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Griechenland auf der "EU-Strafbank" - EZB-Ratssitzung im Fokus

04.02.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute morgen (07.40 Uhr) bei 1.3875, nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3868 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 91.00 In der Folge notiert EUR-JPY bei 126.25 während EUR-CHF bei 1.4710 oszilliert.

Gestern gab es Klartext von der EU-Kommission für unsere Freunde aus der Levante in Griechenland, dem Land der Mathematik, dem Herkunftsland des Platon, Pythagoras, des Thales, des Archimedes und des Euklid.

Offensichtlich wurde dieses „urgriechische“ Wissen, das die Welt seit der Antike beglückte und noch mehr die Umsetzung in sinnvolle und realitätsnahe Statistik sträflich ignoriert.
  • Die EU-Kommission unterstützt das griechische Sparprogramm
  • Griechenland hat bis Ende 2012 Zeit, das Haushaltsdefizit auf unter 3% zu reduzieren.
  • Griechenland muß den ersten Bericht über erfolgte Maßnahmen und Erfolge bis MitteMärz 2010 vorlegen. Latente kurzfristige Kontrollen stehen auf der Agenda.
  • Von Griechenland werden weitere Konsolidierungsschritte erwartet.
  • Personalkosten sind im öffentlichen Dienst zu senken.
  • Griechenland muß eine Sicherheitsreserve von 10% der aktuellen Ausgaben bilden und
  • Griechenland muß sich wegen fehlerhafter Statistiken vor Gericht verantworten.

Dieser Maßnahmenkatalog ist in dieser Form für die EU-Kommission einmalig. Das ist kein "Mundspitzen" nach alter Brüsseler Art. Nein, hier handelt es sich um ein vernehmbares "Pfeifen", das einer partiellen Machtübernahme durch die EU-Kommission nahekommt, aber mindestens die kürzeste Leine darstellt, die es in der EU je gab. Das ist beeindruckend!

Bildlich gesprochen sitzt Griechenland auf der "EU-Strafbank" Griechenland hat mit seiner Pinocchio-Politik lange daran gearbeitet, als erstes Land diesen "Posten" einzunehmen. "Mission accomplished" - Handeln führt zu Konsequenzen! "Chapeau!"

Das Thema Defizitsituation in Griechenland ist im Gegensatz zu den USA adressiert. Fortschritte stehen in Griechenland bezüglich fiskalischer Gesundung zukünftig ohne "wenn und aber" auf der Agenda. Die EU sendet damit auch Signale an Portugal, Irland, Spanien und Italien!

Wir sind gespannt, wie lange unsere Freunde in London und New York (partiell auch in Frankfurt) brauchen, diesen Maßnahmenkatalog sachlich einzuwerten und ihre Emotionalität gegen den Euro in den Griff zu bekommen.

Im Vorwege des G-7 Finanzministertreffens am Wochenende in Kanada verlautet aus der USTreasury, daß US-Finanzminister Geithner auf der Veranstaltung verdeutlichen will, daß die USA ernsthaft bemüht sind, die öffentlichen US-Haushalte auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Wenn Defizite von mehr als 10% oder um 10% des BIP eine ernsthafte Bemühung darstellen, interessieren wir uns für eine Einwertung, was nicht ernsthafte Bemühungen für Defizitgrenzen mit sich bringen würden? Schwarz ist weiß und weiß ist schwarz und rund ist natürlich eckig. Es fehlen bisweilen angemessene Worte, um derartige "antiautoritäre" Sichtweisen sachgerecht zu begleiten!.

Eine zu schnelle Rückführung der Stimuli würde laut Geithner die einsetzende Erholung gefährden. Genau diese Einlassung belegt, die vergleichsweise konjunkturelle Schwäche im Verhältnis zum Rest der Welt.

Man werde die griechische Schuldensituation beobachten und die Frage der Bewertung des Yuan diskutieren. Ja, die Ablenkung von den eigenen strukturellen Problem ist erste Medienpflicht. Mehr bleibt hier nicht zu sagen!

Der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor der Eurozone sank per Januar weniger stark als erwartet von zuvor 53,6 auf 52,5 Punkte. Die Konsensusprognose war bei 52,3 Zählern angesiedelt. Damit bleibt es bei fortgesetzter Expansion in diesem Sektor bei leicht verringerter Aufwärtsdynamik.

Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone waren per Dezember im Monatsvergleich unverändert. Analysten hatten eine Zunahme um 0,4% unterstellt. Der Vormonatswert wurde jedoch nachhaltig von -1,2% auf -0,5% revidiert, so daß das aggregierte Zweimonatsergebnis um 0,3% besser als prognostiziert ausfiel. Das machte sich im Jahresvergleich bemerkbar. Die bei -2,5% liegende Konsensusprognose war deutlich zu negativ. Tatsächlich lag der Rückgang "nur" bei -1,6%. Der Vormonatswert wurde von -4,0% auf -2,0% angepaßt.

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Mithin lieferten die Daten der Eurozone leichte positive Überraschungen, die sich nahtlos in das Bild der konjunkturellen Erholung auf vielen Zylindern einfügen.

Der US-Challenger-Report, der Aufschluß über angekündigte Massenentlassungen gibt, lieferte per Januar ein zweischneidiges Ergebnis. Die Anzahl der durch Massenentlassungen betroffenen Jobs lag bei 71.482.
  • Positiv ist anzumerken, daß dieses Ergebnis um 70,4% niedriger als im Vorjahr ausfiel.
  • Negativ ist anzumerken, daß sich gegenüber dem Vormonat ein Anstieg um 58,5% ergab
  • und damit das höchste Niveau seit August 2009 markiert wurde.

Gleichwohl wäre es nicht zulässig, den aktuellen Wert als Trendindikator zu werten. Das bedürfte erst weiterer Bestätigungen in den kommenden Monaten. Der Januar ist in dieser saisonal nicht bereinigten Datenreihe ohnehin von hoher Volatilität geprägt.

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Der "ADP Employment Report" impliziert per Januar Jobverluste in der Privatwirtschaft in der Größenordnung von -22.000. Die Prognose lag bei -30.000. Der Vormonatswert wurde von -84.000 auf -61.000 revidiert.

Die negative Dynamik geht am US-Arbeitsmarkt weiter zurück. Das ist eine aus dem beiliegenden Chart deutlich erkennbare Entwicklung. Eine positive dynamische Entwicklung ist am USArbeitsmarkt (Aufbau der Beschäftigung) aber fraglos zur Zeit noch nicht erkennbar.

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Der ISM-Dienstleistungsindex verfehlte per Januar mit 50,5 nach zuvor 49,8 die bei 51,0 Punkten angesiedelte Konsensusprognose. Immerhin impliziert dieser Index damit leichte Expansion im Dienstleistungssektor.

Die Subindices lieferten ein gemischtes Bild, das aber nicht im Widerspruch zum "Headline-Index" steht. Der Geschäftsaktivitätsindex sank von 53,2 auf 52,2 Punkte. Der Auftragsindex verbesserte sich von 52,0 auf 54,7 Zähler. Der Beschäftigungsindex legte leicht von 43,6 auf 44,6 Punkte zu.

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Die Divergenz, die im nachfolgenden Chart zwischen dem ISM-Index (Produktion, verarbeitendes Gewerbe) und dem ISM-Dienstleistungsindex klar erkennbar ist, verdeutlicht unsere These, daß die US-Wirtschaft nicht auf allen Zylindern läuft.

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Der gestrige Datenkranz aus den USA offeriert ein Bild, das deutlich macht, daß die USA im internationalen Konjunkturzug Plätze im letzten Drittel belegen.

Die EZB-Ratssitzung steht heute im Mittelpunkt des Interesses. Leitzinsänderungen sind nicht auf der Agenda. Es bleibt bei dem Reposatz von 1%.

Meine kritische Haltung setze ich bezüglich der Zinspolitik der EZB als bekannt voraus. Im Jahresausblick 2010 favorisierte ich den ersten Schritt per März 2010 (aktuell angepaßt auf April) und zum Jahresende eine Reposatz bei 2,00% (Allzeittief vor Lehman).

Der Markt wird sich wie in den letzten Monaten gewohnt auf die Verbalakrobatik der EZB kaprizieren.
  • Gibt es neue Zungenschläge bei der Bewertung der Konjunktur?
  • Werden Inflationsrisiken anders bewertet als jüngst noch?

Diese Fragen sind berechtigt. Zinspolitische Maßnahmen wirken sich erst nach 12 Monaten vollständig aus. Deswegen soll eine Zentralbank antizipierend Zins- und Geldpolitik betreiben. "Nacherzählungen" kann jeder …

Hatte die EZB eigentlich vor 12 Monaten die seit circa 7-9 Monaten andauernde Erholung richtig erkannt? ..... Nein, nicht die Spur!

War es nicht die EZB, die kurz vor dem ökonomischen Zusammenbruch im Sommer 2008 die Zinsen noch zügig auf 4,25% anhob? ..... Ja, mit voller Inbrunst!

Nun gut, Prognosen sind auch nicht einfach …

Bezüglich der weiteren Daten, die heute zur Veröffentlichung anstehen, verweisen wir auf die unten angeführte Datenbox. Sowohl der Auftragseingang Deutschlands als auch der USA sind von hervorgehobenem Interesse.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD favorisiert. Ein Überwinden des Widerstands bei 1.4020 - 50 dreht den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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