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EUR-USD markiert den tiefsten Stand seit zwei Jahren - Sehr geehrter Herr Professor Doktor Sinn - Ansätze eines offenen Briefes ...

09.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.53 Uhr) bei 1.2295, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2401 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.70. In der Folge notiert EUR-JPY bei 97.95, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Alle positiven Marktreaktionen auf die Brüsseler Beschlüsse der Vorwoche sind mittlerweile neutralisiert. Der Euro markiert gegenüber dem USD die tiefsten Kurse seit zwei Jahren. Die Aufschläge bei den Kreditausfallversicherungen bewegen sich für Spanien wieder bei 7%. Italien hat die 6% Marke gerissen. Aktienmärkte stehen unter Druck. Ja, "Preemptive Selling" hat sich ausgezahlt ...

Prof. Dr. Sinn und sein Freundeskreis bemühen sich, die Stimmung in der deutschen Bevölkerung vollständig europafeindlich zu gestalten.

  • Sie verweigern jedwede Anerkenntnis der strukturellen Reformerfolge in ihrem Pamphlet. Ohnehin sind wir in Bremen anscheinend der letzte Hort sachlicher Analyse, wenn es um diese Erfolge geht.

  • Sie verheimlichen die potentiellen Folgen einer Desintegration der Eurozone für die deutschen Beschäftigten, für den deutschen Steuerzahler, für die Stabilität der deutschen Demokratie, für die Zukunft Europas. Wer war der größte Verlierer 2009 an der Konjunkturfront? Wessen Geschäftsmodell ist exportseitig gestrickt?

  • Sie verheimlichen, dass eine Desintegration der Eurozone einer Unterordnung unter die Machtachse NY-London gleichkäme und damit einer Unterordnung unter ein Machtgefüge, das in der Gesamt- und Neuverschuldung viel prekäreren Situationen ausgesetzt sind und dank antiautoritärer Gestaltung der Finanzmärkte und der Bilanzierung für die Fehlentwicklungen der letzten 15 Jahre maßgeblich verantwortlich zeichnet.

  • Sie stellen Zahlen in den Raum, die jeder Sachlichkeit entbehren und als propagandistisch klassifiziert werden müssen.

  • Sie predigen indirekt Kleinteiligkeit der Nationalstaaten, nationale Ressentiments fördernd, in einer dynamischen globalisierten Welt.

Wir erlauben uns für Herrn Prof. Dr. Sinn und seinen Freundeskreis die positiven strukturellen Entwicklungen noch einmal darzustellen, die die Zukunftsfähigkeit der Eurozone belegen. Das gilt für die Haushaltsdefizite und es gilt für die Entwicklung der Waren- und Dienstleistungsbilanzdefizite, die bezüglich der Bewertung der Targetsaldenentwicklung unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten von höchster Priorität sind. Wir erlauben uns darüber hinaus, darauf zu verweisen, dass die Extrapolation von Extremwerten höchst riskant ist und akademischen Grundsätzen nicht entspricht ….

Werfen wir einen Blick auf die Primärhaushalte (Haushaltssaldo abzüglich Zinszahlungen auf Staatsschuld) Herr Prof. Dr. Sinn und bedenken Sie, dass wir in der Eurozone weiter reformieren und die USA und Japan den Begriff Reformen nicht buchstabieren können! Es ist also nicht nur der aktuelle Status, sondern es ist auch die Dynamik der Veränderung, die für die Eurozone sprechen. Wo liegt Zukunftsfähigkeit? Als ernst zunehmenden Ökonomen sollten Ihnen diese Zusammenhänge bewusst sein, oder?

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Daten IWF


Schauen wir auf die gesamte Neuverschuldung, Gesamtverschuldung und Privatverschuldung. Wollen Sie wirklich Prof. Dr. Sinn, dass wir uns London und NY unterordnen?

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Nun kommen wir zu Ihrem Lieblingsthema Target. Ja die Targetsalden setzen sich aus der Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite und der Kapitalflucht zusammen. In diesem Punkt stimme ich mit Ihnen überein. Die Kapitalflucht ist aber auch Folge der aggressivsten und hinsichtlich der dargestellten Fakten unangemessenen Spekulation in der Finanzhistorie. Das Kernproblem sind die strukturellen Defizite der Waren- und Dienstleistungsbilanz. Da hat sich sehr viel getan. Wir sind um Fakten bemüht und nicht um unangebrachte Stimmungen …

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Daten Eurostat


Schauen wir auf die strukturelle Verbesserung, die wesentlich von Exporten getrieben ist, ergo einer Veränderung der Geschäftsmodelle.

Bei Griechenland ist zu berücksichtigen, dass die Wirtschaft seit 2007 um 20% kollabierte. Entsprechend ist das aktuelle Exportvolumen von 51,7 Mrd. Euro (nahe dem Wert von 52,4 Mrd. Euro 2007) als nachhaltiger Beleg einer strukturellen Veränderung im Mix der Gesamtwirtschaft zu interpretieren.

Wie ist es möglich, über Targetsalden zu philosophieren und diese extrem bedeutenden Fakten der Gesundung der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wird damit nicht eine unsolide Stimmungsmache gewährleistet, die den Begriff der Propaganda als Klassifizierung erlaubt? Wie sehr muss man die Eurozone hassen, um so unsachlich agieren zu können?

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Daten Eurostat


Wenn es der Politik der Eurozone nicht gelingen sollte, die unangemessene Spekulation einzugrenzen, wird sich das konjunkturelle Bild so verschlechtern, dass die strukturellen Erfolge der Vergangenheit zu wenig Traktion entwickeln.

Nachdem "unsere Freunde“ erst auf die strukturellen Probleme in der Spekulation abhoben, versuchen sie nun ihrem Erfolg über die Paralyse der Investitionstätigkeit zu sichern. Es ist an der Zeit, diesen Modus zu erkennen und die notwendigen Rückschlüsse zu ziehen. "Time is running out" - wir sind im Endspielmodus - Fehler werden hier nicht verziehen. Die Eurozone verdient es, nicht auf dem Altar der Spekulation geopfert zu werde.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2620 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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