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Griechische Schaukelpartie als Grundlage leicht erhöhter Risikoaversion

16.02.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.48 Uhr) bei 1.3015, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im asiatischen Handel bei 1.3009 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.45. In der Folge notiert EUR-JPY bei 102.10, während EUR-CHF bei 1.2070 oszilliert.

Es ist nach zwei Jahren ermüdend und auch frustrierend, tagtäglich über ein überschaubares Problem, das eben nicht ein Fass ohne Boden ("Sinn“ oder Unsinn) ist, da die Staatsverschuldung auf den Cent genau zu berechnen ist (nach privaten Schuldenschnitt 250 Mrd. Euro), im Forex Report zu schreiben.

Es ist bedauerlich, dass dieses überschaubare Problem eines Landes, dessen Ökonomie in etwa die Bedeutung der Wirtschaft Hessens hat, der Gradmesser für das Wohl und Wehe der Eurozone, der EU, des Weltfinanzsystems und der Weltwirtschaft als auch ultimativ der politischen Stabilität auf globaler Basis ist. Dass so etwas von den politischen Eliten zugelassen wurde, ist verstörend. Noch verstörender ist es jedoch, dass selbst in der Eurozone nicht die Erfolge gewürdigt werden. Gestern hatten wir hier die Gesundung der strukturellen Defizite thematisiert.

Es ist erstaunlich, dass sich meine Kollegen dieser Themen nicht im erforderlichen Maße annehmen. Ein Mangel an Ausbildung kann es meines Erachtens nicht sein! Wenn unsere "Eliten“ der Ökonomie und Politik, die die "Mediendickschiffe“ sind, diese wesentlichen Tatsachen nicht auf die Agenda nehmen, dann ist das ein Bärendienst für unsere Welt, aber mehr noch für die kommenden europäischen Generationen.

Ja, es gibt einmal mehr Dissens in der Griechenlandfrage, der sich auch gleich belastend auf die Finanzmärkte auswirkte. Finanzminister Schäuble will Kontrolle über die Prozesse in Griechenland und Sicherheit. Das ist fraglos sein Recht, denn die politischen "Eliten“ Griechenlands haben in der letzten Dekade bewiesen, dass sie viele Fähigkeiten vorweisen, nur nicht die Zuverlässigkeit, die im Europa des 21. Jahrhunderts erforderlich sind.

Die Frage an Berlin ist andererseits, ob es angemessen ist, die Öffentlichkeit mit diesen Themen zu intensiv zu beschäftigen oder hinter den Kulissen leise, aber stringent zu agieren. Die Lernkurve aus den letzten zwei Jahren erscheint unausgeprägt auszufallen.

Dennoch geht alles in die Richtung einer Fortsetzung der Finanzierung Griechenlands. Die Eurogruppe hat ein Ende der Hängepartie um das Kreditpaket zur Rettung Griechenlands für Anfang kommender Woche in Aussicht gestellt. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erklärte nach einer Telefonkonferenz der Finanzminister am Mittwoch, er sei zuversichtlich, dass die Gruppe bei ihrer nächsten Sitzung am Montag alle notwendigen Beschlüsse fassen könne.

Griechenland habe weitere dazu notwendige Voraussetzungen erfüllt, darunter einen Plan für Einsparungen von weiteren 325 Millionen Euro in diesem Jahr. In deutschen Regierungskreisen hieß es aber zurückhaltend, die nun vorgelegten Unterlagen müssten erst sorgfältig geprüft werden bis Montag. Die Entscheidung über das Rettungspaket sei offen, Na also, es geht doch. Der Finanzmarkt hat diese Einlassungen Junckers bisher nicht diskontiert. Gut, asymmetrische Wahrnehmung ist eine "Sportart“ am Finanzmarkt.

Ach, dann waren da ja noch Gerüchte über Herabstufungen der Bonitäten europäischer Banken durch Moody’s, die gestern für zusätzliche Nervosität sorgten. Angeblich wird es eine Herabstufung in Bausch und Bogen. Man könnte von einem Massenverfahren sprechen. Derartige Verfahren haben aus einer historischer Betrachtung heraus grundsätzlich einen faden Beigeschmack.

  • Wir konstatieren, dass die Kernkapitalquoten europäischer Banken als Prophylaxe erhöht wurden oder werden.

  • Wir konstatieren, dass die Wirtschaft besser als erwartet läuft und sich damit positive Implikationen für die Profitabilität der Banken unter grundsätzlichen Gesichtspunkten ergeben.

  • Wir konstatieren, dass die Risikoaufschläge der Defizitländer rückläufig waren und damit in vielen Bilanzen stille Reserven aufgebaut wurden.

Wenn in dieser Phase einer stabilisierten Situation jetzt flächendeckend Herabstufungen der europäischen Banken kämen, entspräche das genau den Erfahrungen seit August letzten Jahres, dass immer zu den Zeitpunkten der Entspannung der Eurodefizitkrise aus dem Sektor der amerikanisch und angelsächsisch geprägten Ratingagenturen Störfeuer kommen. Anders ausgedrückt, wäre dann das Maß sehr, sehr voll.

Wenden wir uns kurz den gestern veröffentlichten Wirtschaftsdaten zu. Nachdem die BIP-Daten Deutschlands und Frankreichs besser als erwartet ausfielen, enttäuschten dagegen die italienischen Werte. In der Summe führte das dazu, dass die erste Schätzung des BIP der Eurozone per 4: Quartal 2011 bei -0,3% im Quartalsvergleich und +0,7% im Jahresvergleich exakt der Konsensusprognose entsprach. Der Chart zeigt die abnehmende Konjunkturdynamik, die einerseits durch die Anpassungen in den Reformländern und andererseits durch unangemessene Spekulation gegen die Eurozone bedingt ist.

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Der Handelsbilanzüberschuss der Eurozone stellte sich per Dezember laut Eurostat auf +9,7 Mrd. nach zuvor 6,3 Mrd. Euro. Der Unterschied zu den USA und UK ist so erfrischend …

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Der NY Manufacturing Index legte per Februar stärker als erwartet von zuvor 13,48 auf 19,53 Punkte zu. Die Prognose lag bei lediglich 15,0 Zählern. Der Index markierte damit im aktuellen Berichtsmonat das höchste Niveau seit Juni 2010.

Die Weltwirtschaft gewinnt an Fahrt - die US-Wirtschaft gewinnt an Fahrt. Das ist gut für fiskalische Gesundung unter zyklischen Gesichtspunkten. Lösungen müssen dennoch für die strukturellen Probleme in den USA her, die in der Eurozone schon längst in der Umsetzung sind.

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Die US-Industrieproduktion enttäuschte nur auf ersten Blick per Januar. Im Monatsvergleich ergab sich ein unverändertes Ergebnis (Prognose +0,7%). Der Vormonat wurde gleichzeitig von +0,4% auf +1,0% revidiert. Damit ergab sich in der Zweimonatsperiode quasi nahezu eine Punktelandung. In der Folge stellte sich die Kapazitätsauslastung auf 78,6% nach zuvor 78,6% (revidiert von 78,1%).

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Der Frühindikator des US-Wohnimmobileinmarkts, der "NAHB Housing Market Index“ legte unerwartet von zuvor 25 auf 29 Punkte zu und erreichte den höchsten Wert seit Mitte 2007, dem Ausgangspunkt der offiziellen Finanzkrise. Der Index bewegt sich zwar damit immer noch deutlich unterhalb der zwischen Wachstum und Kontraktion unterscheidenden Marke von 50 Punkten. Er belegt jedoch einen deutlichen Dynamikverlust der Negativentwicklung.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.3000 - 1.3030 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!

© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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