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Ohne Wen(n) und Aber

21.05.2012  |  Eugen Weinberg
Die Äußerungen des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao, welcher der "Wachstumsstabilisierung“ stärkere Priorität einräumen will, haben zumindest für eine Stabilisierung der Rohstoffpreise gesorgt. Wenn auch diese Äußerungen den Marktteilnehmern vor Augen führen sollten, dass es letztendlich auf die physische Nachfrage ankommt, dürfte der Markt weiter von Euro-Sorgen überlagert bleiben und ihnen eine größere Bedeutung beimessen.


Energie

Die Ölpreise können sich zum Wochenauftakt leicht erholen, nachdem sie am Freitag auf den niedrigsten Stand in diesem Jahr gefallen waren. Es wäre daher nicht verwunderlich, falls es seitens der spekulativen Finanzanleger zu ersten Käufen kommt. Diese haben ihre Netto-Long-Positionen bei Rohöl in den vergangenen Wochen deutlich reduziert und damit maßgeblich zum Preisrückgang beigetragen. Die Netto-Long-Positionen von WTI fielen in der Woche zum 15. Mai laut CFTC um 5,5 Tsd. auf 123.616 Kontrakte, was dem niedrigsten Stand seit September 2010 entspricht. Die ICE-Daten für Brent dürften heute Mittag ein ähnliches Bild zeigen. Diese befanden sich trotz des Rückgangs zuletzt noch immer auf einem vergleichsweise hohen Niveau.

Auch bei US-Benzin und US-Heizöl kam es der CFTC zufolge zu einem weiteren Abbau der spekulativen Netto-Long-Positionen. Bei US-Erdgas verringerten sich die spekulativen Netto-Short-Positionen in derselben Berichtswoche um weitere 13,8 Tsd. auf ein 3-Monatstief von 62.431 Kontrakten. Der Preisanstieg bei US-Erdgas der vergangenen Wochen auf ein 3½-Monatshoch von 2,75 USD je mmBtu ist somit maßgeblich auf die Eindeckung von Short-Positionen zurückzuführen. Am Wochenende hat die umgekehrte Seaway-Pipeline ihren Betrieb aufgenommen. Die Durchleitung dauert knapp zwei Wochen. Sichtbare Auswirkungen auf die US-Lagerbestände sind daher frühestens in der nächsten Woche zu erwarten.


Edelmetalle

Gold konnte am Freitag erstmals seit längerem dem allgemeinen Markttrend trotzen und auf 1.600 USD je Unze steigen. Scheinbar erachten die ersten Marktteilnehmer das niedrigere Preisniveau als Kaufgelegenheit, zumal die wichtige Unterstützungszone im Bereich von 1.525 USD je Feinunze gehalten hat. Dies zeigt sich auch in ETF-Zuflüssen. Der weltgrößte Gold-ETF, SPDR Gold Trust, verzeichnete in den vergangenen beiden Handelstagen einen Anstieg seiner Goldbestände um 6,3 Tonnen. Zudem dürften auch die ersten spekulativen Finanzanleger wieder auf steigende Goldpreise setzen, nachdem die Netto-Long-Positionen in der Woche zum 15. Mai um weitere 10 Tsd. auf 80.098 Kontrakte abgebaut wurden, was dem niedrigsten Niveau seit Dezember 2008 entspricht.

Wir erachten den jüngsten Preisrückgang angesichts weiterhin negativer Realzinsen und der ungelösten Staatsschuldenkrise in der Eurozone als fundamental nicht gerechtfertigt. Sobald die Marktbereinigung bei den spekulativen Anlegern abgeschlossen ist, dürfte der Goldpreis seinen Aufwärtstrend wieder aufnehmen. Allerdings ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, das Ende der Korrektur auszurufen. Ein Überwinden der Marke von 1.600 USD wäre ein wichtiges Signal hierfür. Die spekulativen Netto-Long-Positionen bei Palladium fielen auf das niedrigste Niveau seit Anfang 2007, was ebenfalls für eine technische Erholung spricht.

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Industriemetalle

Die Metallpreise reagieren heute auf die Äußerungen von Wen Jiabao positiv und erholen sich auf breiter Front. Dies sehen wir als Zeichen dafür, dass der Markt hauptsächlich von den externen Faktoren geprägt wird und sich weniger an der Fundamentalsituation orientiert. Die chinesische Stahlproduktion hat nach Angaben des Chinesischen Eisen- und Stahlverbandes CISA in den ersten zehn Tagen im Mai einen neuen Rekord von 2.045,3 Tsd. Tonnen Stahl täglich aufgestellt bzw. 1,3% mehr als im April. Der Produktionsanstieg im Vergleich zu den Vorjahren beeindruckt - zurzeit werden täglich 9% mehr Stahl produziert als durchschnittlich im Gesamtjahr 2011 bzw. 19% mehr als in 2010 bzw. 32% mehr als in 2009.

Der Anstieg mag angesichts der derzeitigen Nachfageschwäche überraschen, lässt sich allerdings genau damit erklären. Denn auch die Eisenerzpreise markieren gerade die Jahrestiefststände bei 131,3 USD je Tonne - in einem Monat sind die Eisenerzpreise um 12% gefallen -, was auf einen weiteren Rückgang der Stahlpreise hindeutet. Die Stahlproduzenten wollen vermutlich deshalb ihre Restbestände an Eisenerz "veredeln" und anschließend "versilbern". Auch anderswo bleibt die Stahlproduktion robust: So hat z.B. der indische JSW Steel für April einen Anstieg der Stahlproduktion um 35% im Jahresvergleich auf 750 Tsd. Tonnen berichtet. Wir glauben, dass eine Bodenbildung bei Stahl ohne nennenswerte Produktionskürzungen unwahrscheinlich ist.


Agrarrohstoffe

Die Notierungen für Weizen in Chicago sind seit Mitte letzter Woche um einen US-Dollar gestiegen und notieren am Morgen erstmals seit acht Monaten über der Marke von 700 US-Cents je Scheffel. Aus fundamentaler Sicht dürften dafür vor allem die bedenklichen Wettermeldungen aus wichtigen Anbaugebieten in den US-Plains und dem Mittleren Westen verantwortlich sein. Lange galten die Bedingungen für die Entwicklung des Winterweizens als sehr gut. Inzwischen allerdings machen die Hitze und trockenen Winde den Pflanzen zu schaffen, was die heute zur Veröffentlichung anstehenden USDA-Einschätzungen zum Entwicklungsfortschritt wohl einmal mehr verdeutlichen werden. Hinzu kommt, dass es in den südlichen Teilen Russlands zu trocken ist und Wetterprognosen auch für die nächste Zeit keine Entspannung erwarten lassen.

Anpassungen der Ernteprognosen nach unten werden bereits angekündigt. Wenig hilfreich ist außerdem, dass es in Australien trockenheitsbedingt zu Verzögerungen bei der Weizenaussaat kommt. Begünstigt werden dürfte die Preisbewegung nach oben dadurch, dass die spekulativen Anleger ihre auf fallende Preise setzenden Positionen in der Woche zum 15. Mai nochmals ausgebaut hatten. Diese erreichten mit über 55 Tsd. Kontrakten ein Niveau wie zuletzt im Juni 2010. Es ist wahrscheinlich, dass es angesichts der Nachrichtenlage zu einer Eindeckung von Short-Positionen gekommen ist, welche die Preise nach oben getrieben hat.




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