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"Crescendo" gegen die Eurozone, aber "per aspera ad astra …!"

14.06.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.2575, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im amerikanischen Handel bei 1.2610 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.45. In der Folge notiert EUR-JPY bei 99.90, während EUR-CHF bei 1.2012 oszilliert.

Das war ein Tag! Ich hatte gestern das Vergnügen in Berlin mit Chefvolkswirten und einem wichtigen Vertreter des Finanzministeriums in einen Gedankenaustausch zu gehen. Es hat Freude gemacht, auch einmal sachlich über die Eurozone zu reden und nicht solitär der "Anti-Eurozone Propaganda" aus London und New York ausgeliefert zu sein.

Ohne auf Details des Austausches einzugehen, sehen Sie mich trotz der neuesten Wendungen in stabiler und zuversichtlicher Verfassung. Die normative Kraft des Faktischen setzt sich grundsätzlich immer durch - der Zeitpunkt lässt sich jedoch nicht genau fixieren.

Die normative Kraft des Faktischen pro Eurozone und Europa beginnt in der nachhaltigen Reformpolitik, die nicht auf kurzfristige Irritationen der Finanzmärkte reagiert. Dabei spielt die deutsche Politik eine determinierende Rolle.

Die normative Kraft des Faktischen ist definiert durch Reformerfolge, die derzeit weder von Märkten noch von der Fernsehelite der deutschen Ökonomen/Analysten/Marktbeobachter als auch den Medien thematisiert werden:

  • Neutralisierung der strukturellen Haushaltsdefizite,
  • Reduktion der Defizite der Waren- und Dienstleistungsbilanz,
  • Erhöhung der Potentialwachstumsraten

Sie ist definiert durch Spitzenwerte bei der Neuverschuldungswerten von circa 3% der Eurozone gegenüber 8% -10% in den USA, UK und Japan. Sie ist charakterisiert durch 87% Gesamtverschuldung gegenüber 105% der USA und 230% Japans oder mehr als 90% des UK. Sie ist unterstützt durch die Tatsache, dass die Neuverschuldung der Eurozone nicht nur massiv geringer ausfällt, sondern auch eine völlig andere Qualität hat. Während die NVS in den USA und Japan maßgeblich konsumtiv ist, ist die NVS der Eurozone dank Reformpolitik tendenziell investiv.

Alle diese Aspekte der normativen Kraft des Faktischen so vollständig auszublenden, schaffen nur "unsere Freunde". Das haben sie schon mehrmals bewiesen, als diese Mädels und Jungs uns eine "Cash Burn Rate" am Neuen Markt schmackhaft machten oder uns neue Paradigmen Alan Greenspans billig feil boten oder uns schlussendlich mit MBS beglückten und damit unglaublichen Schaden anrichteten.

Es ist an der Zeit sich von diesen Protagonisten und ihren europäischen Enklaven zu emanzipieren. Ansonsten drohte in der Tat noch größeres Unheil.


Was haben "unsere Freunde" denn nun "angestellt":

Die Ratingagentur Moody's stuft die Kreditwürdigkeit Spaniens nach dem Hilfsantrag deutlich schlechter ein. Die Bonitätswächter bewerten das südeuropäische Land nach Angaben vom Mittwoch nun mit Baa3 und damit drei Stufen schlechter als zuvor.

Damit bewegt sich Spanien auf der untersten Stufe des "Investment Grade" und laut Herrn Koch von n-tv unterhalb der Bonität Ugandas bei einer Staatsverschuldung von 70% (USA 105%), bei stringenten Reformprogrammen, bei Solidarität im Rahmen der Abschirmungen für die Eurozone, die eine kurzfristige Insolvenz förmlich ausschließt, bei einer Reduktion der Waren- und Dienstleistungsbilanzdefizite um mehr als 80% seit 2007.

Die Umsetzung der Rettungspläne für die maroden Banken würden den Schuldenstand Spaniens weiter erhöhen, hieß es zur Begründung. Ja, falls die 100 Mrd. in Anspruch genommen würden, läge der Schuldenstand bei knapp 80% und damit unterhalb des deutschen Werts von 81%. Nach der Kapitalisierung wären die Banken übrigens nicht mehr marode …

Moody's prüft eine weitere Herabstufung. Wir sind gespannt oder ist die Entscheidung schon längst gefallen? Diese könnte in den kommenden drei Monaten erfolgen.
Na denn mal los … (Ironie …)

Wenden wir uns dem Thema Italien zu. Italien wird als nächster Kandidat für Kapitalmarktunfähigkeit gehandelt: Unsere Kollegen in London und NY geben sich alle Mühe über Märkte Fakten zu schaffen.

  • Italien Staatsverschuldung: 120% des BIP (D 81%, USA 105%, Japan 230%)
  • Zunahme seit 1999: 6% des BIP (D circa 30% des BIP, USA circa 50% des BIP)
  • Neuverschuldung 2012: Circa 1,5% - 2,0% des BIP (D 1,2%, USA 9% - 10%)
  • Qualität der NVS: Investiv (USA, Japan konsumtiv)
  • Reformpolitik: Ja, nachhaltig (USA und Japan keine Reformpolitik)
  • Veräußerbares Staatsvermögen (im internationalen Vergleich hoch) deckt die Staatsverschuldung (1.800 Mrd. versus 1.860 Mrd.) weitgehend, damit solider Status.

Dank der spekulativen Attacken wird der Reformprozess Italiens und der weiteren Reformländer massiv gestört, da die öffentlichen Haushalte durch erhöhte und unangemessen hohe Zinsen belastet werden. (Reuters) - Italien hat den Kapitalmarkt erfolgreich angezapft, muss den Anlegern aber eine so hohe Renditen bieten wie seit Dezember nicht mehr. Das hoch verschuldete Land sammelte am Mittwoch 6,5 Milliarden Euro ein. Die durchschnittliche Rendite für einjährige Papiere stieg auf 3,97 Prozent. Bei der vorigen Emission lag der Zins nur bei 2,34 Prozent. Die aktuelle Auktion war rund 1,7-fach überzeichnet.

Das ist doch sportlich - was hat sich in Italien seit der letzten Auktion verändert ...?

Wir freuen uns, dass wir in unserer Würdigung Italiens nicht alleine stehen. (Reuters) - Italien ist nach Ansicht der Industrieländerorganisation OECD zu Unrecht im Visier der Finanzmärkte. "Es gibt keine Veränderung der Fundamentaldaten des Landes, die eine Attacke auf Italien rechtfertigen könnten", sagte der OECD-Chefvolkswirt Pier Carlo Padoan der Zeitung "Il Messagero" vom Mittwoch. Zugleich lobte der Italiener die Sparanstrengungen seines Heimatlandes. Italien gehöre zu den OECD-Staaten, die sich dem Ziel einer Stabilisierung der Schulden am stärksten angenähert hätten. Doch von den Turbulenzen um Spanien bleibe auch Italien nicht unberührt, sagte Padoan: "Lässt man den Ansteckungseffekt beiseite, waren die bislang ergriffenen Schritte zur wirtschaftlichen Erholung die richtigen." Allerdings werde Italien "harte Konsequenzen" tragen müssen, falls die Refinanzierungskosten auf Dauer auf dem derzeit hohen Niveau verharren sollten. Solidarität innerhalb der Eurozone ist im jetzigen Umfeld unverzichtbar, ansonsten wird das Paradepferd der Stabilität im Vergleich zu USA, Japan und UK auf dem Altar der Spekulation geopfert und Europa dürfte sich dann auf eine solide Unterordnung "freuen".

Es gibt aber noch mehr positive Meldungen, die der asymmetrischen Wahrnehmung zum Opfer fallen.

Berlin, 13. Jun (Reuters) - Das vom Euro-Rettungsschirm EFSF gestützte Irland ist nach Einschätzung seiner internationalen Geldgeber bei der Rückkehr auf den Kapitalmarkt auf einem guten Weg. Das Sanierungsprogramm komme gut voran, heißt es im neuen vierteljährlichen Bericht der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission, der Reuters am Mittwoch in Berlin vorlag: "Obwohl Risiken bleiben, ist Irland auf Kurs, schrittweise zu akzeptablen Zinsen an den Markt zurückzukehren."

Das spekulative "Crescendo" der Märkte, unterstützt durch die Organe des ordnungspolitischen Rahmens des US-zentrischen Finanzsystems, aus London und NY wird lauter und aggressiver. Es ist Endspielmodus. "Durch Widerwärtigkeiten zum Wahren" ist die freie Übersetzung des Sinnspruchs "per aspera ad astra". - Genau das ist der aktuelle kontinentaleuropäische Weg. Fortsetzung folgt!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.2820 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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