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EZB, PBoC und BoE liefern - Euro und so genannte Risikoaktiva unter Druck

06.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (08.07 Uhr) bei 1.2385, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2537 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.85. In der Folge notiert EUR-JPY bei 98.90, während EUR-CHF bei 1.2013 oszilliert.

Wir freuen uns sehr, dass ernst zu nehmende Ökonomen gestern gegenüber Prof. Dr. Sinn und seinem Freundeskreis kritisch Stellung bezogen haben. Diese Einlassungen waren bitter notwendig. Die Begriffe Stammtisch oder auch unakademisch haben hier sehr gefallen. Themen, die bezüglich Prof. Dr. Sinn hier zuvor bereits thematisiert worden sind. Wir bemühen uns, vor der Kurve zu sein!

Seit mehr als vier Wochen liefert die Eurozone Nachrichten bezüglich der Defizitkrise, die am oberen Erwartungsrand angesiedelt sind. Ob es die Wahlen in Griechenland, die Hilfsmaßnahmen für spanische Banken, der Wachstumspakt, die Flexibilisierung der Einsatzmöglichkeiten des ESM oder ob es die letzte Zinssenkung der EZB war. Auch die unerwartete Zinssenkung Chinas sollte den Risikoaktiva grundsätzlich geholfen haben. Dem ist aber nicht so. Das wirft Fragen nach dem "Warum“ auf.

Nachdem gestern "Capital Economics“, das Anti-Eurozonen Propaganda Haus, einen Preis für ein Modell für Austrittsszenarien der Eurozone gewonnen hat (Preisgeld 300.000 EUR), wird damit auch gleichzeitig implizit die Antwort gegeben. In meiner 30 jährigen Karriere habe ich keinen Anbieter von Analysen erlebt, der so apologetisch die USA und das UK bedient, während die Eurozone in unverantwortlicher Art und Weise unsachlich begleitet wird. Die historisch einmalige "Shortpositionierung“ gegen die Eurozone wird verteidigt. Positive Meldungen werden durch Marktaktionen konterkariert. Das Modell heißt im Fachjargon "Preemptive Selling“.

Fakt ist, dass sich die Weltwirtschaft maßgeblich durch die unangemessene Spekulation gegen die Eurozone mit dem Ziel eines Zerfalls der Eurozone abschwächt. Diese konjunkturelle Abschwächung wird in der westlichen Welt die Haushaltslagen der öffentlichen Hand verschärfen. Wir verweisen auf die Rubrik "Letzte Nachrichten“ bezüglich der Einlassungen Frau Lagardes und der KfW hinsichtlich des Themas Konjunkturlage.

Für die "Nicht Reformländer“ USA und Japan ergibt sich übrigens eine verschärfte Problematik, da sie dann nicht nur von konjunkturell bedingten Defiziten geplagt würden, sondern latent die strukturellen Defizite, die mangels Reformen virulent sind, belasteten. Das sieht in der Eurozone dank der Reformen besser aus. Aber wird der Finanzmarkt diese Sichtweise teilen? Voraussichtlich nicht, wir kennen ja unsere Pappenheimer in London und NY. Wen interessieren schon Fakten. Das warf weder bei der "Cash Burn Rate“ noch MBS oder bei der bisherigen Defizitkrise der Fall. Kontinuität ist schon klasse, oder?

Ach ja, Japan hat Probleme und der JPY geht fest. Wir bieten Klartext von Reuters: Japan droht wegen einer politischen Blockade Ende Oktober das Geld auszugehen. Der Finanzminister des Landes, Jun Azumi, appellierte am Freitag an die beiden größten Oppositionsparteien einem für die Finanzierung des laufenden Haushalt wichtigen Gesetz zuzustimmen. Dieses erlaubt der Regierung, Staatsanleihen auszugeben, um nahezu die Hälfte des Etats finanzieren zu können. "Ohne dieses Gesetz fällt der Haushalt zusammen", sagte Azumi. Insgesamt hat der Haushalt für das Finanzjahr 2012/13 ein Volumen von gut 90 Billionen Yen (rund 900 Milliarden Euro). 38,3 Billionen Yen sollen über Staatsanleihen eingenommen werden. Bis Ende September rechnet Azumi mit Ausgaben von 43,9 Billionen Yen. Sollte das Gesetz nicht angenommen werden, stünden der Regierung nur 46,1 Billionen Yen zur Verfügung. Damit würde dem Staat mit hoher Wahrscheinlichkeit bis Ende Oktober das Geld ausgehen, erläuterte der Finanzminister.

Mit einem Schuldenberg von mehr als dem Doppelten des jährlichen Bruttoinlandsproduktes ist Japan das am stärksten verschuldete Industrieland.

Spätestens Ende des Jahres dürfen wir uns auch wieder um das US-Schuldenlimit kümmern, es sei denn, es gäbe einen Burgfrieden zwischen den Demokraten und Republikanern in einem Präsidentenwahljahr. Aber wahrscheinlich interessiert das Capital Economics und unsere Freunde in London und NY auch kein Stück. Dabei ist nahezu vollständige konsumtive Verschuldung, die sich weiter aggressiv um circa 9% aufbaut, Wenn die Eurozone scheitern sollte, würde das dann auch noch deutlich heftiger werden.


Werfen wir einen kurzen Blick auf die gestrigen Wirtschaftsdaten:

Der deutsche Auftragseingang per Mai setzte positive Akzente. Per Mai kam es zu einem Anstieg um 0,6% im Monatsvergleich (Prognose 0,0%). Der Vormonatswert wurde von -1,9% auf -1,4% revidiert.

Der "US-Challenger Report“ setzte positive Akzente. Per Juni waren 37.600 Jobs nach zuvor 61.900 Jobs durch Massenentlassungen verloren gegangen.

Der US "ADP Employment Report“ per Juni wartete mit 176.000 neu geschaffenen Stellen in der US-Privatwirtschaft auf. Die Prognose lag bei 105.000 nach zuvor 136.000 per Mai.

Die Arbeitslosenerstanträge sanken in der Berichtswoche per 30. Juni von zuvor 388.000 auf 374.000.

Der US "ISM-Dienstleistungsindex“ per Juni ging von zuvor 53,7 auf 52,1 Punkte zurück. Die Prognose war bei 53,0 Zählern angesiedelt.

Trotz einiger Aufhellungen bleibt das konjunkturelle Bild belastet - wenn die Eurozone keine adäquate Antwort auf die unangemessene Spekulation findet, die die Konjunkturlagen in den Reformländern bedroht, da die Investitionsbereitschaft in diesen Ländern förmlich aus London und NY heraus erstickt wird (sowohl am Finanzmarkt als auch in der Realwirtschaft), gehen wir auf "herausfordernde Zeiten“ zu, die ultimativ den Zerfall der Eurozone zur Folge haben können.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2820 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg !


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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