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Griechenland im Fahrwasser von Sisyphos - EZB-Ratssitzung im Fokus

09.02.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.50 Uhr) bei 1.3300, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im asiatischen Handel bei 1.3216 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.20. In der Folge notiert EUR-JPY bei 102.65, während EUR-CHF bei 1.2105 oszilliert.

Wenn man sich den politischen Prozess in Athen näher betrachtet, werden Parallelen zu der griechischen Mythologie augenfällig. Die Aktivitäten der Herren Samarras & Co. erinnern an Sisyphos. Für Interessenten der gesamten Geschichte um Sisyphos verweisen wir auf den Link bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Sisyphos

Auf den Punkt gebracht geht es um das Finale dieser Geschichte, um die Sisyphosarbeit. Der gute Mann musste einen Felsbrocken den Berg heraufrollen, um kurz vor dem Ziel daran zu scheitern und neu zu beginnen.

Es gibt aber aktuell einen entscheidenden Unterschied zu der Sage des Sisyphos. Es tut sich was in Athen. (Reuters) Die Parteispitzen der griechischen Übergangsregierung haben den von EU und IWF geforderten neuen Sparmaßnahmen in der Nacht zu Donnerstag weitgehend zugestimmt. Keine Einigung gab es jedoch nach Angaben der Sozialisten bei der heftig umstrittenen Kürzung der Zusatzrenten. Ministerpräsident Lukas Papademos erklärte nach den rund siebenstündigen Gesprächen in Athen, ein Punkt sei noch ungeklärt. Darüber müsse mit den Parteien und der Troika von EU, EZB und IWF weiter beraten werden. Welche Frage das war, teilte Papademos nicht mit. Weitere Gespräche sollten geführt werden, damit eine endgültige Einigung noch vor dem für Donnerstag anberaumten Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe erreicht werden könne. Die überparteiliche Einigung auf zusätzliche Einschnitte ist eine Voraussetzung für weitere internationale Finanzhilfen für das von einer Staatspleite bedrohten Euro-Land. Der Sprecher der Sozialisten, Panos Beglitis, sagte, die Parteichefs hätten sich darauf verständigt, die Mindestlöhne um 22 Prozent zu kappen. Das Urlaubsgeld solle nicht gestrichen werden. Die Spitzen der drei Regierungsparteien würden ihre Beratungen am Donnerstag fortsetzen, sagte Beglitis. Die Zusatzrenten sollten nach den Forderungen von EU und IWF um bis zu 15 Prozent gekürzt werden.

Es ist verständlich, dass sich die politische Elite in Athen mit weiteren Maßnahmen schwer tut. Die bisher umgesetzten Reformen (circa 80% der Reformen sind umgesetzt) verlangen der Bevölkerung fraglos sehr viel ab. In der jetzigen Situation gibt es jedoch keine annehmbare Alternative zu dem von der Troika vorgezeichneten Weg. Die Alternative der Insolvenz oder eines Austritts würde noch mehr griechisches (und europäisches als auch potentiell weltweites) Drama heraufbeschwören als der harte Weg der Anpassung in Richtung Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit des griechischen Geschäftsmodells bei gleichzeitiger Solidarität in der Refinanzierung seitens der EU/Eurozone und Aufsetzung eines ökonomischen Aufbauprogramms bei gleichzeitigem privaten Schuldenschnitt der Finanzindustrie.

Das Entgegenkommen der Europäer gegenüber Griechenland ist historisch einmalig, die Härte der Anpassungen ist ebenso historisch einmalig. Es ist aber genau die Kur, die Griechenlands Geschäftsmodell Zukunftsfähigkeit ermöglicht. Diese Chance gilt es, nicht zu verpassen!

Heute steht die EZB-Ratssitzung im Fokus. Der Zinssatz wird unverändert bei 1,0% belassen werden. Das ist zumindest die Konsensusprognose.

Entscheidend ist einmal mehr die Pressekonferenz. In den Finanzmärkten kursieren Gerüchte, dass sich die EZB an dem Schuldenschnitt für Griechenland beteiligen würde. Dabei wäre der Schuldenschnitt der EZB nicht mit dem des privaten Finanzgewerbes vergleichbar. Faktisch geht es um den Ankaufkurs der Anleihen unterhalb des Nennwerts. Dieser Abschlag unterhalb des Nennwerts wird auf ein Wertvolumen von circa 10 Mrd. Euro taxiert, der zur Disposition stünde. Von der Pressekonferenz erhofft sich der Finanzmarkt Indikationen über eine derartige Politikausrichtung.

In der Abstraktion der derzeit diskutierten Maßnahmen wird erkennbar, dass das Unterstützungsprogramm für Griechenland deutlich überdimensioniert wird. Damit würde man die positive Lehre aus der globalen Intervention 2008/2009 ziehen.

Die Chance, das Thema Griechenland ultimativ zu lösen, würde hier wahrgenommen. Gleichzeitig entfiele der Infektionsherd Griechenland für die anderen Reformländer. Die Realwirtschaft würde zu wesentlichen Teilen von der Bürde des politischen Risikos ausgehend von der Eurozone befreit und meine Kollegen sähen sich gezwungen ihre Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft, Europa und Deutschland nach oben anzupassen. Mehr Wachstum hat positive fiskalische Folgen und würde helfen, die Defizitprobleme der westlichen Welt besser in den Griff zu bekommen. Fiskallagen folgen Konjunkturlagen.
"Food for thought!"


Werfen wir einen kurzen Blick auf den deutschen Außenhandel.

Der reüssierte 2011 mit einem neuen Exportrekord bei 1.060 Mrd. Euro. Im Vergleich zum Vorjahr kam es damit zu einem Anstieg um 11,4%. Das Wachstum der Exporte in die Schwellenländer war mit 13,6% am ausgeprägtesten, da auch dort der Wachstumspfad am stärksten ausfällt. Die Importe verzeichneten ebenfalls einen neuen Rekordwert in Höhe von 902 Mrd. Euro, was einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 13,2% entspricht.

Der nachfolgende Chart © Reuters bildet die Exporte ab. Deutlich wird das gegenüber der Boomphase 2007/2008 deutlich erhöhte Niveau.

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Im Monatsvergleich sanken sowohl Exporte als auch Importe. Wir interpretieren diese Entwicklung als Ausfluss der erhöhten politischen Risiken im 4. Quartal ausgehend von der Eurozone und nicht als Indiz für eine Sättigung in der globalen Zyklik. Die von einigen Kollegen geäußerten Thesen eines erhöhten Rezessionsrisikos, abgeleitet aus den Dezemberzahlen, sehen wir als mediale Irritation an. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.2900 - 1.2930 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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