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Risikoaversion höher - Konjunkturskepsis nebst spekulativen Interessen gegen Spanien

05.04.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.37 Uhr) bei 1.3155, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.3108 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 82.20. In der Folge notiert EUR-JPY bei 108.15, während EUR-CHF bei 1.2035 oszilliert.

Der Fokus der Finanzmärkte war gestern auf die EZB ausgerichtet. Nachdem die Wahrscheinlichkeit von weiteren quantitativen Maßnahmen der Fed abnimmt, die Niedrigzinspolitik der USA aber anhält, kam es zu erhöhter Risikoaversion an den Märkten. Auch die Einlassungen der EZB wurden als Katalysator weiterer Risikoaversion umgesetzt. Das ist durchaus erstaunlich. Die Einwertung der Konjunkturlage entsprach der Faktenlage. Es gab weder Schönrederei noch unangemessener Pessimismus. Ebenso wird an der Niedrigzinspolitik festgehalten. Entsprechend entsteht der Eindruck, dass der "Markt“ weitere Korrekturen im Rahmen erhöhter Risikoaversion sehen will.

(Reuters) - EZB-Präsident Mario Draghi schiebt Diskussionen über einen Ausstieg der Zentralbank aus ihrer Krisenpolitik einen Riegel vor. "Wenn man sich die gegenwärtigen Bedingungen in der Wirtschaft und die historisch hohe Arbeitslosigkeit anschaut, ist jede Diskussion über eine Ausstiegsstrategie verfrüht", sagte er am Mittwoch in Frankfurt nach einer turnusmäßigen Sitzung des EZB-Rats. Zuletzt hatten angeführt von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann mehrere Ratsmitglieder erklärt, es sei an der Zeit darüber nachzudenken, wie die EZB ihre Rundumversorgung für das Bankensystem wieder zurückfahren wolle.

"Ich denke, der Präsident der EZB hat da das letzte Wort", betonte Draghi. So ist es! Dem EZB-Präsident gehen die Forderungen nach einem "Exit" offenbar zu schnell. Draghi machte allerdings klar, dass die Notenbank gegebenenfalls schnell handeln werde, sollten Inflationsgefahren heraufziehen. "Es ist wichtig dabei im Hinterkopf zu behalten, dass alle unsere unkonventionellen Maßnahmen vorübergehender Natur sind. Es stehen zudem alle nötigen Instrumente bereit, um Aufwärtsrisiken für mittelfristig stabile Preise entschieden und zeitnah anzugehen." Dennoch bekräftigte der Italiener, er rüste bei den Inflationsgefahren "nicht rhetorisch auf". Zudem ist eine solitäre Anti-Inflationspolitik ohne die USA und UK riskant, da der Aufwärtsdruck auf den Euro erheblich ausfallen könnte.

Auf mittlere Sicht rechne er nämlich damit, dass das Inflationsziel der EZB gehalten werde könne - eine Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent. "Anfang 2013 sollte die Inflationsrate unter zwei Prozent fallen." Das erscheint mehr als Hoffnungswert. In diesem Jahr werde sie wegen der hohen Öl- und Benzinpreise und steigender Steuern in einer ganze Reihe von Euro-Ländern aber über dieser Zielmarke bleiben. Es gibt aber noch mehr Felder mit ausgeprägtem Preisdruck, zumindest in den starken Ländern. Erhebliche Lohnerhöhungen mit der potentiellen Folge einer Lohn/Preisspirale als auch enge freie Kapazitäten, die den Unternehmen Preisüberwälzungsspielräume bieten.

Den Leitzins für die 17 Euro-Länder hatte der EZB-Rat bei einem Prozent belassen. Die Option einer Veränderung des Schlüsselzinses sei bei der Ratssitzung nicht diskutiert worden, die Entscheidung einstimmig gefallen, sagte der EZB-Chef. Erneut zufrieden äußerte sich Draghi mit der Wirkung der beiden zusammen eine Billion Euro schweren Liquiditätsspritzen, die die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Monaten den notleidenden Banken verabreichte. Es habe sich gezeigt, dass diese eine "machtvolle Waffe" seien. Sie habe eine Kreditklemme verhindert und werde ihre volle Wirkung erst noch entfalten. Exakt, der Finanzmarkt unterschätzt dieses Instrument.

Sorgen, dass die Geldschwemme eigentlich längst bankrotte Banken künstlich am Leben erhalte, habe er nicht. "Ich sehe keine Anzeichen, dass Banken komplett von der EZB abhängen." Das Geld der EZB habe hingegen allen Finanzinstituten Zeit verschafft. Einzig im Falle Griechenlands müsse überprüft werden, welche der dortigen Geldhäuser als Geschäftspartner noch überlebensfähig seien. Diese müssten dann von der Notenbank in Athen aufgepäppelt werden. Ordnungspolitisch ist diese Position Draghis nicht anfechtbar.

Analysten erklärten nach der Pressekonferenz Draghis, dieser habe klar gemacht, dass in den kommenden Wochen und Monaten nicht mit einer Kursänderung der EZB zu rechnen sei. Exakt, um so erstaunlicher ist die nach der Pressekonferenz einsetzende Nervosität. Es gab keine neuen Wendungen seitens der EZB.

Spanien stand gestern unter Druck. Kreditausfallversicherungen auf spanische Staatsanleihen zogen merklich an. Dabei ist die Faktenlage nicht prekär. Verbalakrobatik und die Potenz unregulierter Derivate wirken sich belastend aus. "Man“ ist offensichtlich bemüht über diese Mittel eine eigene Realität herzustellen. Bei Irland hat es ja bereits einmal geklappt ...


Werfen wir einen Blick auf die Fakten:

Kurzmeldungen aus Spanien (Reuters):

• SPANISCHER WIRTSCHAFTSMINISTER - VERKAUF DER BANCO DE VALENCIA SA UND DER CATALUNYACAIXA STARTET NÄCHSTE WOCHE, INVESTOREN ZEIGEN INTERESSE
• SPANISCHER WIRTSCHAFTSMINISTER - DEFIZITZIELE SIND IN STEIN GEMEISSELT
• SPANISCHER WIRTSCHAFTSMINISTER - ALLE SPANISCHEN BANKEN ERFÜLLEN BEREITS DIE EBA-KAPITALANFORDERUNGEN
• SPANISCHER WIRTSCHAFTSMINISTER - WERDEN IN KOMMENDEN WOCHEN NEUE REFORMEN ANKÜNDIGEN, SPARMASSNAHMEN NOTWENDIG IM GESUNDHEITS- UND BILDUNGSBEREICH

Solche Meldungen werden ignoriert - wir nehmen das zur Kenntnis.

Madrid, 04. Apr (Reuters) - Das klamme Spanien kämpft am Kapitalmarkt mit Gegenwind. Bei der Ausgabe von Anleihen im Gesamtvolumen von knapp 2,6 Milliarden Euro verlangten die Anleger am Mittwoch durch die Bank höhere Zinsen als zuletzt. Ein vierjähriges Papier beispielsweise rentierte mit 4,3 Prozent um einen vollen Prozentpunkt höher. Das Interesse an bis 2015 laufenden Schuldtiteln war zudem relativ lau: Die Nachfrage überstieg das Angebot nur um das 2,4-Fache. Zuletzt war eine ähnliche Auktion mehr als doppelt so stark nachgefragt. Die Risikoaufschläge für zehnjährige spanische Anleihen weiteten sich prompt aus und erreichten mit 392 Basispunkten das höchste Niveau seit November 2011. Einen weiteren Grund zur Enttäuschung für die Investoren bot das relativ niedrige Ausgabevolumen der Anleihen, das am unteren Ende der angestrebten Zielspanne angesiedelt war.

Positive Meldungen werden derzeit ohnehin kaum wahrgenommen. Aus China ergab sich sogar bei dem HSBC Dienstleistungseinkaufsmanagerindex eine positive Entwicklung. Chinas Dienstleister trotzen der Furcht vor einem Konjunkturabschwung. Die Geschäfte der Branche wuchsen im März solide, und die Zuversicht der Unternehmen stieg auf den höchsten Stand seit elf Monaten. Der am Donnerstag veröffentlichte HSBC-Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor fiel zwar leicht auf 53,3 Punkte von 53,9 Punkten im Februar, blieb aber damit deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Das Stellenwachstum in dem Sektor verlor allerdings an Schwung.

Auch der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor der Eurozone von "Markit“ fiel per März besser als erwartet aus. Der Index stellte sich auf 49,2 Punkte. Erwartet war ein Wert in Höhe von 48,7 Zählern.

In dem sklerotischen Vereinigten Königreich kam es dagegen zu einem Anstieg von 53,8 auf 55,3 Punkte. Hier liefern uns die Einkaufsmanagerindices von "Markit“ für das produzierende Gewerbe und den Dienstleistungssektor also Indikationen von mehr als solider Expansion. Wir nehmen das zur Kenntnis und staunen ob der sachlichen Debatte über diese augenfällige Divergenz, die offensichtlich still und schweigend erfolgt …..

Die Einzelhandelsumsätze der Eurozone sanken per Berichtsmonat Februar im Monatsvergleich um -0,1% (Prognose 0,0%). Der Vormonatswert wurde von +0,3% auf +1,1% revidiert, so dass das aggregierte Ergebnis der Zweimonatsperiode deutlich besser als erwartet ausfiel.

Die deutschen Industrieaufträge legten per Februar um 0,3% im Monatsvergleich zu (Prognose +1,2%). Gleichzeitig wurde der Vormonatswert von -2,7% auf -1.8% revidiert, so dass das Zweimonatsergebnis den Erwartungen entsprach.

Die Reaktionen waren gestern auf die Berichtsmonate und nicht die Revisionen fixiert. Das nehmen wir auch zur Kenntnis. Der Datenpotpourri war insgesamt aus der Eurozone mit leicht positiven Überraschungen garniert, die nicht sachgerecht diskontiert wurden.

Der ISM-Dienstleistungsindex aus den USA gab von zuvor 57,3 auf 56,0 Punkte nach. Damit wurde die Prognose bei 57,0 Zählern verfehlt. Das tat dem USD jedoch keinen Abbruch.

Fassen wir zusammen: Die Eurozone setzt leicht überraschende positive Akzente - die USA setzen leicht negative Akzente - die Diskontierung am Markt erfolgt zu Gunsten des USD. "Food for thought!“

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2980 - 10 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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