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Europhorie

18.03.2012  |  Klaus Singer
Die europäische Schuldenkrise scheint überwunden, jedenfalls ist das das Signal der Finanzmärkte. Der S&P 500 notiert mittlerweile über seinem Jahreshoch aus 2011, der DAX hängt etwas nach und liegt noch 5% unter dem seinigen, hat aber seit Jahresbeginn beeindruckende fast 22% zugelegt.

Der griechische Schuldenschnitt scheint verdaut. Die beiden LTROs der EZB zeigen Wirkung: Die Renditen für italienische 10-jährige Staatsanleihen haben seit Jahresbeginn von über 7% auf unter 5% nachgegeben, sind zuletzt aber nur noch seitwärts gelaufen. Spanische haben sich in derselben Zeit sehr volatil seitwärts bewegt und notieren aktuell bei 5,2%. Portugiesische tendieren bei momentan über 13,6% eher nach oben, sodass der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank mit erneuten Eurozonen-Hilfen im Sommer rechnet.

Die Staatsverschuldung mag ja ein Maß sein für die Befindlichkeit von Krisenstaaten, zeigt aber nur sehr indirekt die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft an. Zudem kommt es entscheidend darauf an, wie die Kreditgeber die Lage beurteilen: Die USA können hinsichtlich ihrer Schuldenquote in der Liga der PIIGS mitspielen, trotzdem rentieren 10-jährige TBonds bei unter 2,3%.

Ein wichtiges Maß für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist ihre Leistungsbilanz. In ihr spiegeln sich die wirtschaftlichen Beziehungen zum „Ausland“ wider, sie ist der wichtigste Teil des Finanzierungssaldos einer Volkswirtschaft. Die Leistungsbilanzsalden für 2011 in Bezug zum jeweiligen BIP zeigen Portugal, Italien, Griechenland und Spanien auf der Negativseite, Irland schafft ein kleines Plus (siehe Chart!).

Die Eurozone hat sich auf deutsches Betreiben hin einen Sparkurs verordnet, der sich im „Fiskalpakt“ aus Dezember niederschlägt. Nun schafft staatliches Sparen per se kein neues Wachstum, wie auch staatliche Schulden per se keines produzieren. Es kommt darauf an, welchen Einfluss die Veränderungen im Staatshaushalt in der konkreten Situation auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft haben.

Der Fiskalpakt ist weniger darauf angelegt, die Staatshaushalte der PIIGS und der Eurozone insgesamt zu sanieren. Es geht nur vordergründig um staatliche Schulden und Defizite. Der Fiskalpakt ist Ausdruck einer politischen Linie, die wirtschaftliche Angleichung innerhalb der Eurozone durch Deflation der Krisenländer zu erzwingen. Das entspricht der dominierenden Rolle Deutschlands. Theoretisch könnte man die Angleichung auch durch Inflationierung etwa in Deutschland erreichen. Das aber würde nicht nur im innereuropäischen Kontext Wettbewerbsvorteile der deutschen Wirtschaft reduzieren, sondern auch auf dem Weltmarkt. Und das angesichts einer Situation, in der China eine "weiche Landung“ seiner Wirtschaft versucht - mit ungewissem Ausgang.

So lange der Euro als einheitliche Währung besteht, müssen die PIIGS bei der aktuellen politischen Großwetterlage in Europa also deflationieren, um wettbewerbsfähiger zu werden. Tun sie aber nicht (siehe Chart!). Im Gegenteil - ihre Preissteigerungsraten liegen über dem Durchschnitt der Eurozone. Ausnahme auch hier Irland.

Die Target2-Salden des Euro-System sprechen dieselbe Sprache wie die Leistungsbilanzdefizite (siehe Chart!). Die Bundesbank hat Forderungen gegen das Eurosystem von aktuell über 500 Mrd. Euro, die PIIGS haben per Januar Verbindlichkeiten von über 640 Mrd. Euro. Da die Geschäftsbanken die Leistungsbilanzdefizite nicht mehr zu finanzieren bereit sind, sind die Zentralbanken eingesprungen - PIIGS-Finanzierung zu einem Prozent ohne Kündigungsmöglichkeit durch die Kreditgeber (siehe auch hier!).



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