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Eurozone verliert Runde nach Runde, so sehen keine Sieger aus …

10.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.33 Uhr) bei 1.2290, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im US-Handel bei 1.2324 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.50. In der Folge notiert EUR-JPY bei 97.70, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Die Eurozone kann nicht punkten, egal was an Maßnahmen beschlossen wird. Juncker bleibt Eurogruppenchef, Mersch kommt in den EZB-Rat Der saubere ordnungspolitische Gang der Problembewältigung kann nervöse Finanzmarktteilnehmer nicht befriedigen. Die Eurozone verliert an den Märkten Runde um Runde, wer laufend Runden verliert, kann ultimativ nicht siegen. Mehr gibt es hier nicht zu sagen.

Der Euro und die Risikoaktiva der Eurozone bleiben unter Druck. Dieser Druck ist elementar für die realwirtschaftliche Paralyse der Reformländer, die sich sukzessive auch in Deutschland und dem Rest der Weltwirtschaft bemerkbar macht. Für die Eurozone stellt diese zunehmende Paralyse in der Realwirtschaft ein sukzessive steigendes Existenzrisiko dar.

Schlussendlich ist die Stabilitätskultur der Eurozone und der EZB der Ansatzpunkt der Spekulation gegen die Eurozone. Hier wird nicht wie in London, NY oder Tokio sportlich die Staatsschuld monetarisiert. Hier wird nicht konsumtive Verschuldung gelebt, sondern Reformpolitik umgesetzt, die in der Tendenz einer investiven Neuverschuldung gleichkommt. Es ist also nicht nur ein quantitativer Unterschied zu Gunsten der Eurozone in der Neuverschuldung, sondern es ist auch ein massiver qualitativer Aspekt.

Alles, was jedoch vor 10 Jahren nach dem Textbuch der Finanzmärkte hätte aktuell zu Gunsten der Eurozone bewertet werden sollen, wird nun negativ zu Lasten der Eurozone diskontiert, obwohl gerade hier Zukunftsfähigkeit etabliert wird.

Hier ergibt sich ein Dilemma, das eng mit der Determinationsmacht der Achse London/NY bei der Setzung der Themen an den internationalen Finanzmärkten korreliert ist. Der Lastwechsel, der dort seit Krisenbeginn vollzogen worden ist, ist offensichtlich den wenigsten kontinentaleuropäischen Medienvertretern und Volkswirten bewusst.

Wurden wir in der Eurozone vor 10 Jahren wegen Staatsinterventionismus kritisiert und als ewig gestrig wahrgenommen, wird uns jetzt der Vorwurf von zu wenig Interventionismus von der identischen Klientel aus London und NY gemacht. Opportunismus, respektive politische Motivation lässt sich kaum in klarerer Form beschreiben.

Fakt ist, dass in Extremsituationen Interventionismus notwendig ist. Fakt ist aber auch, dass dieser Interventionismus gepaart sein muss mit strukturellen Maßnahmen. Das ist in der Eurozone der Fall. Es ist in den USA und Japan nicht ansatzweise gegeben. Es wäre angemessen, wenn es einen Aufruf von mehr als 170 deutschen Ökonomen gäbe, der diese Position der Eurozone aggressiv verteidigte.

Die Tatsache, dass circa 170 deutsche Ökonomen in der letzten Woche diesen Politikansatz untergruben und damit nicht nur das Geschäftsmodell der Eurozone, sondern auch das deutsche Geschäftsmodell torpedierten, ist unverändert äußerst irritierend.

Um so mehr freuen wir uns über den Artikel der FTD "Deutscher Aufruf empört Starökonomen" auf Seite 14 Weltwirtschaft. Es wird berichtet, dass es unter den 170 Ökonomen erste Rückzieher gibt. Dazu einige O-Töne:

  • "Der Brief ist reich an hitziger Rhetorik und arm an sachlichen Details.! Eichengreen, Berkeley
  • "Ich halte den Aufruf für zu simpel, unklar und ideologisch." Alesina, Harvard
  • "Dieser Text zeigt kein Verständnis davon, was eine Bankenkrise ist - als ob sie 2008 und in den früheren Krisen geschlafen hätten. Der Text ist aus politischer Sicht eine Schande. Er ist offen fremdenfeindlich.“ Wyplosz, Genf

Die größten Sünder USA und Japan sind die größten Gewinner an den Devisenmärkten und dürfen sich üppiger Kapitalzuflüsse erfreuen. Diese Freude ist aber nicht ungetrübt. Die Konjunkturschwäche basierend auf dem Risiko eines Zerfalls der Eurozone ergreift die Weltwirtschaft und belastet auch diese Länder. In der Folge werden derzeit Lockerungen der Fed-Politik erwogen. Verstärkte Ankäufe von MBS-Titeln stehen im Zentrum der Überlegungen. Ja, das geht in der Eurozone auf keinen Fall in diesem Stil …

Wir schauen heute auf der Bundesverfassungsgericht. Zwar haben Bundestag und Länderkammer mit 2/3 Mehrheiten zu Gunsten der Krisenmaßnahmen demokratisch abgestimmt, aber reicht das den Verfassungsrichtern? Das Eventrisiko Karlsruhe überlagert das heutige Marktgeschehen.

Wenden wir uns kurz den Verbraucherkrediten min den USA zu. Kredit können die USA, keine Frage. Die Verbraucherkredite nahmen per Mai um 17,12 Mrd. USD zu. Die Prognose lag bei 8,5 Mrd. USD. Der Vormonatswert wurde von 6,5 auf 9,95 MRD. USD revidiert. Was gut für den Konsum ist, ist unter Umständen schlecht für die Verschuldungsstruktur der privaten Haushalte.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2620 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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