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Euro weiter unter Druck - Griechenland-Bonds und Tender (noch) im Fokus!

30.06.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute bei 1.2215 (07.45 Uhr), nachdem im gestrigen europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.2152 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 88.50. In der Folge notiert EUR-JPY bei 108.10, während EUR-CHF bei 1.3215 oszilliert.

Der Euro bleibt unter Druck. Die Kapitalsammelstellen sind durch die Entscheidung der Ratingagenturen (mit US- oder angelsächsischem Hintergrund), Griechenlands Bonitätsstatus unterhalb des "Investment-Grade" anzusiedeln, gezwungen diese Bonds per 30.06.2010 abzustoßen. Das System der EZB, unter anderem die Deutsche Bundesbank sind hier die aktuellen Aufkäufer.

Es stellt sich einmal mehr die Frage, wie smart Ratingagenturen (… und auch die Marktteilnehmer …) eigentlich sind. In der Phase, als sich die Budgetsituation Griechenlands und des Rests der Welt massiv eintrübte, also per 4. Quartal 2008 - 2. Quartal 2009 hörte man von diesen Veranstaltungen diesbezüglich ein lautes Schweigen. Im ersten Halbjahr 2010 überschlägt man sich dann mit Herabstufungen Griechenlands und anderer europäischer Länder und vergißt die USA zu inkludieren, die bockig bis 2020 weiter massive Defizite anhäufen wollen und Griechenlands aktuellen Verschuldungsstatus dann massiv in den Schatten gestellt haben werden.
  • Man stuft europäische Länder ab, obwohl bekannt und unumstritten ist, daß die Fiskallage der Konjunkturlage folgt. Seit dem 2. Quartal 2009 erholt sich die Weltwirtschaft und wächst aktuell mit einem Clip von mehr als 4% (für Ratingagenturen und andere Profis unerwartet …).

  • Man stuft herab, obwohl die Reformprogramme, die für Südeuropa aufgelegt wurden, die stringentesten seit Gründung der EU sind.

  • Die jüngsten positiven überraschenden Nachrichten aus Griechenland, die eine schnellere Gesundung implizieren, bleiben von diesen Veranstaltungen ignoriert! Hier drängt sich der Eindruck auf, daß diese Agenturen "Nacherzählungen" liefern oder anders ausgedrückt: Sie liefern Anpassungen der Benotung zu den unpassendsten Gelegenheiten. Chapeau! Das Ungemach an Finanzmärkten, daß durch Nacherzählungen geliefert wird, ist erheblich und belegt die Notwendigkeit einer Anpassung des Finanzsystems an belastbarere Funktionalitäten als die gegenwärtig obwaltenden.

Fakt ist, daß mit dem heutigen tag, die Bereinigung bei den Kapitalsammelstellen abgeschlossen ist und damit dieser Belastungsfaktor für den Euro ausfällt, da er von dem System der EZB absorbiert wurde.

Die Bewertung Griechenlands an den CDS (Credit Default Swap) Märkten spiegelt derzeit den Verkaufsdruck der Kapitalsammelstellen per 30.6 und nicht die realen überraschend positiven Fortschritte bei den Reformen. Das wird deutlich an der Divergenz zu den Entwicklungen Spaniens und Portugals, die beide weiter im "Investment Grade" Bereich liegen.

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Vor dem Hintergrund der Reformen und der ersten überraschenden Erfolge schließen wir nicht aus, daß dieses Ankaufprogramm des Systems der EZB sich im Laufe der nächsten zwei Jahre als größter Finanzerfolg der EZB herausstellen wird.

Es bleibt noch ein zweiter Belastungsfaktor. Der Markt ist verunsichert, daß der Jahrestender, der am 1. Juli in einem Volumen von 440 Mrd. Euro fällig wird, die Liquiditätslage in der Eurozone belasten könnte.

In der Tat ist das Volumen massiv und darf derartige Gedanken auf ersten Blick forcieren. Die Betonung liegt auf dem ersten Blick. Die Einlassungen seitens der EZB sind eindeutig. Es wird auch nach dem 1. Juli nicht zu Liquiditätsengpässen kommen. Es gibt keinen Grund, der EZB diesbezüglich Mißtrauen entgegen zu bringen. Der historische "Trackrecord" der EZB liefert hier eine saubere Weste.

Den Vorständen der europäischen Banken sei zugerufen, daß die restriktive Kreditlinienpolitik, die derzeit immer noch gelebt wird, zum Thema "Nacherzählung" der Ratingagenturen paßt. Es ist nicht notwendig sinnvoll, morgens bei der EZB Liquidität abzuholen und abends 200 Mrd. Euro (zuletzt sogar 300 Mrd. Euro) der EZB wieder einzustellen. Derartige Geschäftsmodelle sind nach meinem Verständnis wenig lukrativ und volkswirtschaftlich sinnlos. Ein derartiges Verhalten paßt auch nicht zu der Lernkurve aus dieser Krise, in der systemisches Risiko nicht zugelassen wurde.

Es paßt aber leider in ein Bild, daß die Wahrnehmung der volkswirtschaftlichen Funktionen des Bankensektors in Frage stellt. Eine Neuausrichtung zu einer angemessenen Risikopolitik ist sachlich mehr als geboten! Eine Neuausrichtung ist auch geboten aus Respekt vor der Interventionsbereitschaft seitens der Zentralbanken und Regierungen im Rahmen dieser Krise oder nimmt die internationale Bankengemeinschaft derartige Hilfen nur wie einen Seifenspender in Anspruch?


Wenden wir uns kurz den Wirtschaftsdaten zu:

Der "Business and Consumer Survey" der Eurozone lieferte per Juni eine positive Überraschung. Es kam zu einem Anstieg von zuvor 98,4 auf 98,7 Punkte. Erwartet war ein Rückgang auf 98,2 Zähler. Einmal mehr war der Devisenmarkt bemüht und schlußendlich erfolgreich, positive Entwicklungen in der Eurozone zu ignorieren.

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Der S&P Case/Shiller Hauspreisindex profitierte per April noch einmal von der auslaufenden steuerlichen Subventionierung. Im Monatsvergleich ergab sich ein Anstieg um 0,2% (Prognose 0,1%). Im Jahresvergleich lag die Zunahme bei 3,8% (Prognose 3,4%).

Der Blick auf den Chart belegt, daß die Anstiege der Immobileinpreise auf keinen Fall den Begriff „spektakulär“ verdienen. Das Preisniveau ist und bleibt Krisenniveau!

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Das Verbrauchervertrauen nach Lesart des „Conference Board“ belegte ein hohes Maß an Volatilität. Es kam zu einem Einbruch von 62,7 auf 52,9 Punkte. Damit wurde der Anstieg des Vormonats ausgehend von 57,7 Zählern mehr als konterkariert. Wir nehmen diese Geräusche des "Conference Board" zur Kenntnis.

Wir verweisen darauf, daß die Konjunkturängste bezüglich Chinas maßgeblich vom "Conference Board" der USA geschürt wurden, die einen Frühindikator Chinas revidierten. Vorsicht ist bei der Interpretation dieser Datencocktails des "Conference Board" geboten!

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD leicht favorisiert. Ein Überwinden des Widerstands bei 1.2670 - 1.2700 eröffnet erhöhte Aufwärtsdynamik. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2080 - 1.2110 neutralisiert den leicht positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



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