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"Countdown“ in Griechenland - Fokus auf "High Noon“ (Andenken an Gary Cooper)

06.02.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.53 Uhr) bei 1.3065, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im frühen heutigen europäischen Handel bei 1.3056 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.70. In der Folge notiert EUR-JPY bei 100.20, während EUR-CHF bei 1.2058 oszilliert.

Das Thema Griechenrettung spitzt sich zu. EU-Gruppenchef Juncker schließt ein Scheitern Griechenlands nicht mehr aus. Der „Countdown“ läuft!

Die internationalen Kreditgeber haben Griechenland ein Ultimatum gestellt. Bis Montagmittag müssten die Koalitionsparteien mitteilen, ob sie die Sparauflagen im Gegenzug für weitere Finanzhilfen akzeptierten, sagte ein Sprecher der sozialistischen Pasok-Partei am Sonntag. Dann wäre es zeitlich noch möglich, dass die Euro-Arbeitsgruppe in Brüssel über die Absichtserklärung beraten könne. Obwohl sich die drei Parteien am Sonntag auf Kürzungen im Umfang von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einigten, steht ein Ja zu wichtigen Forderungen der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds noch aus. Dabei geht es unter anderem um den Mindestlohn und Hilfen für den angeschlagenen Bankensektor. In der Nacht sollten die Verhandlungen fortgesetzt werden.

Die Regierungsparteien Griechenlands fürchten sich vor den Reaktionen der Wähler als Folge weiterer Einsparungen. Für Dienstag planen Gewerkschaften bereits Streiks. Im April stehen die Parlamentswahlen an.

Die Politiker sollten vielmehr einen Bankrott des Landes fürchten. In der Tat sind die Forderungen der Troika erheblich und sehr schmerzhaft. Noch schmerzhafter wäre jedoch der Bankrott für die Griechen.

Somit stellt sich für griechische Politiker die Frage jetzt „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ zu begehen oder wie die griechischen Helden, Schmerz mannhaft zu ertragen. Man sollte sich ein Beispiel an Odysseus nehmen. Dann klappt das auch mit Griechenland.

Es langt definitiv nicht nur von griechischen Tugenden und Errungenschaften mit Pathos zu reden, sondern sie zu leben. Das ist den Griechen in den letzten Jahrhunderten zunehmend verloren gegangen. Das gilt insbesondere für die (vermeintlichen) Eliten, deren Reflexe als absolut unsolidarisch zu klassifizieren sind.

Der globale Finanzmarkt schaut auf Athen. Bis heute Mittag 12.00 muss sich die Politik auf die Forderungen der Troika einlassen oder das zweite Rettungspaket ist gescheitert. Dann wäre Griechenland im März nicht mehr in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Mithin ist der Vergleich mit dem Filmklassiker "High Noon“ (Gary Cooper) gerechtfertigt. Wir sind gespannt, ob jemand im Staub liegen wird oder eine sinnvolle Lösung erreicht wird.

Den Griechen sei ins Stammbuch geschrieben, dass die Großzügigkeit mit der Abschirmung einerseits und Schuldenerlass der "privaten Gläubiger“ andererseits eine massive Subvention darstellen, aus der sich auch eine Verpflichtung ergibt. Wer glaubt, in einer solchen Situation levantinische Politik betreiben zu können, und damit faktisch den Gebern auf der Nase herumtanzen will, der irrt gewaltig. Die Ansage der Troika ist hier eindeutig und das ist richtig so!

Die Einwände, dass die geforderten Maßnahmen zu hart sind, sind sicherlich in Teilen gerechtfertigt. Andererseits ist es erforderlich, das griechische Geschäftsmodell nachhaltig umzubauen.

Um Konkurrenzfähigkeit herzustellen, muss in der Eurozone, die nicht das schleichende Gift der Währungsabwertung offeriert, die Anpassung über sinkende Löhne erfolgen. Anders ausgedrückt war die Lohnentwicklung in den Jahren zuvor zu aggressiv und damit zu hedonistisch. Der Weg zurück schmerzt.

Der Vorteil den die Griechen gegenüber Ländern ohne Währungszone haben, liegt in der Abschirmung bei Niedrigzinsen (Schweden 1992, Abwertung bei gleichzeitigem Hochzinsniveau). Damit wird die notwendige Lohnanpassung alimentiert.

Heute gilt es, geduldig zu sein, und sich dem Primat der Politik zu unterwerfen und zu ertragen, was geliefert wird. Positiv ist anzumerken, dass ein Unfall Griechenlands in Form eines Staatsbankrotts heute besser zu verarbeiten wäre als vor sechs oder gar 12 Monaten. Der globale Finanzmarkt hat sich dieser Option angenähert und zu großen Teilen bereits diskontiert. Dennoch beinhaltet auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands erhebliche Risiken. Da stimme ich umfänglich Herrn Ackermann zu.

Die für die Eurozone Verantwortlichen wären gut beraten, wenn sie sich für diesen Fall Gedanken machten und Maßnahmen vorbereiteten, die eine Infektion Portugals & Co. im Keim verhindern helfen würden.

Werfen wir einen Blick auf die Konjunkturfront:

Die Eurodefizitkrise fordert ihren Tribut. Die Daten der Eurozone sind derzeit wenig erbaulich. Der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungsbereichs stellte sich per Januar auf 50,4 Punkte, knapp oberhalb der Marke von 50 Zählern, die zwischen Wachstum und Kontraktion unterscheidet. Analysten hatten 50,5 Punkte erwartet.

Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone per Dezember verfehlten die Erwartungen. Im Monatsvergleich kam es zu einem Rückgang um -0,4%. Die Prognose lag bei 0,3%. Die Revision des Vormonatswerts von -0,8% auf -0,4% nivellierte das negative Bild partiell bezüglich der Erwartungshaltung. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um -1,5% (Prognose -1,3%) nach zuvor -1,5% (revidiert von -2,5%).

Der Rest der Welt kann jedoch erheblich punkten. Das globale Konjunkturbild ist mehr als erfischend uns setzt positive Akzente:

Der globale Einkaufsmanagerindex, der von JP Morgan berechnet wird, legte für den Sektor Produktion per Januar von zuvor 52,7 auf 54,6 Punkte deutlich zu. Der globale Dienstleistungsindex verzeichnete einen Anstieg von 53,0 auf 55,4 Punkte. Die Daten aus den USA passen nahezu perfekt in dieses globale Konjunkturbild, das von positiven Überraschungswerten geprägt wird.

Per Berichtsmonat Januar sank die US-Arbeitslosenquote von zuvor 8,5% auf 8,3%. Die Beschäftigung außerhalb des Agrarsektors legte unerwartet stark um243.000 Jobs zu. die Prognose war bei 150.000 angesiedelt. Der Vormonateswert wurde von 200.000 auf 203.000 nach oben revidiert. Das Bild hellt sich am US-Arbeitsmarkt zunehmen auf! Nachfolgender Chart verdeutlicht diese positive Tendenz ausgehend vom August 2011 bei 85.000 neu geschaffenen Stellen.

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Der Auftragseingang der US-Industrie konnte per Dezember insgesamt überzeugen. Im Monatsvergleich kam es zu einem Anstieg um 1,1%. Erwartet war eine Zunahme um 1,5%. Gleichzeitig wurde der Vormonatswert von +1,8% auf +2,2% revidiert, so dass das aggregierte Ergebnis weitgehend den Erwartungen entsprach.

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Der ISM-Dienstleistungsindex per Januar setzte einen fulminanten positiven Akzent. Der Index legte unerwartet stark von zuvor 52,6 (revidiert von 53,0) auf 56,8 Punkte zu. Die Prognose lag bei lediglich 53,0 Zählern.

Mit diesem Anstieg markiert der ISM-Dienstleistungsindex den höchsten Stand seit März 2011. Seinerzeit lag der Index bei 57,3 Punkten. Auch die Subindices unterstützten diese positive Bild umfänglich. Der Index, der die Geschäftstätigkeit misst, stieg von 56,2 auf 59,5 Punkte an. Der Auftragsindex verbesserte sich deutlich von 53,2 auf 59,4 Punkte, während der Beschäftigungsindex von 49,4 massiv auf 57,4 Zähler zulegte.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.2900 - 1.2930 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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