Umkipppunkt bei Null
13.04.2010 | Jim Willie CB
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Rickards liefert die Argumentationsbasis dafür, dass der Finanzsektor groteske Dimensionen angenommen hat. In diesem komplexen dynamischen System, so warnt er eindringlich, ist die Gefahr einer Finanzkatastrophe jetzt exponentiell höher als jemals zuvor. Er nennt es ausweglos. Stellen Sie sich ein Pendel vor, dass von rechts nach links schwingt, mit jeder Bewegung, die das Pendel weiter und höher treibt, wird beim positiven Schwung angeblich mehr Vermögen und Wohlstand geschaffen aber eben auch größere fühlbare Zerstörung und Armut beim negativen Rückschwung. Hier sind ein paar Fakten, um zu zeigen, welche außergewöhnlichen Extreme erreicht wurden, die eine Rückkehr zur Normalität unmöglich machen. Das Verhältnis der weltweiten Finanzanlagen zum Welt-BIP wuchs von 100% im Jahr 1980 auf 200% im Jahr 1993 auf 316% im Jahr 2005. Innerhalb dieser Zeitspanne von 25 Jahren wuchs das Gesamtniveau der weltweiten Finanzanlagen von 12 Billionen $ auf 140 Billionen $ an. Der angenommene Gesamtwert aller Credit-Swap-Kontrakte (Anleiheversicherungen) stieg zwischen 2002 und 2006 von 106 Billionen $ auf 531 Billionen $. Der angenommene Wert der Aktienderivate (Aktienindex-Kontrakte) stieg im selben Zeitraum von 2,5 Billionen $ auf 11,9 Billionen $, während der angenommene Wert der Credit Default Swaps von 2,2 Billionen $ auf 54,6 Billionen $ stieg. Die Margin-Schuldenstände bei den US-Brokerfirmen haben sich zwischen 2002 und 2007 von 134,6 Milliarden $ auf 293, 2 Milliarden $ mehr als verdoppelt, während die Menge der Finanzanlagen pro Dollar Eigenkapital bei den US-Brokerfirmen im selben Zeitraum insgesamt von 20 $ auf 26 $ stieg. Solche Ausweitungen als fantastische und monströse Finanzhebel zu bezeichnen, ist eine schwere Untertreibung. Eine Auflösung der aktuellen Extremsituation ist nicht möglich oder machbar.
In Reaktion auf die Finanzkrise wurde darauf gedrungen, dass die Wall Street die Kontrolle der Märkte übernimmt und die US-Notenbank die Bedürfnisse mit gewaltiger Geldschöpfung absichert. Die Finanzmärkte funktionieren nicht richtig, da Interventionen zur Norm geworden sind und die Bilanzierungsregeln außer Kraft gesetzt wurden. Wahrscheinlich werden diese Regeln sogar in noch größerem Umfang außer Kraft gesetzt, da sich jetzt auch die kommerziellen Kredite zu einem Fiasko entwickeln und neue Verluste zu bewältigen sind. Lösung und Reform sind unzulässig, daher ist auch Erholung ein Ding der Unmöglichkeit. Die Bankenbilanzen stecken voll toxischer Anlagen - zusammen mit den zwangsvollstreckten Immobilien und Grundstücken. Die Finanzmärkte entblocken sich nicht und genau hier haben wir die Blockierung im Antrieb, gegen den immer stärkerer monetärer Druck wirkt. Die Kompetenzträger in den Banken sträuben sich gegen die Lösung - aus dem einfachen Grund, weil viele aus ihrem Sektor zu Grunde gehen und totalen Machtverlust erleiden würden.
Rickards glaubt, dass allgemein zwei Möglichkeiten existieren und die zu erwartenden Folgen in jedem Fall extrem sein werden. Er sagte: "Auch wenn wir die Talfahrt vorübergehend stoppen konnten, so wurde nichts unternommen, um unsere Probleme zu lösen und das bedeutet, dass es nur ein Frage der Zeit ist, bis eine von zwei Sachen passiert: Entweder wird es wieder auf Talfahrt gehen und wir werden schließlich das Markttief erreichen, das wir 2009 noch keineswegs erreicht hatten oder sie werden weiterhin Geld drucken, die Probleme damit zuschütten und schließlich den Dollar zerstören und die Gesamtwirtschaft untergraben. Das steht zur Auswahl. Was die Fed gerne möchte, wird sie nicht erreichen: Sanfte Inflation. Verzweifelt versuchen sie, ein wenig Inflation zu bekommen, da sie schreckliche Angst vor der Deflation haben. Alle quantitative Lockerungsprogramme [Schuldenankauf mit frisch geschöpftem Geld, Spezialprogramme in Verbindung mit dem Finanzministerium sowie Fiskalstimuli dienen dazu, den Dollar zu schwächen. Im Grunde versuchen sie, die Märkte dazu zu bringen, aus Angst Geld ausgeben. Doch zur Zeit will kein Amerikaner etwas anderes machen als sparen, Fremdkapital reduzieren und Schulden abtragen. Aus individueller Perspektive nur allzu vernünftig. Geschieht das aber in einer Welt, in der der Konsum für 70% des BIP verantwortlich ist, dann wird dieses BIP zusammenbrechen. Und das spiegelt sich in der Geldumlaufgeschwindigkeit wider. Schon die Vorstellung man könne beim nominalen BIP Wirkung erzielen, indem man das Geldangebot erhöht, gründet auf einer falschen Annahme, nämlich der, dass die Umlaufgeschwindigkeit halbwegs konstant bleibt. Die Umlaufgeschwindigkeit ist aber eingebrochen."
Über die tödliche Nabelschnur, die mit dem Faschistischen Geschäftsmodell verbunden ist, fließt Geld von der US-Regierung direkt zu den Großbanken, großen Militärlieferanten und selbst zu den Pharmariesen. Mit der Gesundheitsreform kommen auch die großen Versicherungsfirmen hinzu. Rickards hebt den erschreckenden Ist-Zustand hervor: Die US-Regierung druckt Geld wie nie zuvor, sie kann jedoch nicht den Immobilienmarkt und die Kreditaufnahme der Unternehmenswelt wiederbeleben, sie kann die Großbanken nicht in einen solventen Zustand zurückversetzen und sie kann keine Preisinflation herbeiführen. Rickard vermeidet es, andere Inflationsquellen zu erwähnen wie zum Beispiel die unbesonnenen Ausgaben der US-Regierung, die staatliche Versorgung der Schwarzen Löcher AIG und Fannie Mae, die konstanten Investitionen des Finanzministeriums in Form von Finanzmarktinterventionen, die Fülle an Liquiditätseinrichtungen der US-Fed und die endlosen Kriegskosten des US-Militärs.
Sein zentraler Punkt sollte jedoch hervorgehoben werden: Der Umkipppunkt steht an. Sollten die US-Regierung und die US-Fed ihre Finanzunterstützung einstellen, dann setzt - einhergehend mit Zuckungen und Krämpfen - eine schwere Kontraktion und Drosselung ein. Wenn es zu Problemen kommt, lautet die offizielle Antwort "verstärkte finanzielle Unterstützung" und dann folgt ein schneller Preisanstieg in den Schlüsselstrukturen einschließlich der Immobilien- und Aktienpreise. Der Motor der US-Wirtschaft und des darüberliegenden Finanzsystems hat sich festgefahren. Mit der Einspeisung neuen Geldes rückt der Moment, an dem sich die Blockierung löst, schnell näher. Der plötzliche Ruck wird als mächtige Preisinflation zu spüren sein und die Nation hinterrücks treffen. Die nationale Klapperkiste wird nicht rund und geschmeidig laufen.