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Griechenland: Kontrolle ist besser als Vertrauen - EZB in bekanntem Fahrwasser - BoE quantitativer …

10.02.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.53 Uhr) bei 1.3255, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.3235 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 77.65. In der Folge notiert EUR-JPY bei 102.95, während EUR-CHF bei 1.2100 oszilliert.

Das Thema Griechenland ermüdet. Ja, die politische „Elite“ Athens, die über Jahrzehnte bewiesen hatte, dass sie nicht kompetent war, hat nach epischer Diskussion levantinischer Art zwar zu spät, aber dennoch letztendlich rechtzeitig den Reformenanforderungen, die von der Troika stoisch gefordert wurden, entsprochen.

Wer jedoch glaubte, dass die europäische politische „Elite“ sich von dieser levantinischen Verbalakrobatik und Taktiererei beeindrucken ließ, irrte sich. Offensichtlich gibt es in Brüssel und den wesentlichen Hauptstädten der Eurozone Lernkurven.

Wer in dieser Art und Weise mit Brüssel in despektierlicher Manier spielt, dem werden die politischen Leviten gelesen. Dann heißt es vollkommen angemessen, dass Kontrolle vor Vertrauen geht.

Die Mittel für Griechenland werden erst dann fließen, wenn die Reformen parlamentarisch verabschiedet sind und sich die staatstragenden Parteien dem Reformprogramm umfänglich verpflichten. Darüber hinaus sind weitere Einsparungen in Höhe von 325 Mio. Euro im Haushalt erforderlich, die auch noch geliefert werden müssen.

Herr Juncker ist als EU-Gruppenchef zuversichtlich, dass bis Mitte nächster Woche die Anforderungen erfüllt werden. Die normative Kraft des Faktischen spricht in der Tat dafür. Jede andere politische Antwort Athens wäre „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“. Diese Disziplin ist schlicht weg und ergreifend nur für Nihilisten attraktiv. Lebensfrohe Levantiner sind grundsätzlich keine Nihilisten.

Wenden wir uns der EZB-Ratssitzung zu. Der EZB-Rat lässt den Leitzins den Erwartungen entsprechend bei 1,00%. Alle weiteren Äußerungen sind keine wirkliche Überraschung. Seine Einlassungen sind als Politik der ruhigen, aber fraglos bestimmten Hand zu interpretieren. Die EZB leistet für den Stabilisierungsprozess, was sie kann.

Wer erwartete, dass die EZB einen freiwilligen Beitrag für die Sanierung Griechenlands beiträgt, sah sich getäuscht. Draghi machte klar, dass ein freiwilliger Verlust nichts anderes darstellen würde als eine verdeckte Staatsfinanzierung. Dazu ist die EZB nicht ermächtigt. Draghi und der EZB-Rat liefern damit den Beleg, dass die EZB eben nicht die Fed ist ….

Werfen wir einen Blick auf einige Zitate Draghis, die wir ohne weitere Kommentierung lassen, da sie keiner weiteren Kommentierung bedürfen.

  • Offen gesagt, wir haben nicht über die Perspektiven oder eine aktuelle Zinserhöhung gesprochen."

  • "Die Inflation dürfte noch einige Monate über zwei Prozent liegen, bevor sie unter 2 Prozent sinken wird."
  • "Die Risiken für den mittelfristigen Ausblick für die Preisentwicklung bleibt weitgehend ausgeglichen."

  • "Wir gehen weiter davon aus, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in der Euro-Zone 2012 erholen wird - wenn auch nur sehr schrittweise.“

  • "Die sehr niedrigen kurzfristigen Zinsen und all jene Maßnahmen zum Funktionieren des Finanzsektors in der Euro-Zone stützen die Wirtschaft im Währungsgebiet."

  • "Fiskalpakt ist erster schüchterner Schritt zur Fiskalunion.“

Die Bank of England hat sich für eine Ausweitung der quantitativen Maßnahmen um 50 Mrd. Pfund durchgerungen. Damit wächst das Programm auf freundliche 325 Mrd. Pfund an. Das entspricht 387 Mrd. Euro.

Wenn man das Ankaufprogramm der EZB am Sekundärmarkt bei 220 Mrd. Euro zum Vergleich nimmt und berücksichtigt, dass der Währungsraum bezüglich der Bevölkerung circa sechsmal so groß ist, dann versteht man den Unterschied der Qualität der Zentralbankpolitiken zwischen EZB und BoE. Anders ausgedrückt ist die BoE sechsmal so quantitativ wie die EZB oder bietet nur 1/6 der Stabilitätspolitik der EZB.

Der angelsächsisch und amerikanisch geprägte Finanzmarkt feierte den Beschluss ab. So sind halt unsere "Freunde“ in London und New York. In den 90ern und Anfang des neuen Jahrtausends waren sie die Propheten der ultimativen freien Märkte, die uns in Kontinentaleuropa für staatlichen Dirigismus als ökonomische und finanzielle Hinterwäldler kasteiten. Jetzt sind sie die Gläubigen der Staatsintervention. So etwas wie Selbstreflexion kenn die Mädels und Jungs in den USA und im UK wohl nicht.

Die Mehrzahl unserer kontinentaleuropäischen Analysten und Volkswirte und insbesondere Finanzjournalisten (Wer feierte noch den Greenspan alles als "Maestro“ ab?) ertragen diese Lastwechsel aus London und NY ohne nachhaltige kritische Begleitung unserer "Freunde“. "Political Correctness“ und die Aufrechterhaltung der Netzwerke (sind meist auch nur Seilschaften) zur Pflege der eigenen Eitelkeit und Position sind durchaus üblich.

Wäre es nicht mal an der Zeit sich von diesen "Freunden“ intellektuell als auch faktisch durch klare Kritik und mit der Folge angemessener Politik abzusetzen, um der nachfolgenden Generation eine faire Chance einzuräumen?

Eine Ausrichtung der Bilanzierungsstandards in Richtung Langfristigkeit wäre der erste notwendige Schritt. Wirtschaft ist Marathon und nicht Sprint. Das HGB entsprach dem Anspruch des Marathons. Alles was aus London und NY diesbezüglich kommt, forciert den Sprint (u.a. Prozyklizität) und ist damit ursächlich für die globale Finanzkrise. "Food for thought!“

Die US-Arbeitslosenerstanträge sanken in der letzten Berichtswoche von zuvor 373.000 auf 358.000. Die freundliche Tendenz am US-Arbeitsmarkt hält damit an.

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Die Lagerbestände des Großhandels verzeichneten per Dezember einen Anstieg um 1,0% im Monatsvergleich. Der Absatz legte um 1,3% deutlich zu. das Niveau der Lagerbestände ist im Verhältnis zum Absatz als unprekär zu definieren.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.3000 - 1.3030 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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