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Vereinigte Königreich macht Ernst bei dem Sparen - IFO auf höchstem Stand ...

23.06.2010  |  Folker Hellmeyer
Vereinigte Königreich macht Ernst bei dem Sparen - IFO auf höchstem Stand seit 05/2008 - Griechenland überrascht mit positiven Meldungen!

Der Euro eröffnet heute bei 1.2260 (07.55 Uhr) unweit der Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden, die im asiatischen Geschäft bei 1.2245 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 90.40. In der Folge notiert EUR-JPY bei 110.85, während EUR-CHF bei 1.3590 oszilliert.

Die neue britische Regierung legte gestern einen Nothaushalt vor, um den massiven öffentlichen Defiziten (zuletzt 11% des BIP) zu begegnen. Damit soll das Ziel erreicht werden, die öffentlichen Ausgaben innerhalb der nächsten vier Jahre um 25% zu senken.

Dieser geplante Einschnitt geht weiter als das Reformprogramm Maggie Thatchers. Dieses Programm muß diesbezüglich als sehr ambitioniert klassifiziert werden. Werfen wir einen Blick auf einige Bausteine:
  • Die Mehrwertsteuer wird per 2011 von aktuell 17,5% auf 20,0% angehoben. Das bringt kurzfristige Einnahmeerfolge

  • Eine Bankenabgabe soll 2 Mrd. GBP pro Jahr bringen. Hier hatte der Markt ein höheres Volumen erwartet. Die Lobbyarbeit (oder (un)zulässige Einflußnahme?) der City ist offensichtlich erfolgreich, das ist bedauerlich. Aggressive und uneinsichtige oder sogar renitente Täter von "gestern" werden zu sehr geschont!

  • Sozialleistungen sollen an ein anderes Inflationsbarometer angebunden werden. Das hat doch Charme (Ironie!)! Hier lernen die Briten offensichtlich von der US-Boskin Kommission (Weichspülung der Verbraucherpreise Anfang der 90er - oder die Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersen in der US-Statistik!). Jetzt wird es im Vereinigten Königreich das Zwei-Klassen-Inflationsbarometer geben. Geht’s einem dreckig, bekommt er/sie auch noch einen Inflationsmalus …

  • Öffentliche Gehälter sollen zwei Jahre eingefroren werden. Das ist in Restrukturierungen ein gängiges Modul und erfordert hier keine weitere Kommentierung.

  • Das Rentenalter wird auf 66 Jahre heraufgesetzt. Wenn die Leute älter werden, muß eben auch länger gearbeitet werden. Das ist logisch und konsequent!

  • Der steuerliche Freibetrag wird deutlich erhöht, um untere Einkommensschichten zu unterstützen. Das ist fair, Armut in England ist schließlich deutlich unangenehmer zu ertragen als in Deutschland …

Sofern diese Reform stringent durchgesetzt wird, steht eine Gesundung der Finanzen über den anvisierten Zeitraum wenig im Wege.

Fraglos haben die Maßnahmen einen dämpfenden Einfluß auf das Wachstum. Ob die marginalen Anpassungen der Prognosen für 2010 (von 1,3% auf 1,2%) und 2011 (von 2,6% auf 2,3%) der britischen Regierung hier ausreichen, sei dahin gestellt. Hier gilt die Regel, je höher der kurzfristige Schmerz, desto größer die später anhaltende Freude!

Fakt ist, daß die Schritte mutig sind. Mutige Reformschritte hatten aus der historischen Betrachtung heraus bisher regelmäßig zu Erfolgen geführt.

Was für Griechenland gelten wird, wird auch für das Vereinigte Königreich nicht zu negieren sein!

An dieser Stelle sei jedoch die Diskrepanz zu Deutschland aufgezeigt. Im Gegensatz zu Großbritannien ist Deutschland ein Produktions- und weniger ein Dienstleistungsland. Die Betrachtung der deutschen Defizitlage mit jetzt wieder zunehmendem Steueraufkommen und zuvor hoher Stabilität (-3,3% des BIP per 2009!) zeigt, daß das die Struktur der britischen Wirtschaft einer Überholung in Richtung eines erhöhten Kapitalstocks (Produktion) bedarf. Dann klappt das auch noch zusätzlich mit der Rückführung der Außenhandelsdefizite … da fehlen nicht nur Maßnahmen, sondern da mangelt es an politischem Bewußtsein in London … nun denn ….

Laut Griechenlands Regierung (Handelsblatt heutige Ausgabe) könne Griechenland die Wirtschaftskrise schneller hinter sich lassen als bisher unterstellt. Wachstum stünde ab Mitte 2011 wieder auf der Agenda.

Das BIP sei im 1. Quartal um 2,5% geschrumpft, weniger als erwartet. Die privaten Investitionen gingen weniger rapide zurück, die griechischen Exporte steigen, der Einzelhandel verzeichne Zuwächse. In einigen Bereichen der Wirtschaft kehre Zuversicht zurück.

Vor diesem Hintergrund bestünde begründete Hoffnung, auch das laufende Jahr besser abzuschließen als zuvor angenommen.

Voraussichtlich werden nun unsere "Freunde" in London und New York, aber auch einige Kollegen in Frankfurt, betonen, daß es sich ja nur um Hoffnungen handelt und das sei ein zu dünnes Brett, um darin zu bohren. Die aktuellen Daten, auf die sich die Regierung bezieht, sind jedoch keine Hoffnungen, sondern es handelt sich um Fakten. Das Reformprigramm zieht! Unsere "Freunde" in New York, London oder Frankfurt haben in der jüngeren Vergangenheit bezüglich Griechenland und Südeuropa die Extremsituation analytisch so behandelt, als wäre es eine Normalsituation. Solche Übungen führen zumeist zu Fehlprognosen. "Food for thought!"


Wenden wir uns den gestern veröffentlichten Daten zu:

Der deutsche IFO-Index eröffnete den Datenreigen und lieferte per Juni eine handfeste Überraschung. Der Index sank nicht wie vom Markt erwartet von 101,5 auf 101,2 Punkte, sondern der Index legte von 101,5 auf 101,8 Zähler zu und markierte damit den höchsten Stand seit Mai 2008.

Hier ist eine Rückblende erforderlich. Im Mai 2008 erfreute man sich in der Finanzelite und dem Finanzmarkt (ex Bremer Landesbank) noch an den Hobbys, einerseits die Krise zu ignorieren ("The crisis is contained" - Bernanke/Trichet) und andererseits etwas leichtere Konjunkturdaten nicht in den Fokus zu rücken.

Heute bemühen sich dagegen viele Teile des Finanzmarkts (ex Bremer Landesbank) als auch der Elite, die positiven Daten zu ignorieren und eine Krisendefizitdebatte zur Unzeit loszutreten (vor 12 Monaten wäre der richtige Zeitpunkt gewesen – siehe Forex Report vom 22.6.2010). "What a funny old world…!"

Im IFO Index legte die Bewertung der aktuellen Lage von 99,4 auf 101,1 Punkte zu. Die Prognose war bei 100,0 Zählern angesiedelt.

Dagegen sank die Einschätzung der zukünftigen Situation von 103,7 auf 102,4 Zähler. Die Prognose stellte sich im Vorwege auf 102,7 Punkte.

Hier ergibt sich eine Annäherung der beiden Subindices auf hohem Niveau. Vor dem Hintergrund des gerade sukzessive anspringenden Investitionsgüterzyklus bietet sich unverändert nach vorne schauend Aufwärtspotential für den Index.
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Die Leistungsbilanz der Eurozone offerierte per April ein unerwartetes Defizit in Höhe von -5,1 Mrd. Euro auf saisonal bereinigter Basis nach zuvor +1,5 Mrd. Euro per März (revidiert von +1,7 Mrd. EUR).

Nach überwiegend Defiziten in der Krisenphase ergab sich hier zuletzt eine Normalisierung (siehe Chart). Diesbezüglich messen wir dem Aprilwert keine zu große Bedeutung bei.

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Aus den USA folgte der Absatz bereits zuvor genutzter Wohnimmobilien per Mai. Hier kam es zu einem Rückgang von 5,79 (zuvor 5,77) auf 5,66 Mio. Objekte in der annualisierten Darstellung. Die Prognose lag bei 6,12 Mio. Objekten. Durch den Wegfall des steuersubventionierten Erwerbs steht Ernüchterung auf der Agenda. Ohne Papa Staat läuft in den USA wenig. "Food for thought!" Der langfristige Chart belegt die unbefriedigende Situation am Wohnimmobilienmarkt eindrucksvoll.

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Der "Richmond Fed Manufacturing Survey" sank per Juni von zuvor 26 auf 23 Punkte. Das Niveau signalisiert unverändert Expansion.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD leicht favorisiert. Ein Überwinden des Widerstands bei 1.2670 - 1.2700 eröffnet erhöhte Aufwärtsdynamik. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2080 - 1.2110 neutralisiert den leicht positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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