Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Athens parlamentarische Lage verunsichert - Paris Katalysator für Wachstumspolitik - Eurozone vor partieller Neuausrichtung der Politik

07.05.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.39 Uhr) bei 1.2980 nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im asiatischen Handel bei 1.2956 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 103.55, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Was für ein Wochenende - dennoch, es hätte schlimmer kommen können … Die Wahlen in Schleswig-Holstein haben für die Eurozone derzeit keine tragende Bedeutung. An die Adresse einiger von Hybris geprägter deutscher Politiker, die nicht der aktuellen Regierungskoalition in Berlin angehören, lässt sich nur sagen: "Totgeglaubte leben länger - oder?"

Die Wahl in Griechenland war eine massive Protestwahl. Das Wahlergebnis ist aller Voraussicht nach Ende einer Politstruktur, die Griechenland in diese Lage gebracht hat.

Das lässt sich einmal aus dem Wahlergebnis selbst ablesen. Pasok steht mit circa 13,5% nach zuvor 44% vor den Scherben der eigenen Geschichte. Die Nea Demokratia geht es mit 19,7% nicht wesentlich besser aus dieser Wahl hervor. Andererseits ist diesen beiden (leichter gewordenen) Schwergewichten in der griechischen Politik auch eine Lernkurve zuzugestehen. Ein Weg zurück in die oligarche, korrupte und von Vorteilsnahme der Eliten geprägte Struktur der Vergangenheit ist kaum vorstellbar. Andererseits tut sich ein neues Parteienspektrum auf. Absplitterungen der großen Parteien erhalten Zulauf. Ob faschistische und extremistische Strukturen dauerhaft überleben können oder nur Ausdruck des massiven aktuellen Leids der Bevölkerung sind, wird sich weisen.

Die Besonderheit des griechischen Wahlrechts, dass die stärkste Partei zusätzlich 50 Mandate erhält, eröffnet für das griechische Parlament eine relativ stabile Ausgangslage für die Fortführung der Reformpolitik. Pasok und Nea Demokratia halten laut letzten Berechnungen demnach 150 der 300 Parlamentssitze. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich eine dritte Kraft anschließen, so dass eine solide parlamentarische Mehrheit möglich ist.

Die Äußerungen von Herrn Samaras deuten an, dass die reine Lehre der aus Deutschland dominierten Reformpolitik nicht mehr mehrheitsfähig sein wird. Wesentliche Akzente müssen zukünftig in Richtung konjunktureller Stabilität gesetzt werden. In diesem Zusammenhang erwarte ich, dass auch in Berlin erkannt wird, dass es politisch immer um drei Faktoren geht. Neben fiskalischer Tragfähigkeit geht es um konjunkturelle Tragfähigkeit und auch um die damit korrelierte politische Stabilität. Innerhalb dieses Dreiecks gilt es, Sinn stiftende Politik zu betreiben. Solitäre fiskalische Ordnungspolitik ohne Ansehen der anderen zwei Felder bestimmte das Bild der letzten 30 Monate für Griechenland, um die massiven Defizite in diesen Sektoren zu beheben. Jetzt gilt es jedoch wieder alle drei Felder ernsthaft zu berücksichtigen.

Werfen wir einen kurzen Blick auf das griechische "Leistungsspektrum“. Die Wirtschaft ist in den Jahren 2010 und 2011 um circa 12% kollabiert. 2009 lag der Ausgangspunkt der Neuverschuldung (NVS) bei 15,4% des BIP . 2011 lag die NVS bei 9,1%. Ohne Reformen wäre die NVS wegen geringerer Steuereinnahmen und höherer Sozialkosten gestiegen. Die Reduzierung der NVS auf 9,1% des BIP per 2011 ist Ausdruck des Erfolgs der Strukturreformen.

Das Haushaltsdefizit ist primär konjunktureller und nicht mehr struktureller Natur. Konjunkturelle Stabilität führt zu der nächsten Runde der Defizitreduktion. Diesbezüglich verdient die Position des Herrn Samaras Vertrauen. Martin Feldstein als Harvard Ökonom hatte diese Zusammenhänge ja auch bereits vor Wochen thematisiert.

Wenden wir uns Frankreich zu. Zum ersten Mal seit 17 Jahren hat Frankreich wieder einen sozialistischen Präsidenten: Francois Hollande schlug in der zweiten und entscheidenden Runde der Präsidentenwahl am Sonntag den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy mit 52% versus 48%. Hollande hat angekündigt, er wolle die vor allem von Deutschland verfolgte Sparpolitik nicht unverändert weiterführen, sondern mehr auf Wirtschaftswachstum setzen.

Hollande hat angekündigt, in Europa ein Gegengewicht zum Sparkurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu schaffen. Steuererhöhungen für Großunternehmen und Reiche sollen zusätzliche Ausgaben des Staates finanzieren und trotzdem die Verschuldung im Zaume halten. Außerdem will Hollande den bereits unterzeichneten europäischen Fiskalpakt neu verhandeln und mit Elementen für mehr Wachstum versehen. Hollande hat angekündigt, bereits in den nächsten Tagen Merkel zu besuchen. Ob die Neuverhandelung des Fisklapakts ansteht, sei einmal dahin gestellt. Dass ein Wachstumspakt auf uns zukommt, ist fraglos zu begrüßen.

Die Berliner Politik hat bereits reagiert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat dem französischen Wahlsieger Francois Hollande am Sonntagabend demonstrativ einen Wachstumspakt für Europa angeboten, zugleich aber auf die Ratifizierung des Fiskalpakts gepocht. "Wir werden jetzt gemeinsam einen Wachstumspakt erarbeiten in Europa, der mit mehr Wettbewerbsfähigkeit mehr Wachstum schafft", sagte der FDP-Politiker am Sonntagabend auf der Wahlparty in der französischen Botschaft in Berlin.

Westerwelle zeigte sich zudem zuversichtlich, dass die neue sozialistische Führung in Paris und die schwarz-gelbe Bundesregierung "sehr, sehr eng" zusammenarbeiten würden. Die bilateralen Beziehungen seien nicht von Parteipolitik abhängig, betonte Westerwelle, der Hollande auf französisch gratulierte. "Das Schicksal Europas hängt sicherlich auch davon ab, wie eng die Freundschaft und Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich gepflegt wird", betonte er. So ist es Herr Westerwelle!

Deutschland hat den schwachen europäischen Ländern während der letzten 2 ½ Jahre massive Strukturpolitik verordnet. Die Strukturen sind weitgehend angepasst. Nun gilt es, konjunkturelle Stabilität/Wachstum und politische Stabilität im Fokus zu halten.

Fakt ist, dass durch die Reformen der letzten 30 Monate die Potentialwachstumspfade der Reformländer auf die nächsten 10 Jahre um geschätzte 15% - 20% (Dank an Herrn Dr. Pfister) erhöht sind. Fakt ist, dass Wachstum in diesen Ländern dank der fiskalischen Strukturreformen jetzt bezüglich des potentiellen Steueraufkommens eine höhere Traktion haben wird.

Entsprechend besteht die Möglichkeit einer zügigeren fiskalischen Gesundung bei Fokussierung auf Wachstumspolitiken.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.2600 - 1.3200 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"