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What a difference a day made!

02.07.2012  |  Eugen Weinberg
Ob sich die Euroländer mit den überraschenden Beschlüssen vom EU-Gipfel letzte Woche nicht ein Ei ins Nest gelegt haben, wird sich noch herausstellen. Auf jeden Fall hat die europäische Politik den Schulterschluss und die Bereitschaft gezeigt, unkonventionelle Wege zu gehen. Das hat auch der Rohstoffmarkt mit massiven Preisaufschlägen honoriert, wobei der breitangelegte Rohstoffindex S&P GSCI den stärksten Tagesanstieg seit der Befreiungsrallye im April 2009 verzeichnet hat. Der wesentliche Grund dürfte ähnlich sein, nämlich eine allgegenwärtige Skepsis. Außerdem dürfte das Quartalsende mit der üblichen Bilanzkosmetik dazu beigetragen haben. Wir stellen fest, dass sich zwar die Fundamentaldaten zuletzt nicht geändert haben und weiter schwach bleiben. Dafür hat sich aber die Stimmung aufgehellt, und das ist schon viel wert.


Energie

Im Vorfeld des EU-Gipfels sind die Netto-Long-Positionen der Finanzanleger bei WTI an der NYMEX erstmals seit September 2010 knapp unter 100 Tsd. Kontrakte gefallen. Die skeptische Haltung der Spekulanten erklärt auch teilweise das Ausmaß des Preisanstiegs am Freitag, als der WTI-Ölpreis um fast 10% und damit so stark wie zuletzt im sehr volatilen Frühjahr 2009 gestiegen ist. Allein mit den Fundamentaldaten ist die jüngste Stärke nicht zu begründen, weil die Nachfrageseite weiterhin schwach bleibt. Die Einkaufsmanagerindizes (PMI) aus Europa sind allesamt auf dem Rezessionsniveau unter 50 geblieben und auch der chinesische PMI fiel erneut zurück.

Da jedoch die Gründe für den vorherigen Preisrückgang vermehrt psychologischer Natur gewesen sind, könnte die Preiserholung bei Energieträgern länger als von vielen erwartet anhalten. Außerdem hat der Markt die Risiken auf der Angebotsseite bislang vernachlässigt. Diese dürfte mit dem Importverbot für das iranische Rohöl nach Europa und den US-Sanktionen diese Woche verstärkt in den Fokus rücken.


Edelmetalle

Im Zuge der EUR-Stärke bzw. der USD-Schwäche und der Euphorie an den Rohstoffmärkten stieg auch Gold am Freitag zwischenzeitlich um rund 3% und damit über die Marke von 1.600 USD je Feinunze. Die anderen Edelmetalle, die sich meist volatiler als Gold verhalten, legten teilweise noch stärker zu - im Falle von Silber und Platin um jeweils mehr als 4%. Da der Preisanstieg nicht mit ETF-Zuflüssen einherging - im Gegenteil, der SPDR Gold Trust verzeichnete am Freitag sogar Abflüsse von gut 2 Tonnen -, dürfte er im Wesentlichen durch die spekulativen Finanzanleger getrieben worden sein. Diese haben allerdings in der Woche zum 26. Juni ihre Netto-Long-Positionen nochmals teilweise deutlich abgebaut. Bei Gold wurden die Netto-Long-Positionen um 17%, bei Silber sogar um 60% reduziert. Mit 2,4 Tsd. Kontrakten befinden sie sich auf dem niedrigsten Stand seit September 2007, was vor allem dem Anstieg der Leerverkäufe auf den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnung im Juni 2006 geschuldet ist.

Auch bei den anderen Edelmetallen ist die Anzahl von "Shorts" der Anleger zuletzt deutlich gestigen. Wir schätzen die aktuelle Skepsis der Spekulanten langfristig konstruktiv ein, denn die meisten Befürchtungen dürften mittlerweile "eingepreist" sein. Eine der wenigen hilfreichen Börsenweisheiten besagt, dass sich die konträre Haltung auszahlt und „die Hausse in der Baisse geboren wird und in Skepsis wächst“. Demnach könnte das Ende der Baisse bei den Edemetallen nahe sein.


Industriemetalle

Im Zuge der "Europhorie" vom Freitag legten die Metalle teilweise sehr deutlich um bis zu 5% zu. Die Euro-Politiker haben offensichtlich die Sehnsucht des Marktes nach der "starken gemeinsamen Aktion" erfüllt. Ein wichtiger Grund für den Preisanstieg war also die Skepsis der Marktteilnehmer im Vorfeld des EU-Gipfels, wobei die Großanleger per 26. Juni ihre Netto-Short-Positionen bei Kupfer auf 13,8 Tsd. Kontrakte bzw. den höchsten Stand seit März 2009 ausgeweitet hatten. Zwar geben die Metalle diese Gewinne heute wieder teilweise ab, dies ist aber angesichts eines etwas festeren US-Dollar nachvollziehbar. Zusätzlich belasten jedoch die Daten aus China. Der dortige Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fiel zwar mit 50,2 höher als befürchtet aus und blieb weiter über der Marke von 50. Dies ist jedoch gleichzeitig der niedrigste Stand seit November 2011 und der zweitniedrigste seit Februar 2009.

Das Wachstum in China hat sich also merklich abgekühlt, was auch der Einkaufsmanagerindex von HSBC zeigt, der saisonal bereinigt wird und außerdem als unäbhängiger gilt, der im Juni erneut auf 48,2 gefallen ist. Aus unserer Sicht gibt es jedoch keinen Grund zur Sorge im Bezug auf die chinesische Wirtschaft. Die Regierung und die Zentralbank haben zahlreiche Instrumente zur Auswahl, um eine mögliche Wirtschaftsabkühlung zu bekämpfen: China kann sich aktuell als eines der wenigen Länder fiskale und monetäre Maßnahmen und sogar Konjunktur- und Infrastrukturprogramme leisten. Unsere Überzeugung, dass China in diesem Jahr kein "hard landing" erleiden wird, stimmt uns mittelfristig optimistisch für Metalle.


Agrarrohstoffe

Die Finanzanleger haben in der Woche zum 26. Juni bei Weizen gleichzeitig Long-Positionen aufgebaut und massiv Short-Positionen reduziert. Dadurch stiegen die Netto-Longs bei Weizen auf 32,5 Tsd. Kontrakte bzw. den höchsten Stand seit Frühjahr 2011. Seither waren die Anleger bei Weizen per saldo mit wenigen Ausnahmen mehrheitlich negativ gestimmt. Mit der Positionsverschiebung reagiert der Markt offensichtlich auf eine knapper werdende Versorgungslage bei Weizen, was letztendlich allein in der zweiten Juni-Hälfte den Weizenpreis an der CBOT von 610 US-Cents je Scheffel auf 745 US-Cents je Scheffel katapultierte. Gleichzeitig wird der Weizenpreis vom Preisanstieg des konkurrierenden Mais verstärkt, bei dem die heiße und trockene Witterung im Mittleren Westen der USA die Ernteerwartungen drückt.

Die Ende letzter Woche veröffentlichten US-Lagerdaten unterstützten den Trend. Mit einer Reduktion der Mais-Lagerbestände um 48% zwischen dem 1. März und dem 1. Juni wurde der stärkste Abbau in dieser Drei-Monats-Periode seit 1996 gemeldet. Gegenüber dem 1. Juni 2011 liegen die Bestände um 14% niedriger. Zwar wurde andererseits im Bericht zu den bebauten Flächen die Maisfläche mit 96,4 Mrd. Morgen höher als in den Anbauplänen der Farmer im März in Höhe von 95,9 Mrd. Morgen gemeldet, doch konnte diese höchste Zahl seit 1937 den Markt nicht beruhigen, da die Gefahren für den Ertrag bedeutender sind.

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