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Euro weiter unter Druck - ein paar Worte zu Italien

16.07.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.51 Uhr) bei 1.2240, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im asiatischen Handel bei 1.2273 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.10. In der Folge notiert EUR-JPY bei 96.80, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Der Euro bleibt unter Druck. Nicht einmal nennenswerte technische Erholungen greifen Raum. Hinsichtlich der rechtlichen Lage in Deutschland mag das verständlich sein. Im Endspielmodus um die Eurozone ruft das Bundesverfassungsgericht ein "Timeout“ mit sicherlich ungewollt negativen Implikationen für die Eurozone aus.

Derartige Steilvorlagen werden von den Finanzplätzen London und NY, die mit den aggressivsten "Shortpositionen“ in der Historie gegen die Eurozone ausgerüstet sind, gerne angenommen. Die Einlassungen von Herrn Schäuble und Herrn Juncker, dass Zeit ein knappes Gut in der Verteidigung der Eurozone vor unangemessener Spekulation ist, verhallen anscheinend weitgehend ungehört. Nun denn, sofern das Bundesverfassungsgericht gegen den ESM & Co. entscheidet, können wir wenigstens behaupten, dass die Eurozone nach deutschem Recht verfassungskonform unterging.

Ob unsere Demokratie in Europa und der Welt eine weitaus schärfere Krise als 1929/32 aushält, die voraussichtlich Folge eines Scheiterns der Eurozone wäre, sei dahingestellt (keine ansatzweise Autarkie der Länder, Zusammenbruch des Finanzsystems und der internationalen Lieferketten mit Folge massiver Unterversorgung, Zusammenbruch der Arbeitsmärkte, aktuell gibt es bereits Probleme bei der Außenhandelsfinanzierung/Akkreditive mangels Limiten für Partnerbanken). Der Prolog, was bei existentieller Not passieren würde, wird derzeit in Griechenland geliefert. Extremisten erhalten Zulauf ...

Genau dieses Problem untersucht das Bundesverfassungsgericht nicht. In einer Gesamtwürdigung sind derartige Aspekte jedoch von erheblicher Bedeutung.

Wenden wir uns kurz der Politik Bayerns zu. Herr Gauweiler und Herr Seehofer vergessen offensichtlich, warum Bayern es vom Agrarland und Empfängerland des Länderfinanzausgleichs zum Zukunftsstandort und Geberland schaffte. Dieser Weg war mit Subventionen der EU, der Solidarität Europas und dem Charakter des FJS“ und vielen "Amigos“ gepflastert. Man sollte immer wissen, woher man kommt, auch wenn man auf einem hohen Ross sitzt und vor allen Dingen bevor man Bayern dem Risiko der Rückkehr in der 50er Jahre aussetzt.

Die aktuelle Politikausrichtung erinnert eher an bismarckianische Zeiten vor 1871 (Ludwig II) und negiert den erfolgreichen Weg Bayerns unter FJS. Belegt der Stammtisch vielleicht die falschen Themen? Hat man sich in Bayern einmal gefragt, was die Folgen eines Scheiterns der Eurozone für das bayerische Geschäftsmodell sein würden? Hat man sich mal in Bayern mit den Reformerfolgen der Defizitländer sachlich auseinandergesetzt?

Wir haben hier am Freitag zu der Herabstufung Italiens durch Moody’s klar Stellung bezogen. Die EU-Kommission hat sich sehr kritisch gegenüber Moody’s geäußert. Wir bedauern, dass unser Datenmaterial in den Medien keine Verwendung fand. Dann hätte es jedes Kind verstanden. Die Bundesbank hält sich immer vornehm zurück. "Wenn Italien seinen Reformkurs fortsetzt, ist es auf einem guten Weg." ist jedoch sehr kurz gesprungen Herr Weidmann. Der Primärhaushalt Deutschlands liegt 2012 bei +1,0% und der Italiens bei +3,0% (Daten IWF WEO April 2012). Italien macht Reformen, Deutschland macht seit Gerhard Schröder keine Reformpolitik. Etwas mehr Solidarität wäre durchaus angemessen gewesen …

Fassen wir zusammen: Das Endspiel läuft. Die Uhr läuft gegen die Eurozone. Die Stabilitätskultur der Eurozone und damit einhergehende Berechenbarkeit im Gegensatz zu USA, UK, und Japan ist der Angriffspunkt der Spekulation. Fakten wie Neuverschuldung, Gesamtverschuldung und Reformpolitik werden von den aus London und NY determinierten Märkten ignoriert.

Das hängt auch mit der Determinationsmacht Londons und NYs bezüglich der Finanzmarktthemen zusammen als auch der Willfährigkeit vieler (nicht aller) kontinentaler Medien. Die Politik, Zentralbanker und weitere wesentliche Protagonisten scheinen die Dramatik noch nicht erkannt zu haben. Weitere Fehler im "Handling“ der Krise können sich fatal auswirken.

Am Freitag enttäuschte der Index des US-Verbrauchervertrauens, das laut Lesart der Universität Michigan per Juni von 73,2 auf 72,0 Punkte sank. Die Prognose lag bei 73,2 Zählern.

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Die Erzeugerpreise sind in den USA unerwartet per Juni um 0,1% gestiegen. Die Prognose stellte sich auf -0,5%. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 0,7% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,7%.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2530 - 60 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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