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Die Zuspitzung um die Eurozone nimmt zu -"Eurozone allover the place"

26.06.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.21 Uhr) bei 1.2500, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2540 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.55. In der Folge notiert EUR-JPY bei 99.45, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Zwei Entwicklungen sind derzeit augenfällig. Die Eurozone ist das bestimmende Thema ohne wenn und aber. Die Aus London und NY geschürte Erwartungshaltung eines Scheiterns des Euros in den kommenden 2 ½ Monaten mit nachfolgenden massivsten Verwerfungen im Weltfinanzsystem als auch einer schweren Rezession oder sogar Depression der Weltwirtschaft führt zu einer ansatzweisen Paralyse bei den Wirtschaftssubjekten. Ergo ergeben sich verstärkt negative Konjunkturdaten.

Der deutsche Finanzminister Schäuble hat der deutschen Bevölkerung als auch den europäischen Solidaritätsverweigerern eine Kostprobe der möglichen Konsequenzen angeboten. Im ersten Jahr nach einem Zerfall der Eurozone stünde eine Kontraktion um 10% des BIP an. 5 Millionen Arbeitslose wären zu erwarten.

Nach unseren Berechnungen ergäbe sich in diesem Umfeld eine Erhöhung der Staatsverschuldung auf mehr als 100% des BIP binnen Jahresfrist von jetzt circa 81%. Unser exportseitiges Geschäftsmodell würde uns zu den größten Verlierern auf globaler Ebene machen. Ob die Bundesfinanzagentur dann noch Mittel am Kapitalmarkt zu den aktuellen Zinssätzen aufnehmen könnte, sei mehr als dahin gestellt. Ob dann der Mittelstand in Deutschland, der 2009/2010 mit all den Interventionen knapp an der Katastrophe vorbei schrammte, dann überlebt, stünde nicht fest. Da der Mittelstand für die Zulieferungen der Großkonzerne unverzichtbar ist, ergäbe sich auch für Großkonzerne eine Überlebenskrise, die nicht nur durch Absatzeinbrüche definiert wäre.

Ob unter derartigen Umständen politische Stabilität in Deutschland gewährleistet wäre, ist diskussionswürdig. Funktionstüchtige Demokratie ist letzten Endes immer auch ein mit Wohlstand korreliertes Luxusgut. Dort wo weder Wohlstand noch Perspektive gegeben sind, degenerieren die Demokratien zu Demokraturen ...

Wir "bedanken“ uns an dieser Stelle bei den Kräften, die für die Zuspitzung der Situation durch solitäre Fokussierung auf negative Entwicklungen unter vollständiger Ausblendung der erzielten Strukturerfolge verantwortlich zeichnen.

Wenden wir uns der EZB zu. Herr Weidmann übt sich weiter in der Lehre der reinen Ordnungspolitik. Grundsätzlich hat Herr Weidmann Recht. Der Begriff "grundsätzlich“ eröffnet in der Betrachtung Ausnahmen. In Extremsituationen erzielt reine Ordnungspolitik die Wirkung einer Überdosierung eines richtigen Medikaments, das den Patienten umbringen kann (Zuckerkranker mit Überdosierung Insulin ...) Herr Weidmann, es kommt auf die Balance an!

Die Politik hat zu lange gezaudert. Man kann Weidmanns Einlassungen als verstärkten Druckaufbau gegenüber der Politik interpretieren. Die EZB ist an die Grenzen des begrenzten Mandats gekommen.

Herr Weidmann macht die EZB über seine Einlassungen zu einer berechenbaren Größe für die Spekulation gegen die Eurozone. Unberechenbarkeit ist eines der Schwerter mit denen die Fed, BoE oder BoJ ihre Währungen und Wirtschaftsräume verteidigt und die Spekulation im Zaum hält. Die Position Weidmanns eröffnet eine Asymmetrie an den Märkten, die einer Einladung der Spekulation gegen die Eurozone gleichkommt. Auch Herr Weidmann weiß, dass Politik nicht stehenden Fußes liefern kann. Ob die Verbalakrobatik zum Erhalt der Eurozone smart ist, sei dahin gestellt.

Wir freuen uns über die Einlassungen des Chefvolkswirts der BIZ bezüglich der Eurozone. Der Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Stephen Cecchetti, glaubt trotz aller Katastrophenszenarien an eine Zukunft des Euro. "Es ist sehr schwer zu sagen, wie er überleben wird. Aber ich bin mir sicher, dass es auch in zehn Jahren noch den Euro geben wird", sagte Cecchetti am Montag der Nachrichtenagentur Reuters in Basel. Nicht absehbar sei allerdings, aus welchen Ländern die Euro-Zone dann noch bestehen werde.

Sollte es Europa gelingen, die existenzielle Vertrauenskrise in die Währung zu überwinden und ernsthafte erste Schritte in Richtung einer tieferen finanzpolitischen Integration zu gehen, werde auch das Vertrauen der Investoren in den Euro zurückkehren - auch ohne Nothilfe in letzter Sekunde durch die Zentralbanken, gab sich Cecchetti zuversichtlich. "Die politische Unterstützung Europas für das Projekt Euro ist ausreichend." Die Stellung des Euro als zweitwichtigste Reservewährung der Welt sieht er nicht in Gefahr: "Sie haben den Euro geliebt und ihre Liebe zum Euro wird wieder kommen."

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.2820 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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