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Orientierungssuche- und Findung in Politik und Finanzwirtschaft

08.05.2012  |  Folker Hellmeyer
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Bezüglich Griechenlands gibt es aus Berlin eine klare Positionierung. Regierungssprecher Seibert betonte, dass es bei allen europäischen Vereinbarungen bleiben müsse. Die Verträge sind geschlossen und gelten.

Das ist zunächst grundsätzlich richtig. Nach den massiven Einbrüchen der griechischen Wirtschaft und der neuen politischen Konstellation in Athen stellt sich jedoch die Frage, ob die Umsetzungen der zusätzlich geplanten Reformen (11 Mrd. Euro Volumen) ähnlich wie in Spanien gestreckt werden können, um der griechischen Wirtschaft Luft zum Atmen zu lassen und auch den politischen Risiken aus Athen entgegenzuwirken. Für das laufende Jahr wird eine weitere Kontraktion der Wirtschaftsleistung von 5% prognostiziert nach -12% in den Jahren 2010 - 2011. Wie Herr Regling als Chef des Euro-Rettungsschirms EFSF gestern so treffend formulierte, hätte ein Austritt Griechenlands katastrophale Folgen für Griechenland selbst, aber würde auch für die staatlichen Gläubiger und Banken der Eurozone teuer werden.

Es gilt, die Fakten der Strukturerfolge bei Griechenland nicht aus den Augen zu lassen. Das Waren- und Dienstleistungsbilanzdefizit ist von 2008 auf 2011 um 55% reduziert worden. Die Strukturerfolge der Haushaltsgenesung sind markant, wenn man den Einbruch der Konjunktur berücksichtigt. Wir hatten die Daten im gestrigen Report thematisiert. Es macht grundsätzlich für Griechenland Sinn, diesen schmerzhaften Weg weiterzugehen und dabei die Solidarität der Eurozone zu erleben.

Die politische Lage bleibt in Griechenland jedoch sehr angespannt. Herr Samaras hat gestern bei der Regierungsbildung kapituliert. Nun ist die extreme Linke gefordert, eine Regierungsbildung auf die Beine zu stellen. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlversuchs ist sehr hoch. Falls dieser Ansatz fehlschlägt, werden Neuwahlen in Griechenland innerhalb der folgenden drei Wochen wahrscheinlich.

Die Lage ist unübersichtlich und forciert Risikoaversion gegenüber der Eurozone. Die von Herrn Regling geäußerten Bedenken und Sorgen sind ernst zu nehmen. Falls die Griechen neu wählen sollten und weiter den Weg des Protests und der Emotion gehen und sich damit gegen die Hände wehren, die Griechenland 100 Mrd. Schulden erlassen haben, die Griechenland durchfinanzieren und ihnen ordnungspolitisch und strukturell zu einem schmerzhaften, aber nachhaltigem Neuanfang verhelfen, dann entspräche das Selbstmord aus Angst vor der Genesung. Für die Eurozone bedeutete es eine temporäre Verschärfung der Krise, aber auch die Befreiung von einer schweren Hypothek.


Wenden wir uns den gestern veröffentlichten Daten zu:

Die Auftrageingänge der Deutschen Industrie müssen unsere "Freunde“ bei "Markit“ den Atem rauben. Nachdem Tim Moore (Chefvolkswirt von“Markit“), Credit Suisse und Bantleon darauf verwiesen, dass "Markit“ anders als IFO stärker das Momentum abgreift und nur das produzierende Gewerbe befragt, für das der Auftragseingang der Industrie steht, stellt sich noch stärker als zuvor die Qualitätsfrage bezüglich des "Markit PMI“!

Der deutsche Auftragseingang nahm per März unerwartet stark um 2,2% im Monatsvergleich zu. Die Prognose war bei verhaltenen 0,5% angesiedelt. Mehr noch wurde der Vormonatswert von +0,3% auf +0,6% revidiert.

Mit anderen Worten haben wir in der Momentumfrage via Aufträge in Deutschland per Februar und März eine positive Tendenz, die insbesondere per März ausgeprägt ist. "Markit“ hatte den PMI per Januar bei 51,0 Punkten, per Februar bei 50,2 Punkten und per März bei 48,4 Punkten (Rezession!) erfasst.

Im Jahresvergleich kam es bei dem Auftragseingängen der Industrie zu einem Rückgang um -1,2% nach zuvor -5,8% per Februar 2012. Der Index der deutschen Auftragseingänge hat aktuell das höchste Niveau seit Oktober 2011 markiert.

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In den USA verzeichneten die Verbraucherkredite eine signifikante Ausweitung per Berichtsmonat März um 21,36 Mrd. USD. Die Prognose lag bei lediglich 9,8 Mrd. USD nach zuvor 9,27 Mrd. USD (revidiert von 8,73 Mrd. USD).

Diese Entwicklung kann man seitens der Verbraucher als Ausdruck von Zuversicht interpretieren und zusätzlich als Beleg einer verfestigten positiven Grundtendenz der Konjunktur in den USA. Die Neuverschuldung löst jedoch nicht das Problem der unverändert hohen Privatverschuldung in den USA. Mithin bleibt etwas Wasser im Wein zurück.

Der nachfolgende Chart bildet das Gesamtvolumen der Verbraucherkredite ab. Deutlich wird, dass die Konsolidierung der privaten Haushalte aus dieser Sichtweise heraus in Frage steht.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.2600 - 1.3200 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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