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Finanzmärkte reagieren unterkühlt auf das Brüsseler Ergebnis

01.02.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.3050, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im US-Handel bei 1.3043 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.25. In der Folge notiert EUR-JPY bei 99.50, während EUR-CHF bei 1.2045 oszilliert.

Die Finanzmärkte zeigen sich gegenüber der Eurozone weiter skeptisch. Die Reaktion auf die Beschlüsse darf als unterkühlt bezeichnet werden. Die Marktpsychologie ist eindeutig weiter negativ gegen die Eurozone ausgerichtet. Die Positionierung am Devisenmarkt gegen den Euro muss als extrem ausgeprägt bezeichnet werden. Anders ausgedrückt sind unsere „Freunde“ sehr zuversichtlich, dass die Eurozone scheitert. Wir nehmen die Positionierung als auch die Sichtweise zur Kenntnis. Fakt ist, dass die Eurozone etwas ändert. Alle Änderungen gehen in Richtung Reform und Nachhaltigkeit, ob Abschirmung oder Stabilitätsunion. Der Unterschied zu den Gewinnern am Devisenmarkt, USA und Japan, könnte nicht deutlicher sein.


Exkurs zur aktuellen fiskalischen Lage in den USA per 30. Januar 2012:

• Die USA steuern im vierten Jahr in Folge auf ein Haushaltsdefizit von mehr als einer Billion Dollar zu. Der überparteiliche Rechnungshof des Kongresses (CBO) hob die Prognose für 2012 am Dienstag von 973 Milliarden auf 1,079 Billionen Dollar an. Eine als wahrscheinlich geltende Verlängerung des Einkommensteuerrabatts bis zum Jahresende würde den Fehlbetrag um weitere 100 Milliarden Dollar erhöhen. Die Steuer- und Haushaltspolitik gilt als eines der wichtigsten Themen vor der Präsidentenwahl im November. Die Republikaner wollen vor allem über eine Verschlankung des Staates und Ausgabenkürzungen das Defizit reduzieren. Präsident Obama, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt, will dagegen Steuerschlupflöcher schließen und die Abgaben für Besserverdienende erhöhen.

• Nach knapp vier Monaten des neuen Fiskaljahres (Beginn 01.10.2011) stellt sich das verfassungskonforme Defizit bereits auf 504,7 Mrd. USD!

Zwischen Realität und Positionierung des Marktes wird der Graben zunehmend breiter. Eine
Auflösung dieses Widerspruchs ist mittelfristig unumgänglich.

Dabei gibt es durchaus weiterhin positive Meldungen bezüglich der Eurozone. Die Ratingagentur Fitch lobte die Reformpolitik der französischen Regierung ausdrücklich. Schade, dass man die USA und Japan nicht loben kann. Herr Böhmler von der Bundesbank sagte gegenüber der Welt, dass die irischen Reformen gut voran gingen. Er sieht Fortschritt in Portugal. Er warnte, wie wir in unseren Reports, vor einem unkontrollierten Staatsbankrott Griechenlands und vor allen Dingen den daraus resultierenden Folgen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass der Euro die Krise überstehen wird. Das sind wir auch.


Werfen wir einen kurzen Blick auf Griechenland. Der IWF meldet sich zu Wort.

• Thomsen (IWF) - Werden Troika-Gespräche in Griechenland in wenigen Tagen abgeschlossen haben
• Thomsen (IWF) - Alle Parteien in Griechenland müssen zusichern, dass sie nach der Wahl Reformkurs fortzsetzen werden
• Thomsen (IWF) - Griechenland muss Reduzierung des Defizits verlangsamen und stattdessen stärker auf Strukturreformen setzen
• Thomsen (IWF) - Griechenland sollte vielleicht Mindestlohn senken und Urlaubszuschläge im Privatsektor reduzieren

Aus den Meldungen wird deutlich, dass der Umgang mit Griechenland flexibler wird. Es geht um intelligente Lösungen und nicht mehr um das „an die Wand drücken“ der letzten 24 Monate. Die Qualität dieser Neuausrichtung eröffnet der Konjunktur in Griechenland voraussichtlich mittelfristig etwas mehr Luft, was dann auch Traktion der bisher umgesetzten Reformen (circa 80% des Gesamtvolumens) fiskalisch mit sich bringen sollte. Auch diese Wendung verkennt der Finanzmarkt derzeit in der Positionierung.

Kommen wir zu den Konjunkturdaten, die in den letzten 24 Stunden veröffentlicht wurden:

Der chinesische Einkaufsmanagerindex legte unerwartet per Januar von zuvor 50,3 auf 50,5 Punkte zu. Analysten hatten einen Rückgang auf 49,5 Punkte erwartet. Wir sind erfreut über diese Wendung. Sie passt in das Bild, das sich global ergibt. Die unterliegenden Konjunkturkräfte sind offensichtlich besser ausgeprägt, als es die Zunft der Analysten und Volkswirte für China unterstellt.

Der deutsche Arbeitsmarktbericht war der nächste positive Lichtblick. Die saisonal bereinigte Arbeitslosenquote sank per Januar von zuvor 6,8% auf 6,7%. Per Januar waren 34.000 weniger Menschen in der saisonal bereinigten Fassung erwerbslos. Der nachfolgende Chart, der die letzten 12 Monate abbildet, unterstreicht die profunde Verfassung des deutschen Arbeitsmarkt. Nur per Oktober 2011 gab es eine Zunahme der Arbeitslosenzahl. Per Januar ergab sich ein Rückgang der Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vorjahr um -8,4% nach zuvor -7,7%.

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Was für Deutschland gilt, gilt nicht für die Eurozone. Unangemessene Spekulation gegen Reformländer mit der Folge mangelnder Kapitalzuflüsse und zu geringer Investitionen erschwert den Gesundungsprozess und führt schlussendlich auch zu der kritischen Arbeitsmarktsituation. Die Quote stellte sich per Dezember auf 10,4% nach zuvor 10,4%.

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Die Daten aus den USA ernüchterten: Der Einkaufsmanagerindex aus Chicago sank unerwartet von zuvor 62,2 auf 60,2 Punkte. Analysten erwarteten einen Anstieg auf 63,0 Zähler. Bei dieser Verfehlung gilt es zu bedenken, dass Indexstände jenseits der 60 Punktemarke nicht wirklich dramatisch sind.

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Das für seine Volatilität bekannte Verbrauchervertrauen nach Lesart des „Conference Board“ wurde dem Ruf gerecht. Per Januar kam es unerwartet zu einem Rückgang von zuvor 64,8 auf 61,1 Punkte. Analysten hatten eine Zunahme auf 68,0 Zähler erwartet. Der Überblick über die Gesamtheit dieser Indikatoren (Uni Michigan, Bloomberg) impliziert, dass dieser Wert das „Streichergebnis“ von morgen sein wird.



Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.2600 - 1.2630 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!

© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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