Preise kurzfristig unter Druck, langfristig aufwärts gerichtet
21.04.2012 | Eugen Weinberg
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Laut Einschätzung des World Gold Council dürfte China in diesem Jahr Indien als weltweit größten Goldkonsumenten ablösen. Aufgrund der wachsenden Mittelschicht und dem zunehmenden Wohlstand sowie der schrittweisen Öffnung des Goldmarktes für private Anleger hat sich die Goldnachfrage in China in den letzten Monaten sehr dynamisch entwickelt. Daneben dürfte die chinesische Zentralbank ihre Goldreserven kontinuierlich aufstocken. Trotz der Ausweitung der heimischen Goldproduktion im letzten Jahr auf einen Rekordwert von 361 Tonnen (Grafik 3), ist China auf Importe angewiesen und entzieht dem Weltmarkt damit sogar Angebot. Kurzfristig betrachtet könnte Gold aufgrund des hohen Gleichlaufs mit den riskanten Anlageklassen und im Zuge der gestiegenen Risikoaversion der Marktteilnehmer nochmals unter Druck kommen. Auch die geringer eingeschätzte Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer weiteren quantitativen Lockerung der Geldpolitik in den USA kommt, ist nach wie vor ein Belastungsfaktor. Wir schließen daher einen vorübergehenden Preisrückgang unter die Marke von 1.600 USD je Feinunze nicht aus. Mittel- bis langfristig sollte sich jedoch die Charaktereigenschaft des sicheren Hafens durchsetzen und Gold seinen Aufwärtstrend wieder aufnehmen.
So ist die Staatsschuldenkrise in der Eurozone längst noch nicht gelöst und schwelt weiter. Sorgen vor Inflation sowie das hohe Interesse der Zentralbanken dürften Gold zum Jahresende wieder Richtung des Allzeithochs von 1.900 USD je Feinunze tragen.
Silber:
Silber fährt auch in diesem Jahr bislang weiter Achterbahn. Nachdem der Preis in den ersten beiden Monaten des Jahres um knapp 25% zulegte, gab er seit Ende Februar um gut 8% wieder nach. Hauptverantwortlich dafür dürften wie bei Gold die spekulativen Finanzinvestoren gewesen sein. Diese hatten in denselben Zeiträumen zunächst ihre Netto-Long-Positionen auf knapp 30 Tsd. Kontrakte versechsfacht, um sie anschließend innerhalb von vier Wochen wieder mehr als zu halbieren. Das Silver Institute führte in einer Pressemitteilung den Preisanstieg von Silber dagegen vor allem auf die Investmentnachfrage zurück. Dazu zählen ETF-Anleger sowie die Münznachfrage.
Die als längerfristig orientiert geltenden ETF-Anleger haben sich bei Silber im Gegensatz zu Platin und Palladium im ersten Quartal jedoch eher zurückgehalten und waren daher keine wesentliche Stütze des Silberpreises. Die von Bloomberg erfassten Silber-ETFs verzeichneten in den ersten drei Monaten des Jahres lediglich Zuflüsse von 2,7% bzw. 459 Tonnen. Mit insgesamt 17.753 Tonnen lagen die Bestände der Silber-ETFs per Ende März allerdings auf dem höchsten Niveau seit Anfang Mai 2011 (Grafik 4).
Die Nachfrage nach Silbermünzen, die schon im letzten Jahr einen Teil der Verkäufe durch die spekulativen Finanzanleger und ETF-Investoren aufgefangen hat, hat zu Jahresbeginn nochmals deutlich an Dynamik gewonnen. Allein die US-Münzanstalt hat im Januar 6,11 Mio. Unzen (entspricht rund 190 Tonnen) an Silbermünzen verkauft. Dies stellte den zweithöchsten jemals erreichten Wert dar. In den beiden folgenden Monaten hat die Dynamik jedoch spürbar nachgelassen, so dass die US-Münzverkäufe im ersten Quartal 2012 mit 10,1 Mio. Unzen (rund 315 Tonnen) fast 20% unter dem Vorjahresniveau lagen.
Wie das Silver Institute gemeinsam mit GFMS in seinem jüngst veröffentlichten "World Silver Survey“ berichtete, ist die Silbernachfrage aufgrund der Staatsschuldenkrise in der Eurozone im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 3,2% auf 1,04 Mrd. Unzen gefallen. Dies war der erste Rückgang seit drei Jahren. Während die Industrienachfrage um 2,5% auf 486,5 Mio. Unzen rückläufig war, erreichte die Nachfrage sowohl für Barren als auch für Münzen und Medaillen neue Rekordwerte. Offensichtlich wurde Silber ähnlich wie Gold im letzten Jahr trotz der hohen Volatilität zumindest im Ansatz als sicherer Hafen angesehen. Die Nachfrage in den Segmenten Schmuck, Photografie und Silberwaren ging dagegen zurück (Grafik 5).
Wir gehen im laufenden Jahr weiter von steigenden Silberpreisen aus. Gerade der jüngste Preisrutsch unter die Marke von 32 USD je Feinunze dürfte Schnäppchenjäger anlocken. Zudem könnte auch die Eigenschaft des Werterhalts von Silber wieder in den Vordergrund treten, da sich die Staatsschuldenkrise in der Eurozone nur vordergründig entspannt hat und weiter schwelt. Durch das aktuell hohe Gold/Silber-Verhältnis von 52 dürfte Silber ebenfalls unterstützt sein, da Silber im Vergleich zu Gold eher günstig ist. Generell sollte Silber dank seines hybriden Charakters - Werterhalt sowie Partizipation an einem Wirtschaftsaufschwung aufgrund der mehrheitlichen industriellen Verwendung - attraktiv und gefragt bleiben. Wir erwarten daher bis zum Jahresende einen Preisanstieg auf 38 USD je Feinunze. Der Großteil des Preisanstiegs sollte aber wie bei Gold in der zweiten Jahreshälfte erfolgen.