Der Schatten des Jahres 1929
26.01.2004 | Markus Mezger
Die Parallelen zwischen den derzeitigen Visionen einer New Economy und dem ungeheuren Fortschrittsglauben der goldenen 20er Jahre sind augenfällig. Auch an der Börse zeigt sich im historischen Vergleich dasselbe Phänomen: Die Aktienkurse bewegen sich in schwindelerregenden Höhen. Befindet sich der US-Aktienmarkt ebenso wie in den 20er Jahren in einer riesigen Kursblase, die jederzeit platzen könnte? Droht den USA abermals ein Kurssturz, dessen Folgen noch lange zu spüren sein werden?
"Es wird ein Crash kommen - und er könnte schrecklich sein", warnte der umstrittene Ökonom Roger Babson vor der jährlichen nationalen Wirtschaftskonferenz am 5. September 1929. Die Warnung erfolgte damit nur zwei Tage nach Erreichen des Börsenhochs einer bis dahin beispiellosen Rekordhausse, die den Investoren seit dem August 1921 Zuwächse von annähernd 500% beschert hatte. Dagegen waren die Mehrzahl der Bankiers und die große Schar ihrer hoffnungsfrohen Klientel fest davon überzeugt, dass die amerikanische Wirtschaft sich auf dem rechten Weg befände, und dass Wall Street nur das klare Spiegelbild des ungeheuren Fortschritts und des wachsenden Wohlstandes sei. Wenige Tage vor der großen Börsenkatastrophe, am 15. Oktober 1929, sprach der hoch angesehene Börsenoptimist Irving Fischer, Professor an der Yale-Universität, die unsterbliche Feststellung aus: "Die Aktienkurse haben offenbar ein dauerhaft hohes neues Niveau erreicht." Und: "Ich erwarte, dass die Kurse in wenigen Monaten ein gutes Stück höher als heute stehen werden."
Nach der markanten Aufwärtsbewegung des amerikanischen Aktienmarktes in den vergangenen zehn Jahren schallen dem Börsenpublikum heute ähnlich kontroverse Stimmen entgegen. Die eine Seite sieht die gegenwärtige Aktienhausse auf Grund der "digitalen Revolution" ökonomisch gut fundiert und erwartet für die nächsten Jahre erneut eine Fortsetzung des bisherigen Kursaufschwungs. Auf der anderen Seite wird vor einer spekulativen Kursblase gewarnt, die insbesondere die Aktien aus den Bereichen Telekommunikation, Medien, Internet und Biotechnologie erfasst hätte. Sind diese Warnungen berechtigt? Kann sich das Börsendesaster von 1929 wiederholen?
Gibt es Parallelen zwischen heute und damals?
Die Vision einer neuen Ära Jede lang währende Hausse scheint als Fundament ein populäres Leitthema zu benötigen, das die Fantasie der breiten Maße der Kapitalanleger für eine lange Zeit anzuregen vermag. Der Auslöser des Börsenrauschs der goldenen 20er Jahre waren die fantastischen technischen Errungenschaften wie Radio, Elektrizität und Auto sowie die organisatorischen Neuerungen, die durch Frederick Taylor inspiriert wurden. Die Fließbandproduktion in der Automobilindustrie und der spektakuläre Transatlantikflug von Charles Lindberg im Jahre 1927 ließen die alte Eisenbahnindustrie erblassen und rückten den Traum grenzenloser individueller Mobilität für viele Bürger in greifbare Nähe. Das Radio und der Übergang vom Stummfilm zum vertonten Filmstreifen eröffneten nicht nur Hollywood ungeahnte Möglichkeiten.
Dieser ungeheure Fortschritt faszinierte damals Unternehmer, Verbraucher, Politiker und Anleger gleichermaßen. Mit ihm verbunden waren erhebliche Produktivitätssteigerungen, eine ganz entscheidende Triebfeder der amerikanischen Prosperity. Die Arbeitsproduktivität erhöhte sich in nur zehn Jahren um erstaunliche 43%. Damit einher gingen hohe Wachstumsraten bei Preisstabilität und niedrige Arbeitslosenquoten. Von 1922 bis 1929 betrug das durchschnittliche reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 4,2%.
Goldene Zeiten brachen aber vor allem für die Unternehmer an. Unter dem republikanischen Präsident Calvin Coolidge (1923 bis 1929) wurde eine wirtschaftsliberale Politik betrieben und der Grenzsteuersatz von 73% auf 25% ermäßigt. Die Unternehmensgewinne erhöhten sich von 1923 bis 1929 um über 60%, weil insbesondere die Löhne nur ein Viertel so stark stiegen wie die Produktivität. Die tradierten volkswirtschaftlichen Zusammenhänge schienen den damaligen Zeitgenossen überholt. Amerika war nicht nur nach Ansicht von John Moody, dem Gründer der gleichnamigen Rating-Agentur, in eine "neue Ära" eingetreten.
Siebzig Jahre später scheint sich die Geschichte in neuem Gewande zu wiederholen. Diesmal ist es das rasante Wachstum des Internets, das die Fantasie der Anleger blühen lässt.
Die Vernetzung der privaten Haushalte und der Unternehmen hat die Informations- und Datenflüsse weltweit revolutioniert. Die Verbreitung des Internets könnte sich als die Basisinnovation erweisen, die eine neue, lange Wachstumsphase einläutet hat.
Wie in den 20er Jahren Radio und Film erschließt das Internet für Produzenten und Verbraucher neue Welten. Informationen können mit dem neuen Medium in Sekundenschnelle weltweit recherchiert, verarbeitet und elektronisch versendet werden. Der Vertrieb homogener Produkte der Finanzbranche (z. B. Kredite, Aktien, Versicherungen) oder der Konsumbranche (Reisen, Bücher, Musik) kann heute zunehmend über das Netz abgewickelt werden. Die größten Produktivitätsgewinne verspricht das Internet aber in der Kommunikation zwischen den einzelnen Unternehmen (Business to Business). So kann beispielsweise der Einkauf großer Unternehmen über elektronische Marktplätze erfolgen, so dass die Transaktionskosten wesentlich gesenkt werden.
Die deutlichen Produktivitätssteigerungen ließen das Bruttosozialprodukt in Amerika von 1991 bis 1999 real um durchschnittlich 3,6% pro Jahr wachsen. In den letzten drei Jahren lag das Wachstum des realen BSP sogar über der 4-Prozent-Marke. Über eine noch dynamischere Entwicklung durften sich Unternehmer und deren Kapitalgeber freuen. Die Unternehmensgewinne legten von 1991 bis 1999 mit durchschnittlich 9,4% deutlich schneller zu als die durchschnittlichen Löhne (3,2%). Die Tatsache, dass diese beachtlichen Zuwächse ohne nennenswerte Inflation erzielt werden konnten, haben wie in den 20er Jahren der These Vorschub geleistet, die USA seien nunmehr in eine »neue Ära« eingetreten, in der hohes Wirtschaftswachstum mit niedrigen Zinsen und niedriger Inflation spannungsfrei einhergehe.
Mit dem tiefen Glauben an eine derartige Goldilock Economy werden Einwände und die historischen Erfahrungen leicht beiseite geschoben oder verdrängt. Den kommerziellen Anwendungen des Internet sind in vielen Bereichen noch enge Grenzen gesetzt. Aktuelle Mängel, wie das Fehlen elektronischer Zahlungsmittel (Cyber Cash) und eines Rechtsrahmen für Netzgeschäfte, unzureichende Sicherheitsstandards oder Infrastrukturlücken des Netzes könnten durch technische Neuerungen in den nächsten Jahren wohl noch behoben werden.
Dennoch könnten sich viele Internet-Fantasien der Börsianer als Luftschlösser erweisen. In dem Bereich der physischen Freizeitgestaltung (Sport, Wellness) sind dem weltweiten Netz ebenso Grenzen gesetzt wie beim Vertrieb von beratungsintensiven oder inhomogenen Produkten. Noch schwerwiegender dürften sich allerdings die Kräfte des Wettbewerbs erweisen. In den E-Commerce-Bereich neu eintretende Firmen werden von den euphorischen Börsianern bisher noch mit reichlich Eigenkapital versorgt, womit die Grundlage für mehr Wettbewerb in der Zukunft geschaffen wird. Hinzu kommen noch die etablierten Handelskonzerne, die dank ihrer Größe massive Investitionen in diesen Bereichen tätigen können und über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen.
Ob die Internet-Pioniere in einem zunehmend wettbewerbsgeprägten Umfeld die hochgeschraubten Gewinnerwartungen, die in den fantastischen Börsenbewertungen reflektiert werden, jemals werden erfüllen können, scheint zumindest für die Mehrzahl der Anbieter fraglich. Der verlustreichen Investitionsphase könnten statt der erhofften Monopolgewinne eine Phase des ruinösen Wettbewerbs folgen.
Kursrekorde auf dünnem ökonomischen Fundament
Mitte der 20er Jahre mochte noch niemand etwas von der anschließenden Kursexplosion geahnt haben. Von 1921 bis 1924 hatten die Börsianer mit einer Rendite von durchschnittlich 12 % durchaus keine schlechten, aber eben auch keine außergewöhnlichen Jahre hinter sich. Die Kursgewinne waren zudem durch verbesserte Ertragsaussichten im Unternehmenssektor gut fundiert.
Die Übertreibungsphase begann im Jahr 1926. Immer steiler ging es nun aufwärts, Verschnaufpausen fielen immer spärlicher aus. Allein in den letzten zwölf Monaten der damaligen Hausse zogen die Kurse um knapp 60% an. Am Ende hatte die Gesamtbewegung von August 1921 bis September 1929 eine Rendite von rund 500% oder annähernd 25% pro Jahr erbracht. Auch der enorme wirtschaftliche Fortschritt in den goldenen 20ern konnte derartige Kursgewinne nicht rechtfertigen.
In den 90er Jahren zeigte der amerikanische Aktienmarkt ein vergleichbares Bild. Von 1991 bis 1994 wuchs der S&P100 stetig und nahezu linear an, bis dahin durchaus im Einklang mit den makroökonomischen Einkommensgrößen. Die Hausse gewann ab 1995 richtig an Fahrt. Die Krisen in den Emerging Markets im Spätsommer 1997 und das Debakel um den Hedge-Fonds LTCM im Herbst 1998 erwiesen sich nur als kurzfristige Zäsuren.
Die Spekulation wurde insbesondere an der technologielastigen Börse NASDAQ noch einmal kräftig angeheizt. Der die 100 größten Technologieaktien umfassende Aktienindex Nasdaq100 konnte von Oktober 1998 bis Ende März 2000 noch einmal um 230% zulegen. Gegenüber dem in (1) abgebildeten S&P100, der von Januar 1991 bis März 2000 Kursgewinne von über 400% zu verzeichnen hatte, stieg der Nasdaq-Index in derselben Zeit sogar um unglaubliche 1.960%. Damit stellt die gegenwärtige Bewegung die spekulativen Exzesse der 20er Jahre deutlich in den Schatten.
"Es wird ein Crash kommen - und er könnte schrecklich sein", warnte der umstrittene Ökonom Roger Babson vor der jährlichen nationalen Wirtschaftskonferenz am 5. September 1929. Die Warnung erfolgte damit nur zwei Tage nach Erreichen des Börsenhochs einer bis dahin beispiellosen Rekordhausse, die den Investoren seit dem August 1921 Zuwächse von annähernd 500% beschert hatte. Dagegen waren die Mehrzahl der Bankiers und die große Schar ihrer hoffnungsfrohen Klientel fest davon überzeugt, dass die amerikanische Wirtschaft sich auf dem rechten Weg befände, und dass Wall Street nur das klare Spiegelbild des ungeheuren Fortschritts und des wachsenden Wohlstandes sei. Wenige Tage vor der großen Börsenkatastrophe, am 15. Oktober 1929, sprach der hoch angesehene Börsenoptimist Irving Fischer, Professor an der Yale-Universität, die unsterbliche Feststellung aus: "Die Aktienkurse haben offenbar ein dauerhaft hohes neues Niveau erreicht." Und: "Ich erwarte, dass die Kurse in wenigen Monaten ein gutes Stück höher als heute stehen werden."
Nach der markanten Aufwärtsbewegung des amerikanischen Aktienmarktes in den vergangenen zehn Jahren schallen dem Börsenpublikum heute ähnlich kontroverse Stimmen entgegen. Die eine Seite sieht die gegenwärtige Aktienhausse auf Grund der "digitalen Revolution" ökonomisch gut fundiert und erwartet für die nächsten Jahre erneut eine Fortsetzung des bisherigen Kursaufschwungs. Auf der anderen Seite wird vor einer spekulativen Kursblase gewarnt, die insbesondere die Aktien aus den Bereichen Telekommunikation, Medien, Internet und Biotechnologie erfasst hätte. Sind diese Warnungen berechtigt? Kann sich das Börsendesaster von 1929 wiederholen?
Gibt es Parallelen zwischen heute und damals?
Die Vision einer neuen Ära Jede lang währende Hausse scheint als Fundament ein populäres Leitthema zu benötigen, das die Fantasie der breiten Maße der Kapitalanleger für eine lange Zeit anzuregen vermag. Der Auslöser des Börsenrauschs der goldenen 20er Jahre waren die fantastischen technischen Errungenschaften wie Radio, Elektrizität und Auto sowie die organisatorischen Neuerungen, die durch Frederick Taylor inspiriert wurden. Die Fließbandproduktion in der Automobilindustrie und der spektakuläre Transatlantikflug von Charles Lindberg im Jahre 1927 ließen die alte Eisenbahnindustrie erblassen und rückten den Traum grenzenloser individueller Mobilität für viele Bürger in greifbare Nähe. Das Radio und der Übergang vom Stummfilm zum vertonten Filmstreifen eröffneten nicht nur Hollywood ungeahnte Möglichkeiten.
Dieser ungeheure Fortschritt faszinierte damals Unternehmer, Verbraucher, Politiker und Anleger gleichermaßen. Mit ihm verbunden waren erhebliche Produktivitätssteigerungen, eine ganz entscheidende Triebfeder der amerikanischen Prosperity. Die Arbeitsproduktivität erhöhte sich in nur zehn Jahren um erstaunliche 43%. Damit einher gingen hohe Wachstumsraten bei Preisstabilität und niedrige Arbeitslosenquoten. Von 1922 bis 1929 betrug das durchschnittliche reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 4,2%.
Goldene Zeiten brachen aber vor allem für die Unternehmer an. Unter dem republikanischen Präsident Calvin Coolidge (1923 bis 1929) wurde eine wirtschaftsliberale Politik betrieben und der Grenzsteuersatz von 73% auf 25% ermäßigt. Die Unternehmensgewinne erhöhten sich von 1923 bis 1929 um über 60%, weil insbesondere die Löhne nur ein Viertel so stark stiegen wie die Produktivität. Die tradierten volkswirtschaftlichen Zusammenhänge schienen den damaligen Zeitgenossen überholt. Amerika war nicht nur nach Ansicht von John Moody, dem Gründer der gleichnamigen Rating-Agentur, in eine "neue Ära" eingetreten.
Siebzig Jahre später scheint sich die Geschichte in neuem Gewande zu wiederholen. Diesmal ist es das rasante Wachstum des Internets, das die Fantasie der Anleger blühen lässt.
Die Vernetzung der privaten Haushalte und der Unternehmen hat die Informations- und Datenflüsse weltweit revolutioniert. Die Verbreitung des Internets könnte sich als die Basisinnovation erweisen, die eine neue, lange Wachstumsphase einläutet hat.
Wie in den 20er Jahren Radio und Film erschließt das Internet für Produzenten und Verbraucher neue Welten. Informationen können mit dem neuen Medium in Sekundenschnelle weltweit recherchiert, verarbeitet und elektronisch versendet werden. Der Vertrieb homogener Produkte der Finanzbranche (z. B. Kredite, Aktien, Versicherungen) oder der Konsumbranche (Reisen, Bücher, Musik) kann heute zunehmend über das Netz abgewickelt werden. Die größten Produktivitätsgewinne verspricht das Internet aber in der Kommunikation zwischen den einzelnen Unternehmen (Business to Business). So kann beispielsweise der Einkauf großer Unternehmen über elektronische Marktplätze erfolgen, so dass die Transaktionskosten wesentlich gesenkt werden.
Die deutlichen Produktivitätssteigerungen ließen das Bruttosozialprodukt in Amerika von 1991 bis 1999 real um durchschnittlich 3,6% pro Jahr wachsen. In den letzten drei Jahren lag das Wachstum des realen BSP sogar über der 4-Prozent-Marke. Über eine noch dynamischere Entwicklung durften sich Unternehmer und deren Kapitalgeber freuen. Die Unternehmensgewinne legten von 1991 bis 1999 mit durchschnittlich 9,4% deutlich schneller zu als die durchschnittlichen Löhne (3,2%). Die Tatsache, dass diese beachtlichen Zuwächse ohne nennenswerte Inflation erzielt werden konnten, haben wie in den 20er Jahren der These Vorschub geleistet, die USA seien nunmehr in eine »neue Ära« eingetreten, in der hohes Wirtschaftswachstum mit niedrigen Zinsen und niedriger Inflation spannungsfrei einhergehe.
Mit dem tiefen Glauben an eine derartige Goldilock Economy werden Einwände und die historischen Erfahrungen leicht beiseite geschoben oder verdrängt. Den kommerziellen Anwendungen des Internet sind in vielen Bereichen noch enge Grenzen gesetzt. Aktuelle Mängel, wie das Fehlen elektronischer Zahlungsmittel (Cyber Cash) und eines Rechtsrahmen für Netzgeschäfte, unzureichende Sicherheitsstandards oder Infrastrukturlücken des Netzes könnten durch technische Neuerungen in den nächsten Jahren wohl noch behoben werden.
Dennoch könnten sich viele Internet-Fantasien der Börsianer als Luftschlösser erweisen. In dem Bereich der physischen Freizeitgestaltung (Sport, Wellness) sind dem weltweiten Netz ebenso Grenzen gesetzt wie beim Vertrieb von beratungsintensiven oder inhomogenen Produkten. Noch schwerwiegender dürften sich allerdings die Kräfte des Wettbewerbs erweisen. In den E-Commerce-Bereich neu eintretende Firmen werden von den euphorischen Börsianern bisher noch mit reichlich Eigenkapital versorgt, womit die Grundlage für mehr Wettbewerb in der Zukunft geschaffen wird. Hinzu kommen noch die etablierten Handelskonzerne, die dank ihrer Größe massive Investitionen in diesen Bereichen tätigen können und über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen.
Ob die Internet-Pioniere in einem zunehmend wettbewerbsgeprägten Umfeld die hochgeschraubten Gewinnerwartungen, die in den fantastischen Börsenbewertungen reflektiert werden, jemals werden erfüllen können, scheint zumindest für die Mehrzahl der Anbieter fraglich. Der verlustreichen Investitionsphase könnten statt der erhofften Monopolgewinne eine Phase des ruinösen Wettbewerbs folgen.
Kursrekorde auf dünnem ökonomischen Fundament
Mitte der 20er Jahre mochte noch niemand etwas von der anschließenden Kursexplosion geahnt haben. Von 1921 bis 1924 hatten die Börsianer mit einer Rendite von durchschnittlich 12 % durchaus keine schlechten, aber eben auch keine außergewöhnlichen Jahre hinter sich. Die Kursgewinne waren zudem durch verbesserte Ertragsaussichten im Unternehmenssektor gut fundiert.
Die Übertreibungsphase begann im Jahr 1926. Immer steiler ging es nun aufwärts, Verschnaufpausen fielen immer spärlicher aus. Allein in den letzten zwölf Monaten der damaligen Hausse zogen die Kurse um knapp 60% an. Am Ende hatte die Gesamtbewegung von August 1921 bis September 1929 eine Rendite von rund 500% oder annähernd 25% pro Jahr erbracht. Auch der enorme wirtschaftliche Fortschritt in den goldenen 20ern konnte derartige Kursgewinne nicht rechtfertigen.
In den 90er Jahren zeigte der amerikanische Aktienmarkt ein vergleichbares Bild. Von 1991 bis 1994 wuchs der S&P100 stetig und nahezu linear an, bis dahin durchaus im Einklang mit den makroökonomischen Einkommensgrößen. Die Hausse gewann ab 1995 richtig an Fahrt. Die Krisen in den Emerging Markets im Spätsommer 1997 und das Debakel um den Hedge-Fonds LTCM im Herbst 1998 erwiesen sich nur als kurzfristige Zäsuren.
Die Spekulation wurde insbesondere an der technologielastigen Börse NASDAQ noch einmal kräftig angeheizt. Der die 100 größten Technologieaktien umfassende Aktienindex Nasdaq100 konnte von Oktober 1998 bis Ende März 2000 noch einmal um 230% zulegen. Gegenüber dem in (1) abgebildeten S&P100, der von Januar 1991 bis März 2000 Kursgewinne von über 400% zu verzeichnen hatte, stieg der Nasdaq-Index in derselben Zeit sogar um unglaubliche 1.960%. Damit stellt die gegenwärtige Bewegung die spekulativen Exzesse der 20er Jahre deutlich in den Schatten.