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Das kam dem Euro "spanisch" vor - Fitch sorgt für "gewohnte" Unruhe …

31.05.2010  |  Folker Hellmeyer
EUR/USD eröffnet heute bei 1.2325 (07.35 Uhr), nachdem im europäischen Handel am Freitag Höchstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.2452 markiert wurden Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 91.55. In der Folge notiert EUR/JPY bei 112.85, während EUR-CHF bei 1.4235 oszilliert.

Die Ratingagentur Fitch hat am Freitag zu einem Zeitpunkt dünnster Liquidität, als Europa bereits mehr oder weniger die Bücher geschlossen hatte, eine Herabstufung des Ratings Spaniens von zuvor AAA auf AA+ mit stabilem Ausblick bekannt gegeben und damit erhebliche Unruhe an allen Finanzmärkten ausgelöst.

Wir nehmen die Auswahl des Zeitpunkts durch Fitch zur Kenntnis und sind gleichzeitig äußerst irritiert. Wenn eine Ratingagentur nicht notwendige Unruhe an Finanzmärkten vermeiden will, ergeben sich zwei Handlungsmöglichkeiten.
  • Entweder gebe ich diese Nachricht in einer Marktphase bekannt, in der eine hohe Liquidität gegeben ist, um überproportionale Reaktionsmuster zu verhindern,

  • oder ich veröffentliche eine derartige Meldung an einem Wochenende, so daß alle Marktteilnehmer ohne Hast sich dieser bahnbrechenden Erkenntnis nähern können.

  • Ich wähle aber niemals eine Zeitzone (NY oder Asien alleine), in der die Liquidität schwach ausgeprägt ist!

Laut Fitch wird sich die öffentliche Staatverschuldung Spaniens im Rahmen der notwendigen Reformen per 2013 auf 78% erhöhen (2007 40% vor Ausbruch der Krise) und damit das Niveau erreichen, bei dem die BRD (AAA mit Stern und Auszeichnung!) bereits Ende 2010 stehen wird.

Es irritiert in der Erklärung seitens Fitch die Tatsache, daß Fitch die Reformen, die ja gerade bessere Zukunftsfähigkeit mit sich bringen, als Katalysator der Herabstufung anführt. Natürlich wird durch Reformen dieser Art eine Rezession verlängert. Es ist aber gerade der Schmerz, der schlußendlich unverzichtbar ist, eine Krankheit zu heilen. Offensichtlich werden derzeit die Länder von Ratingagenturen abgestraft, die ihre Hausaufgaben machen. "Food for thought!" Das sind schon die ersten erstaunlichen Erkenntnisse, damit aber nicht genug!

Laut Moody’s, einer Branchenschwester von Fitch mit deutlich größerem Marktanteil, können die USA sich weiter aggressiv verschulden und unübliche Staatsverschuldung für AAA bewertete Länder auftürmen, ohne daß sich auch nur der Ausblick für die Bewertung verändern könnte. Das wurde uns vor wenigen Tagen von Moody’s freimütig offenbart.

Die USA werden Ende des Jahres bei 94% Staatsverschuldung stehen und ihre Volkswirtschaft hat ein Geschäftsmodell, das unverändert nicht geeignet ist, als zukunftsfähig bezeichnet zu werden.
  • Es bedarf real negativer Zinsen in der Größenordnung von -2%,

  • es bedarf weiterer Budgetdefizits in der Größenordnung von 10% des BIP, um 2-3% Wachstum nach US-Berechnungsmethoden (…) zu generieren

  • und es produziert derzeit Handelsbilanzdefizite (=Erhöhung der Außenverschuldung) in Höhe von circa 40 Mrd. USD pro Monat.

Wir nehmen die Diskrepanz der Bewertungen zur Kenntnis. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.

Noch irritierender ist jedoch, daß diese Ratingagenturen im ersten Halbjahr 2009 leise und unvernehmlich waren,
  • zu einem Zeitpunkt als der Weltuntergang von Roubini und Freunden mit Ausfallraten von 4.500 - 5.000 Mrd. im Rahmen der Krise gepredigt wurde (aktuell 1.750 Mrd. USD, unsere Prognose circa 2.000 Mrd. USD) und von vielen als voraussichtliche Realität akzeptiert wurde,

  • als 5 Mio. Arbeitslose in Deutschland als seriöse Prognose gehandelt wurde (der wir uns nicht anschlossen),

  • als ein "Turnaround" der Wirtschaft (wie von uns für das zweite Halbjahr 2009 prognostiziert) als abenteuerlicher Opportunismus abgekanzelt wurde.

Nein, nicht jetzt, wo sich die Weltwirtschaft für viele angebliche Experten überraschend schnell erholt und damit nach vorne schauend für fiskalische Entspannung sorgt, sind die Anpassungen der Ratings zu vollziehen. Sie wären sicher vor 12 Monaten in einer Phase größter Unsicherheit vertretbar gewesen.

Ratingagenturen liefern derzeit Nacherzählungen zu den unmöglichsten Zeitpunkten und wirken damit bezüglich der Konjunkturentwicklung und Stabilisierung kontraproduktiv!

Die Aufgabe eines Leuchtturms, der vor Gefahren zu einem angemessenen Zeitpunkt warnt, erfüllen diese Veranstaltungen nach meiner Bewertung nachweislich nicht!

Bezüglich der USA verfehlen sie leider auch noch das Thema!

Um das Thema abzurunden, nehmen wir Bezug auf die erneute Anpassung der IWF-Prognose an diesem Wochenende bezüglich der Weltkonjunkturlage 2010. Die Prognose wurde auf +4,25% erhöht. "Food for thought!"

Wenden wir uns kurz den Veröffentlichungen aus den USA des letzten Freitags zu, die keine wesentliche Marktentwicklung entfalteten:

Persönliche Einkommen nahmen per April im Monatsvergleich um 0,4% und im Jahresvergleich um 2,5% (zuvor 2,8%) zu. Der private Konsum war im Monatsvergleich dagegen unverändert. Die Sparquote legte von 3,1% auf 3,6% zu.

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Der Einkaufsmanagerindex für das produzierende Gewerbe in Chicago sank per Mai unerwartet stark von zuvor 63,8 auf 59,7 Punkte. Die Prognose lag bei 62,0 Punkten. Auch das aktuelle Niveau impliziert losgelöst vom Rückgang unverändert solide Expansion.

Deutlich kam jedoch der Beschäftigungsindex unter die Räder. Hier erfolgte ein Einbruch von 57,2 Punkten auf nur noch 49,2 Zähler. Damit wurde die kritische Marke bei 50 Punkten, die zwischen Expansion und Kontraktion unterscheidet, unterschritten.

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Den Abschluß des Datenreigens machte das Verbrauchervertrauen nach Lesart der Uni Michigan. Hier stand der finale Wert per Mai auf der Agenda. Es kam zu einem Anstieg von zuvor 72,2 (Finaler Wert April) auf 73,6 Punkte. Die Prognose lag bei 73,3 Punkten, dem Ergebnis der vorläufigen Berechnung.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das nach wie vor eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.2130 - 1.2480 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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