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Griechenland und Iran belasten - Euro und "Risikoaktiva" unter Druck

07.03.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.55 Uhr) bei 1.3145, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im US-Handel bei 1.3104 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 106.15, während EUR-CHF bei 1.2055 oszilliert.

Das Bild ist aus den letzten knapp 12 Monaten bekannt. Nicht der Wirtschaftszyklus ist für die Bewertung an Finanzmärkten maßgeblich, sondern es sind die politischen Risiken, die die Zuversicht der Finanzmarktteilnehmer beeinträchtigen und sich in der Folge belastend auf die Realwirtschaft auswirken. Aktuell zeigt sich die Realwirtschaft nach der kurzen Unsicherheitsphase noch widerstandsfähig.

Derzeit stellt sich die Frage, ob die in dieser Woche belastenden Faktoren dauerhaft oder temporärer Natur sind?

Wenden wir uns zunächst dem Thema Griechenland zu. Es gibt aus Athen eine klare Ansage. Der Chef der griechischen Schuldenagentur Christodolou sagte, dass die Regierung plane, die "Collective Action Clauses“ als Teil des "Debt Swap“ zu aktivieren. Die Regierung erwartet, dass die Zustimmung zu dem freiwilligen Schuldenschnitt ausreichend sein wird, um dieses bindende Verfahren einzuleiten. Damit sind grundsätzlich alle Unwägbarkeiten beseitigt. "Cherry Picking“ einzelner Investoren, die sich nicht freiwillig an dem Schuldenschnitt beteiligen wollen, sind damit nicht möglich.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geht von einer Zustimmung der Gläubiger-Banken Griechenlands zum Schuldenschnitt aus. "Meine Prognose ist, dass eine hinreichende Mehrheit der Gläubiger dieses Angebot annehmen wird", sagte Schäuble am Dienstag in der "Münchner Runde" im Bayerischen Fernsehen. Unter Abwägung aller Risiken sei das Angebot so, dass die meisten es seiner Erwartung nach annehmen werden - auch wenn es einen Haircut von 53,5 Prozent vorsieht und niedere Zinsen vorschreibt. "Wir brauchen eine Mehrheit von Zweidrittel, dann kann Griechenland - und das wird Griechenland tun - durch eine Mehrheitsentscheidung der Gläubiger auch was für die anderen verbindlich machen".

Am Donnerstag fällt die Entscheidung in Athen. Das Erreichen der Zweidrittelmehrheit ist sehr wahrscheinlich. Die Aktivierung der CACs ist ebenso auf der Agenda. Dieses Procedere ist von den Ratingagenturen und den Märkten weitgehend bereits diskontiert. Das aktuelle Aufflammen der Unsicherheit hat die Qualität eines temporären "Pawlowschen Reflexes“.

Griechenland ist ein Einzelfall und somit sind die Maßnahmen nicht extrapolierbar auf andere Länder der Eurozone. Derzeit kocht der Markt diese „Suppe“ heiß, sie wird so nicht gegessen werden. Entsprechend sind die Verwerfungen, die wir aus dieser Kausalität erleben, mit hoher Wahrscheinlichkeit kurzfristiger Natur.

Das Thema USA, Israel in Verbindung mit dem Iran ist ein zweiter politischer "Hotspot“, der belastet. Hier ist die Prognostizierbarkeit eingeschränkter. Fakt ist, dass der Iran in das Einflussgebiet Russlands und Chinas gehört. Damit wäre eine Attacke Israels auch ein Angriff auf die Interessenlage dieser beiden Länder. Ob sich Israel das leisten kann, sei dahingestellt. Gleiches gilt für die USA.

Gestern kamen leichte Rauchzeichen aus Teheran. Man ist seitens der Politik Irans bereit, Inspektoren der Vereinten Nationen Türen sensibler Bereiche der Atomanlagen zu öffnen. Ob dieses Angebot einmal mehr nur Taktik und Spielerei ist, lässt sich nicht abschließend sagen. Der Erfahrungshorizont der Auseinandersetzung über die letzten Jahre macht jedoch wenig Mut.

Dieses Thema wird uns weiter beschäftigen. Ich gehe mit einer Wahrscheinlichkeit von "nur“ 55% davon aus, dass es in den nächsten Monaten zu keiner Aggression seitens Israels kommen wird. Mit anderen Worten wird uns mindestens das Thema Iran in den kommenden Monaten weiter belasten. Dabei wird es aber voraussichtlich um einen begrenzten Konflikt gehen. Der Iran ist derzeit das Schlachtfeld, auf dem geopolitische Interessen unterschiedlicher Blöcke ausgefochten werden.

Die USA setzten sich seit Anfang letzten Jahres dank aggressiver "Non Government Organisations“ (ausgelagerte Bereiche des CIA in den 90er Jahren) in Nordafrika durch. Bei Syrien hapert dieser Ansatz noch. Auch hier stehen sich USA und die Allianz China/Russland gegenüber.

Die mediale Fokussierung auf das Thema Israel/Iran einerseits und die "Freiheitskriege“ andererseits verstellt diesen Blick der geopolitischen Auseinandersetzung meines Erachtens in erheblichem Maße. Es fehlt an Abstraktionsfähigkeit im medialen Sektor.

Wir sehen, dass der Begriff der westlichen Freiheit nicht ansatzweise in den "befreiten“ Regionen in Nordafrika umgesetzt wird. Es geht halt um Macht und nicht um Humanismus und wirkliche Demokratie ….

Gestern stand die erste Berechnung des BIP der Eurozone per 4. Quartal 2011 auf der Agenda. Die Werte der ersten Schätzung wurden bestätigt. Im Quartalsvergleich kam es zu einem Rückgang um -0,3%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 0,7%. Die rückläufige Dynamik des Wachstums ausgehend vom 2. Quartal 2011 ist deutlich erkennbar. Sie ist korreliert mit den Reformprozessen, die Wachstum kosten und schlussendlich auch korreliert mit spekulativen Angriffen, denen der fundamentale Unterbau fehlt.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.2950 - 1.3330 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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