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Brüsseler Treffen mit Agenda, aber auch mit Dissens - IFO und Markit im Fokus!

24.05.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.44 Uhr) bei 1.2580, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im US-Handel bei 1.2546 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.50. In der Folge notiert EUR-JPY bei 100.00, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Der Euro hat gestern in Folge der Notfallplanungen für einen möglichen Ausstieg Griechenlands an Boden verloren und die wichtige Unterstützung bei 1.2600 durchbrochen. Die Bewertung des Euros ist derzeit primär politisch geprägt. Dieser Druck wird voraussichtlich bis zur Wahl in Griechenland anhalten.

Hinsichtlich der historisch hohen "Shortpositionierung" gegen Kontinentaleuropa ist die Dynamik der Schwäche nach dem Bruch der Unterstützung bei 1.2600 bisher unausgeprägt.

(Reuters) - Die EU ist tief gespalten in der Frage, wie Europa aus der Schuldenkrise kommen soll. Dieses Statement trifft nicht den Kern und ist irreführend. Es gibt eine breite Agenda der Übereinstimmung für eine Implementierung von Wachstumspolitiken. Der Dissens liegt maßgeblich bei den Themen Eurobonds, der Rolle der EZB und der direkten Bankenfinanzierung durch ESM.

Auf dem am Donnerstag morgen beendeten informellen Treffen in Brüssel brachten die 27 Staats- und Regierungschefs völlig unterschiedliche Konzepte vor. Wie zuvor angekündigt, wurden keine Entscheidungen getroffen.

Auch der Streit über Euro-Bonds wurde vertagt. So ist es - das wird auch weiterhin der Fall sein. Es bedarf Veränderungen der nationalen Gesetzgebungen in erheblichem Umfang, um den Eurobond rechtlich sauber aufzusetzen. Der Fiskalpakt ist darüber hinaus zwingende Voraussetzung. Der Eurobond wird kommen, es wird aber dauern. Dieses Thema ist voraussichtlich kein Thema, das kurzfristige Realisierungschancen hat.

Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kündigten nach dem Treffen aber an, dass man auf dem EU-Gipfel Ende Juni eine Einigung erreichen und ein Wachstumspaket schnüren werde. Das ist positiv und es ist wichtig.

In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigte die EU zudem den Wunsch, dass Griechenland Teil der Euro-Zone bleiben solle, aber die eingegangenen Reformverpflichtungen erfüllen müsse. Dieser Standpunkt ist grundsätzlich richtig. Anpassungen in der zeitlichen Umsetzung sind voraussichtlich möglich. Die gestrige Debatte über Vorbereitungen eines Ausstiegs Griechenlands, die sich äußerst negativ auf Risikoaktiva und den Euro auswirkte, sind als Notfallplanung zwingend erforderlich. Das Risiko eines Ausstiegs Griechenlands sehe ich jedoch nur bei circa 20%.

Bei dem informellen Abendessen wurden unterschiedliche Politik-Ansätze deutlich: Merkel betonte nach dem Gipfel, dass man drei Bereiche identifiziert habe, um Wachstum zu stimulieren. Hier sind wir also bei der Agenda, die eine realistische Chance der Umsetzung hat. Dazu gehörten strukturelle Reformen etwa auf dem Arbeitsmarkt, die Vollendung des Binnenmarktes und zusätzliche Wachstumsimpulse. Sie verwies dabei auf die Initiative von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Dieser hatte bei dem Treffen ankündigt, dass aus bestehenden EU-Mitteln über sieben Milliarden Euro für die Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in acht Staaten mobilisiert werden sollen.

Sowohl Merkel als auch Hollande schlugen eine Stärkung der Europäischen Investitionsbank (EIB) und sogenannte Projektbonds vor, mit denen zusätzliche private Investitionen durch EU-Garantien für Infrastrukturprojekte aktiviert werden sollen. Allerdings warnte die Kanzlerin, dass dieses neue Finanzierungsinstrument nur in den südlichen EU-Staaten sinnvoll sei.

Einhellig betonten die Regierungschefs, dass der stärkere Fokus auf Wachstum keine Abkehr von der Haushaltskonsolidierung der hochverschuldeten EU-Staaten bedeute. Auch Frankreichs neuer Präsident bekannte sich zu dem Ziel, das französische Etat-Defizit bis Ende 2013 auf drei Prozent zu senken.

Was lässt sich nach diesem Treffen sagen? Europa macht Strukturreformen - Europa wendet sich Wachstumspolitiken zu, die maßgeblich strukturell wirken und Potentialwachstum positiv beeinflussen. Was machen USA und Japan …? Richtig, nichts als eine Fortsetzung hoher konsumtiver Verschuldung ohne Reformansatz oder Ziel führender Diskussion. Ist die Bewertung am Finanzmarkt wirklich effizient?

Heute erwarten wir die Einkaufsmanagerindices von Markit und den IFO-Index. Die Divergenz bezüglich Deutschlands war zuletzt ausgeprägt und historisch einmalig. Wir werden uns morgen mit diesem Thema dezidiert auseinandersetzen.

Werfen wir einen kurzen Blick auf Deutschland, das historisch begünstigt ist durch die Spekulation gegen die europäischen Reformländer (mit Ausnahme des UK).

  • Gestern hat die Bundesfinanzagentur zweijährige Schatzanweisungen mit einem Zinskupon von 0,00% begeben. Die Rendite lag für Investoren bei 0,07%.
  • Der Euro hat den tiefsten stand seit 2010 markiert.

Beide Effekte unterstützen den deutschen Erfolg. Beide sind jedoch nicht Folge einer sachlichen Diskontierung der deutschen Situation, sondern es sind „Geschenke“ der Reformländer an Deutschland , für die die Reformländer teuer bezahlen. Das sollte in Berlin und in Deutschland beider Frage der Solidarität gegenüber den Reformländern nicht vergessen werden.

Kommen wir zu den Fakten:

Das deutsche BIP legte per 1. Quartal 2012 um 0,5% im Quartalsvergleich zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 1,7%. Bruttoanlageinvestitionen sanken im Quartalsvergleich um -1,1% (Jahresvergleich +0,9%). Der private Konsum verzeichnete eine Zunahme um +0,4% im Quartalsvergleich und +1,8% im Jahresvergleich. Der Staatskonsum legte im Quartalsvergleich um +0,2% und im Jahresvergleich um +1,9% zu. Der Wachstumsbeitrag des Außenhandels stellte sich im Quartalsvergleich auf +0,9%.

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Zu diesen Daten passt dann auch die gestrige Einlassung des Industrieverbands HDB. Für das
deutsche Bauhauptgewerbe erhöht der Verband die reale Wachstumsprognose von bisher 1,0%
auf 2,0% (nominal 4%).

Die Leistungsbilanz der Eurozone lieferte per Berichtsmonat März einen Überschuss in Höhe von 9,1 Mrd. Euro. Der Vormonatswert wurde von -*1,3 Mrd. Euro auf -1,2 Mrd. Euro revidiert. Derartige Rahmendaten sind weder in den USA noch in Großbritannien ansatzweise realistisch.

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Der Absatz neuer Wohnimmobilien in den USA stellte sich in der annualiserten Fassung auf 343.000 nach zuvor 332.000 (revidiert von 328.000). Die Prognose lag bei 335.000. Der Blick auf den langfristigen Chart bleibt ernüchternd.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.2820 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!



© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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