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Risikoaversion auf dem Vormarsch - Euro verliert weiter an Boden und Substanz

12.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (08.00 Uhr) bei 1.2236, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2295 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.48. In der Folge notiert EUR-JPY bei 97.25, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Wer sich derzeit gegen die Eurozone und gegen Risikoaktiva positioniert, darf sich zu den Gewinnern des Tagesgeschäfts zählen. Risikoaversion nimmt weiter zu. Fakt ist, dass als Folge des systemischen Risikos eines Zerfalls der Eurozone die globale Konjunktur an Fahrt verliert.

Ausgeprägt ist dieser Prozess in den Reformländern der Eurozone. Obwohl die Geschäftsmodelle angepasst werden und attraktiver gestaltet werden und es klare strukturelle Erfolge gibt, gibt es keine oder eine deutlich unterproportionale Investitionsbereitschaft. Der Kapitalstock dieser Länder erodiert als Konsequenz und damit sind weitere Verfehlungen bei der Reduktion der Haushaltsdefizite auf Basis eines konjunkturellen Hintergrunds wahrscheinlich (strukturelle Defizite weitgehend bereinigt).

Stellen wir uns die Eurozone als junge Sportlerin vor. Sie ist nach langer Inaktivität seit 30 Monaten wieder in Form gebracht worden, ganz im Gegenteil zu ihren Konkurrentinnen. Nun erwartet man gute Leistungen und verweigert ihr gleichzeitig die notwendige Nahrung, während ihre Konkurrentinnen mit Milch und Honig (= Kapitalzuflüsse) verwöhnt werden. Damit blutet die Eurozone konjunkturell schneller aus als irgendein anderer Wirtschaftsraum.

Die Verlautbarungen des Bundesverfassungsgerichts mögen durchaus angebracht sein, dass man Zeit für den Prüfungsprozess benötige, um rechtlich sauber eine angemessene Entscheidung zu treffen, um den Einklang der Gesetze mit dem Grundgesetz zu gewährleisten. In unserer Welt der dynamischen Finanzmärkte können in diesem Zeitfenster Realitäten etabliert werden, die unter Umständen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts irrelevant werden lassen.

Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob unser Grundgesetz, dass 1948 vom Parlamentarischen Rat entworfen wurde, den Ansprüchen der politischen und ökonomischen als auch der finanziellen Welt von heute entspricht. Eine Debatte darüber ist in meinen Augen zwingend erforderlich.

Fakt ist, dass der Wohlstand Deutschlands dank des exportseitigen Geschäftsmodells mit der Stabilität der Weltwirtschaft korreliert ist. Erfordert das dann nicht auch Übernahme von mehr Verantwortung? Insbesondere, wenn man der größte Begünstigte der fremden Konjunkturprogramme war und ist und derzeit am Devisenmarkt als auch am Kapitalmarkt Bedingungen erfährt, die einer massiven Konjunktursubvention entsprechen?

Bis es zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt, werden die Eurozone, der Euro und mindestens europäische Risikoaktiva weiter unter Druck stehen. Unsere Eurozone ist vergleichbar mit einem Lamm, das zum Aderlass geführt wird, obwohl es geschwächt ist. Die Augen verdrehen sich bereits, das Blut tropft, die Lebenskraft sinkt. Der Zeitverzug durch das Bundesverfassungsgericht ist faktisch vergleichbar mit einer stärkeren Öffnung der Venen.

"Time is runnung out“ - es sieht gut aus für "unsere Freunde“ in London und NY ... Wissen wir wirklich, was wir hier Stück für stück verlieren?

Macht es vor diesem Hintergrund Sinn, Konjunkturdaten durchzudeklinieren? Nein, das wäre ob der Signifikanz der aktuellen Situation unangebracht.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2620 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg !


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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