industriellen Fabrikation bekannten "just-in-time"-Prinzips betrachten. Die geologischen Rahmenbedingungen der Lagerstätten dieser zweiten Gruppe und das soeben erwähnte "just-in-time-Explorationsprinzip" erklären, warum Rohstoffe von kurzer Lebensdauer einen erheblich höheren Explorationsbedarf und somit Innovationsbedarf haben als Rohstoffe mit (extrem) langer Lebensdauer. Hier sind kontinuierliche Explorationsanstrengungen und -erfolge notwendig, um erschöpfte, d.h. abgebaute, Lagerstätten durch neue zu ersetzen.
Hieraus resultiert zugleich ein hoher Forschungsbedarf für anwendungsorientierte, lagerstättenkundliche Einrichtungen. Die Forschungsgebiete und Berufsfelder im Bereich der Rohstoffe mit kurzer Lebensdauer werden maßgeblich von den Rohstoffkonzernen vorgegeben und brauchen den kreativen Input flexibler, anwendungsorientierter Geowissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen wie z.B. Mineralogen, Geologen und Geophysiker. In einem derart globalisierten Explorationsumfeld bietet sich hier eine Vielzahl von beruflichen Einsatzgebieten, da Veränderungen der Explorations- und Bergbauanstrengungen durch neue regionale, ökonomische, technische oder geologisch/mineralogische Vorgaben auch in neuen oder erweiterten beruflichen und wissenschaftlichen Tätigkeitsfeldern resultieren.
Regelkreise der Rohstoffversorgung - der menschliche Faktor
Die Lebensdauer mineralischer Rohstoffe unterliegt neben geologischen Rahmenbedingungen auch systematischen Regelkreisen, in denen eine Vielzahl ökonomischer und technischer Faktoren wirksam sind, die allesamt mögliche Prognosen zur zukünftigen Verfügbarkeit der Rohstoffe erschweren. Die Verknappung eines Rohstoffs kann in der Regel verschiedene Reaktionen ökonomischer und/oder technischer Art auslösen (Abb. 19).
Abbildung 19: Verschiedene Regelkreise ökonomischer und technischer Reaktionen auf die Verknappung von Rohstoffreserven. |
Die ökonomische Kopplung von Angebot und Nachfrage führt bei erhöhtem Bedarf und/oder verknapptem Angebot eines mineralischen Rohstoffs zunächst zu einem Preisanstieg. Die darauf einsetzenden Folgereaktionen können allerdings unterschiedlicher Art sein, sie schließen jedoch meist einen kreativen Beitrag des Menschen ein. Der erhöhte Preis kann beispielsweise zusätzliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zu verbesserten Gewinnungs- oder Recyclingverfahren ökonomisch sinnvoll machen, er kann aber auch in verstärkten Explorationsanstrengungen oder dem Abbau niedrig gehaltigerer Lagerstätten resultieren. Es lässt sich zeigen, dass die deutlichen Preisanstiege für Kupfer der 1950er und 1960er Jahre bzw. für Gold in den 1970er Jahren jeweils Phasen verstärkter Buntmetall- bzw. Goldexploration auslösten (Abb. 20).
Zur Zeit lässt sich beobachten, dass die Buntmetalle in den Explorationsportfolios internationaler Rohstoffkonzerne wieder einen bevorzugten Platz einnehmen. Der Explorationsboom nach Gold in den 1980er und 1990er Jahren hat die Entdeckung umfangreicher neuer Reserven zur Folge gehabt. Dagegen lässt nach Ansicht vieler Rohstoffkonzerne die "vernachlässigte" Suche nach Buntmetall-Lagerstätten der letzten 20 Jahre eine zukünftige Verknappung möglich erscheinen. Derart zyklische Explorations- und Bergbautätigkeiten auf ausgewählte Rohstoffgruppen können sich auch in verfügbarem Firmenwissen oder in veränderten Forschungsschwerpunkten niederschlagen. So hat die international vermehrt auf Goldexploration und die Genese von Goldlagerstätten ausgerichtete Lagerstättenforschung der vergangenen 20 Jahre dazu geführt, dass besonders Firmen mit sehr aktiven, jungen Explorations- und Forscherteams heute z.T. nicht mehr über das nötige lagerstättenkundliche und explorationstechnische Wissen zur Buntemetallexploration verfügen.
Hier existiert derzeit ein erheblicher Nachholbedarf, dem die internationale Rohstoffindustrie durch verstärktes "outsourcing" und anwendungsorientierte, lagerstättenkundliche Fortbildungsprogramme für ihr Explorationspersonal begegnet.
Wenden wir uns nun wieder den allgemeinen Regelkreisen zu, für die auch dieser kleine Exkurs ein Beispiel gewesen ist. Das Ergebnis von optimiertem Recycling sowie intensivierter Exploration ist die gesteigerte Produktion und damit die Erhöhung bekannter Vorräte sowie der statischen Lebensdauer eines Rohstoffs. Hierdurch wird eine Verknappung umgehend beseitigt und das "Versiegen des Rohstoffs" ist bis zur nächsten Verknappung und zum nachfolgenden Explorations- bzw. Innovationsschub des Regelkreises aufgeschoben. Weitere, den Regelkreis stark beeinflussende Faktoren können auch die Erfindung technischer Ersatzstoffe sein, z.B. der Einsatz von Palladium statt Platin in der Katalysatortechnik oder Glasfaserkabel statt Kupferkabel. Im gegenteiligen Fall kann die Feststellung toxischer Eigenschaften (glücklicherweise) zur sehr abrupten Verkürzungen der Lebensdauer eines Rohstoffs und der verstärkten Suche nach Ersatzrohstoffen führen, wie dies z.B. bei Asbest und Cadmium der Fall gewesen ist.
Markt und Mine - was das Erz zum Erz macht
Da die moderne Definition des Begriffs "Erz" den Aspekt der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit beinhaltet, kann man umgekehrt schlussfolgern, dass ganze Lagerstätten oder zumindest die randlichen Teile von Lagerstätten durch Schwankungen des Weltmarktpreises ihren Status als "Erz" verlieren oder wieder gewinnen können.
Dies ist in der Tat der Fall und hat dazu geführt, die räumliche Begrenzung von Lagerstätten entweder geologisch oder ökonomisch zu bestimmen. Die geologisch/mineralogische Grenze einer Lagerstätte ist in seltenen Fällen makroskopisch, sondern meist mikroskopisch oder nur analytisch nachweisbar und trennt mineralisiertes Gestein von nicht-mineralisiertem Nebengestein. Diese mineralogische Grenze wird in der Regel als fest betrachtet.
Die ökonomische Grenze einer Lagerstätte wird hingegen durch die Grenze der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit festgelegt und schwankt in Abhängigkeit vom Preis des abzubauenden Rohstoffs mehr oder weniger stark.
Daraus ergibt sich, dass auch die Vorräte, d.h. die Tonnage einer Lagerstätte in Abhängigkeit vom Rohstoffpreis schwanken. In der Praxis wird jedes Bergbauunternehmen versuchen, dieses Risiko durch langfristige Verträge abzusichern und damit auch die ökonomische Grenze der abzubauenden Lagerstätte, zumindest für einen bestimmten Zeitraum, möglichst fest zu bestimmen, was jedoch nur selten über große Zeiträume gelingt. Dass ganze Bergwerke zu unwirtschaftlicher Mineralisation und wieder zu profitablen Lagerstätten werden können, zeigt das Beispiel der Silberbergwerke von Idaho und Montana im Cœur d'Alène-Distrikt.
Hier wurden und werden ganze Silberbergwerke, welche wirtschaftlich nur marginal arbeiten, bei fallendem Silberpreis aus der Produktion genommen und durch Abpumpen der Grubenwässer mit Minimalaufwand funktionsfähig gehalten; bei steigendem Silberpreis hingegen wird die Produktion wieder aufgenommen. Viele Bergwerke reagieren innerhalb ihrer Lagerstätte auf ähnliche Art und Weise auf fluktuierende Marktpreise, indem sie Erze unterschiedlich hoher Metallgehalte in Abhängigkeit vom Preis abbauen bzw. niedrig gehaltige Erze bei niedrigem Preis auf Halde lagern und diese nur bei hohem Preis der Erzaufbereitung zuführen. Die Randbereiche eines vererzten Ganges oder einer Erzlinse wird also, jeweils in Abhängigkeit vom Rohstoffpreis, über oder unter dem sogenannten "economic cut-off", d.h. der wirtschaftlichen Bauwürdigkeitsgrenze, liegen (Abb. 21).
Mineralexploration und Rohstoffpreise
Wenden wir uns nun der Frage zu, wie sich steigende oder auch sinkende Rohstoffpreise auf die Exploration eines mineralischen Rohstoffs auswirken. Es leuchtet ein, dass anhaltend hohe Weltmarktpreise eines mineralischen Rohstoffs entsprechend aktive Exploration bedingen. Umgekehrt ist es allerdings nicht unbedingt der Fall, dass sinkende Rohstoffpreise zur Einstellung der Exploration nach diesem Rohstoff führen. Der Grund hierfür liegt z.T. in der "puffernden" Wirkung des in Abbildung 19 illustrierten Regelkreislaufs.
Ein Beispiel dafür, dass auch sinkende Rohstoffpreise zu einem Innovationsschub führen können, soll am Beispiel des Edelmetalls Gold und der Buntmetalle Kupfer, Blei, Zink und Nickel verdeutlicht werden.
Der in den 1990er Jahren sinkende Goldpreis hat zwar dazugeführt, dass der Goldexplorationsboom der 1980er und frühen 1990er Jahre etwas abgeflaut ist, trotzdem entfielen im Jahr 1998 noch 67% der weltweiten Explorationsausgaben auf die Suche nach Gold, während nur 33% der Gelder in die Buntmetallexploration (Cu, Pb, Zn, Ni) flossen. Einer der Gründe für dieses ökonomische Verteilungsmuster ist die Tatsache, dass sich die Suche nun auf andere Gold-Lagerstättentypen konzentriert, nämlich auf sogenannte "low-cost gold deposits", d.h. solche Goldlagerstätten, die sich durch möglichst niedrige Produktionskosten auszeichnen.
Bei einem Goldpreis von unter 270 $ pro Feinunze (32 g) ist es von größter Bedeutung, ob die Produktionskosten einer Mine bei 300 $ (wie es noch vor der letzten Jahrtausendwende bei den hochtechnisierten, bis zu 7000 m (!) tiefen südafrikanischen Bergwerken der Fall war) oder sogar darüber liegen (Abb. 22) oder bei lediglich 102 $, wie dies bei der westafrikanischen Sadiola Mine der Fall ist (Abb. 23).
Abbildung 22: Produktionskosten der Goldminen ausgewählter Länder von 1990 bis 1999. Die Produktionskosten moderner Goldminen können derzeit bei etwa 100 USD pro Unze liegen (vergl. das Beispiel der Sadiola Mine in Mali, Abb. 21) |
| Abbildung 23: Das Beispiel der Sadiola-Goldmine in Mali, Westafrika, die derzeit als die Goldmine mit den niedrigsten Produktionskosten gilt (Mining Journal, 2000) |
Gefragt ist also wiederum die Kreativität von Geowissenschaftlern, um Kriterien zu erarbeiten, nach denen insbesondere Lagerstätten mit geringen Produktionskosten exploriert werden können.
"Neue" Lagerstättentypen durch geologisch/mineralogische Innovation
Während Gold ein zumindest teilweise spekulativer mineralischer Rohstoff ist, lässt sich am Beispiel des konjunkturabhängigen Buntmetalls Zink aufzeigen, wie geologische, mineralogische und metallurgische Forschungsergebnisse einen Explorationsboom auf einen (scheinbar) neuen Typ von Zinklagerstätten ausgelöst haben. Zink ist heute das mengenmäßig drittwichtigste Nicht-Eisen-Metall, nach Aluminium und Kupfer. Es wird vor allem zur Verzinkung (Rostschutz) verwendet (ca. 40%), aber auch für Messing- und Zinkguss (ca. 25%) und für Batterien sowie für chemische und medizinische Zwecke (z.B. in Zinksalben).
Im 19. Jahrhundert wurde Zink vor allem in Form von Zinkoxyden, Zinkkarbonaten und Zinksilikaten abgebaut und in sehr energieaufwendigen Verfahren gewonnen (Wälz-Verfahren). Zinksulfidlagerstätten wurden zu dieser Zeit kaum abgebaut bzw. konnten nur schwer aufbereitet und verarbeitet werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts allerdings wurde die Gewinnung der auch "Calamine" (nach einer Lagerstätte in Belgien benannt) genannten oxydischen, silikatischen und karbonatischen Erze zugunsten der erheblich effektiveren Gewinnungsweise von Zinksulfiden aufgegeben. Die nun eingesetzten Aufbereitungsverfahren machten sich die unterschiedlichen mineralogischen Eigenschaften von Zinksulfiden und Nebengesteinsmineralen zunutze und ermöglichten durch das sogenannte "Flotationsverfahren" deren effektive Trennung. Hierbei führt das unterschiedliche Benetzungsverhalten von Sulfiden und Nicht-Sulfiden dazu, dass in von Luft durchspülten Becken fein gemahlene Sulfiderze mit den Luftblasen nach oben steigen (schlecht benetzt, d.h. hydrophob) und die Nebengesteinspartikel absinken (gut benetzt, d.h. hydrophil).
Diese hier nur in groben Zügen skizzierte Aufbereitungsweise wurde während des 20. Jahrhunderts als nahezu einzige Methode eingesetzt. Die ehemals bedeutenden nicht-sulfidischen Zinklagerstätten gerieten fast vollständig in Vergessenheit und wurden daher in den vergangenen Dekaden bei der Exploration nicht berücksichtigt. Der Typ der oxydischen, karbonatischen und silikatischen Zinklagerstätten war somit in der Explorationspraxis nicht länger existent. Metallurgische, mineralogische und geologische Forschung hat allerdings in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die Situation erneut geändert hat; der in Abbildung 19 illustrierte Regelkreis findet also auch hier Anwendung.
Im Rahmen dieser metallurgischen und mineralogischen Studien wurden neue Aufbereitungs- und Gewinnungsverfahren entwickelt, die es ermöglichen, den oxydischen, silikatischen und karbonatischen Erzen das Zink in einer ersten Stufe durch chemische Laugung zu entziehen und es anschließend, mittels Elektrolyse (Abb. 24), als hochreines Zinkmetall zu gewinnen. Dieses als SX-EW (solvent-extraction, electro-winning) bekannte Verfahren war bereits seit geraumer Zeit für andere Metalle und Erztypen bekannt, aber erst kürzlich gelang die Adaption dieses Verfahrens für die komplexen Zinkoxyde, -silikate und -karbonate. Dieses neu entwickelte Verfahren zeichnet sich nicht nur durch deutlich geringere Produktionskosten aus, sondern ist auch erheblich weniger energieaufwendig und umweltfreundlicher, da kein Schwefel mehr entsteht, wie es bei der Zinkgewinnung aus Sulfiden unumgänglich ist. Zudem erlaubt dieses Verfahren die Produktion eines hochreinen Metalls direkt vor Ort, mit Reinheitsgraden, die eine medizinische Anwendung des Zinks erlauben.
Da die entsprechenden Lagerstätten und zukünftigen Bergwerke dieses Typs zumeist in Entwicklungsländern liegen, führt diese "Verfahrensabkürzung" dazu, dass ein erheblich größerer Teil der Wertschöpfung im Land des Bergbaus bleibt und diesem zugute kommen kann. Eine solche technisch-mineralogische Entwicklung kann dabei helfen, das markante globale Ungleichgewicht zwischen Rohstoffproduzenten und Rohstoffveredlern (dargestellt in Abb. 10 und 11) zu verringern. Viele der nun verstärkt explorierten Zinkvorkommen vom "nicht-Sulfid-Typ" waren während der vergangenen Jahrzehnte bereits bekannt. Zu wirtschaftlich gewinnbaren Lagerstätten und zu einem quasi neuen Lagerstättentyp wurden sie jedoch erst durch den zuvor beschriebenen Innovationsschub. Die verständliche Vernachlässigung dieses Typs von Zinklagerstätten, sowohl in Hinblick auf deren Exploration als auch auf die Erforschung ihrer Metallogenese, hat nun zu einem erheblichen Nachholbedarf geführt, der neue Chancen für die anwendungsorientierte Mineralogie und Explorationsgeologie bietet.
» Zur Fortsetzung: Welche Art von Exploration und Bergbau brauchen wir zukünftig?