2010 - Im Auge des Hurrikans
08.01.2010 | Mack & Weise
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Welche absurd bedeutende Rolle den drei großen Rating-Agenturen im Weltfinanzsystem immer noch zugebilligt wird, zeigen die Marktturbulenzen, die kürzlich durch die von "A-" auf "BBB+" erfolgte Bonitätsherabstufung griechischer Staatsanleihen seitens Fitch im Euroraum auftraten. So wird die Herabstufung für Griechenland und die Liquiditätsversorgung griechischer Banken vor allem deshalb ein Problem, weil die Europäische Zentralbank selbst (!) die Akzeptanz von Staatsanleihen als Sicherheit gegen die Ausgabe von Geld vom "ABC"-Orakel dieser Rating-Agenturen abhängig macht und damit freiwillig nichts weniger als die Kontrolle über ... die eigene Währung abgibt! "Man muss sich von dem Gedanken frei machen, dass unsere wirtschaftlichen Probleme mit Theorien, Regeln und Formeln angefasst werden können."
(Hjalmar Schacht, deutscher Bankier, 1877-1970)
(Hjalmar Schacht, deutscher Bankier, 1877-1970)
Während das Bankgeschäft einige hundert Jahre lang "auf dem Vertrauen in die Redlichkeit und in die Zahlungsfähigkeit des Geschäftspartners beruhte", so Hjalmar Schacht, und "der Bankier sich eine genaue Kenntnis des Charakters, des Vermögens und der Tüchtigkeit seines Kunden beschaffen musste", hat sich dieses mit der verpflichtenden Verwendung von mathematischen Risikomodellen im Zuge der Einführung der Basel-I-Eigenkapitalvorschriften 1988 komplett geändert.
Nach Aussage der Deutschen Bundesbank war es dabei ein "wesentliches Ziel, die Kapitalanforderungen an Banken stärker als bisher vom eingegangenen Risiko abhängig zu machen." Doch mithilfe der dafür entwickelten mathematischen Modelle wurden diese Risiken von den Banken so kleingerechnet (oder in Zweckgesellschaften ausgelagert), dass sie darüber jene gigantischen Kredithebel aufbauten, mit denen sie sich schließlich selbst und das Finanzsystem in den Ruin treiben konnten, denn ... die wirkliche Welt weigerte sich einfach, diesen Modellen zu folgen.
Denn, nachdem z.B. die Immobilienpreise in sämtlichen Regionen der USA über mehrere Jahre (1997-2006: +83%) nur stiegen, kamen die Risikomodelle selbst noch 2006 - auf dem Höhepunkt der Immobilienspekulation! - zu dem unglaublich sinnvollen Ergebnis, dass es mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit keine Risiken mehr gibt, weil es in der Vergangenheit keine Risiken gab. "Mathematik ist", nach Albert Einstein, eben "die perfekte Methode, sich selbst an der Nase herum zu führen."
Auch Bundesbank-Chef Prof. Dr. A. Weber scheint inzwischen erkannt zu haben, dass über eine ausgeweitete Regulierung keine Besserung im System erzielt werden kann. "Man darf nicht erwarten, dass Regulierer weitsichtiger sind als das Risikomanagement der Banken, dafür werden sie nicht bezahlt!" Aber obwohl es Regulierern offensichtlich an der nötigen Weitsichtigkeit fehlen muss, verordnen sie unverändert die Anwendung dieser unbrauchbaren "Try & Try" Risikomodelle.
Und, obwohl nach Worten von Prof. Dr. A. Weber "Transparenz eine entscheidende Voraussetzung für Finanzstabilität" (12.10.2007) ist, hat sich seine damals zugleich geäußerte Idee, die Banken nach der Krise nur ja nicht mit "Transparenzübungen zu überfordern" durchgesetzt.
So wurde die Bilanzierung zu Marktpreisen (fair value) für Banken als Vertrauen entziehender und verlustverstärkender Effekt auserkoren und ... mit einem Federstrich abgeschafft! Denn ohne diesen Schritt hätten die Banken ja sofort erklären müssen, weshalb und in welcher Höhe sie die Spareinlagen der Kunden an den Finanzmärkten verspekuliert haben, statt ausschließlich ihrer Aufgabe nachzukommen, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben! Doch zugunsten einer (Schein)Solvenz, wieder sprudelnder (Schein)Gewinne und sofort fälliger (realer) Boni wurde dem Finanzsektor als erste Regulierungsmaßnahme nun ... die Bilanzfälschung gesetzlich verordnet.
"Ganz großes Kino" als Lehre aus der Krise bietet auch der für Bankenbilanzierung zuständige Baseler Ausschuss, dem Notenbanker und Finanzaufseher aus 27 Industrie- und Schwellenländern angehören. Dieser drohte dem Finanzsektor mit deutlich schärferen Eigenkapitalvorschriften und lässt die Banken jetzt ... Loblieder anstimmen. Für frühestens 2012 kündigten die selbst ernannten Lobbyisten nun Maßnahmen inkl. Übergangsfristen an, die allerdings "eine gesicherte Erholung der Weltwirtschaft" (?!) als erfüllte Bedingung voraussetzen. Würde die im Mai 2009 verabschiedete europäische Kapitaladäquanzrichtlinie die Grundlage für die möglichen Fristen bilden, könnten die Banken zehn Jahre (!) lang ... weiter machen wie bisher, um sich dann bis 2040 (!) mit den neuen Regeln - gewohnt kreativ - anzufreunden.
Aber vielleicht besteht ja doch noch ein Funken Hoffnung in eine erfolgreiche Regulierung. "Mit der neuen Fassung der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten) trägt die BaFin den Erkenntnissen aus der Finanzmarktkrise Rechnung" (BaFin, 14.08.09) und verordnete mit Frist zum 31.12.2009 allen deutschen Finanzinstituten "die von Ihnen betriebenen Geschäftsaktivitäten zukünftig zu verstehen." (Teil AT 8). Für die großen deutschen Landesbanken ohne tragfähiges Geschäftsmodell, die jetzt sogar verstehen müssen, dass sie als systemrelevant auserkorene Spielhöllen deutscher Provinzpolitiker mit Steuergeldmilliarden spekulieren, bedeutet das natürlich die Höchststrafe.