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Draghi enttäuscht die Märkte, gewinnt dafür unser Vertrauen

03.08.2012  |  Eugen Weinberg
Wer gestern (wie wir) mit starken Taten seitens der EZB gerechnet hat, wurde klar enttäuscht. Denn es kamen weder eine Zinssenkung noch ein konkreter Zeitplan für die Anleihekäufe der Peripherie, noch wurden die LTROs oder eine Kooperation mit dem ESM in Aussicht gestellt. Die Finanz- und Rohstoffmärkte haben dies erwartungsgemäß sehr negativ aufgenommen und auf breiter Front verloren. Wir sehen dies etwas differenzierter. Zum einen sind die Maßnahmen nur vertagt worden und es ist davon auszugehen, dass schon beim nächsten EZB-Treffen etwas Konkretes kommt. Zum anderen verfiel die EZB nicht in Aktionismus, was längerfristig Vertrauen schüren dürfte. Kurzum, wir lassen uns von der gegenwärtigen Schwäche nicht beirren und rechnen weiterhin mit einem Preisanstieg bei Rohstoffen in den nächsten Wochen und Monaten.


Energie

Der WTI-Ölpreis zeigte sich gestern nicht immun gegen den massiven Anstieg der Risikoaversion und die USD-Stärke, nachdem die EZB die Erwartungen der Finanzmärkte enttäuschte, und fiel binnen einer Stunde seit Beginn der EZB-Pressekonferenz um 2,5 USD auf unter 87 USD je Barrel. Der Brentölpreis war dagegen deutlich stabiler und hat die gesamten Verluste schnell wieder aufgeholt. Dadurch hat sich der Preisunterschied zwischen den zwei weltweit wichtigsten Öl-Benchmarks erstmals seit Mai auf rund 19 USD ausgeweitet. Man kann die relative Stärke von Brentöl aus vielerlei Hinsicht erklären.

Während die US-Ölproduktion kontinuierlich steigt und die Arbitragemöglichkeiten zwischen Cushing und der US-Golfküste weiterhin unzureichend sind, leidet die Brentölproduktion aufgrund von Wartungsarbeiten in der Nordsee. Die Sorgen vor einem Konflikt im Nahen Osten - sowohl Israel als auch der Iran bereiten sich anscheindend auf eine Zuspitzung der Lage vor - dürften vor allem Brentöl Unterstützung verleihen. Auch der Gewinn des Status als wichtigste Öl-Referenz durch Brentöl - im 2. Quartal überstieg das Volumen der gehandelten Brentölkontrakte erstmals das der WTI-Kontrakte - könnte als Erklärung herangezogen werden. Langfristig ist die sehr hohe Preisdifferenz jedoch nicht nachhaltig.


Edelmetalle

Eigentlich fiel der gestrige Preisverfall bei Gold angesichts der Enttäuschung über das "Nichtstun" der EZB und der starken Preisrückgänge bei anderen Rohstoffen noch moderat aus. Zwar ist der Goldpreis erneut unter die psychologisch wichtige Marke von 1.600 USD je Feinunze gefallen, blieb allerdings noch über den Tiefs der Vorwoche. In Euro gerechnet handelt Gold sogar weiter über 1.300 EUR je Feinunze.

Wir sehen dies als relative Stärke an und gehen weiter davon aus, dass die Angst um das Finanzsystem, die geopolitischen Risiken, die niedrigen und teilweise negativen Realzinsen gepaart mit einem Abwertungswettlauf von Währungen und einem anhaltenden Interesse der Anleger und der Zentralbanken für ein positives Umfeld für den traditionellen Kapitalschutz Gold bilden. Preise unter 1.600 USD je Feinunze dürften als attraktive Kaufgelegenheiten angesehen werden. Wir rechnen mit einem deutlichen Preisanstieg in der zweiten Jahreshälfte.


Industriemetalle

Einmal mehr zählten gestern die Industriemetalle zu den größten Verlierern im Rohstoffsektor. Diese wurden im großen Stil verkauft, nachdem EZB-Präsident Draghi die Erwartungen des Marktes verfehlte. Der Index der Londoner Metallbörse, LMEX, rutschte gestern unter die Marke von 3.100 Punkten und damit auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. In Anbetracht zumeist schwacher asiatischer Aktienmärkte kommt es heute Morgen nur zu einer moderaten Erholungsbewegung. Nachdem die Unsicherheit hinsichtlich der EZB gewichen ist, dürfte sich der Markt schnell auf die nächsten zur Veröffentlichung anstehenden Konjunkturdaten fokussieren.

Der Arbeitsmarktbericht in den USA heute Nachmittag wird neue Erkenntnisse über den Zustand der Wirtschaft des weltweit zweitgrößten Metallkonsumenten liefern. Dies ist umso wichtiger, weil die ICSG damit rechnet, dass das Wachstum der Kupfernachfrage in den USA in diesem Jahr erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt höher als in China ausfallen wird. Die spekulativen Finanzanleger dürften in den letzten Tagen stark ihre Netto-Short-Positionen bei Kupfer ausgeweitet haben. Auch ist die Anzahl ausstehender Kontrakte auf Kupfer an der LME auf ein Fünjahrestief gefallen, was auf ein geringeres Interesse der Anleger hindeutet (Grafik des Tages).

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Die fundamentalen Rahmendaten an den Metallmärkten sprechen allerdings eher für stabile oder sogar steigende Preise. Die jüngsten Daten bestätigen, dass die Autokonjunktur in den USA und China gut läuft und sich die Immobilienmärkte wieder erholen. Die Preise für die meisten Metalle mit Ausnahme von Kupfer sind mittlerweise unter die Grenzproduktionskosten gefallen, was auch längerfristig das Angebot einengen wird. Denn dies dürfte nicht nur unmittelbar zu Minenschließungen führen, sondern auch langfristige Investitionspläne der Minenunternehmen negativ beeinflussen.


Agrarrohstoffe

Anscheinend hat sich der Markt so sehr an die positiven Schlagzeilen für die Getreide- und Sojabohnenpreise gewöhnt, dass es schon einer massiven Überraschung bedarf, um die Preise noch weiter steigen zu lassen, nachdem die Preise für Mais und Weizen seit Juni um rund 50% gestiegen sind. So konnten die hohen Maisexporte gestern den Preisrückgang bei Mais nicht komplett umkehren. Der übermäßig hohe Optimismus der Marktteilnehmer dürfte weiterhin - wir rechnen mit einem weiteren Ausbau der Netto-Long-Positionen der Anleger in der heutigen CFTC-Statistik - das Preispotenzial nach oben begrenzen. Eine Entspannung der Versorgungslage ist allerdings nicht in Sicht.

Während der Effekt der Dürre auf die US-Farmer nicht eindeutig ist, weil in vielen Fällen sich die Effekte einer schlechten Ernte und höherer Preise kompensieren, ist der Einfluss steigender Futtermittelpreise auf die Viehindustrie klar negativ. Deshalb hat gestern das US-Repräsentantenhaus den Beschluss gefasst, den Viehhaltern 383 Mio. USD an Hilfen wegen der Dürre auszuzahlen. Kurzfristige Schlachtungen wegen immenser Futtermittelkosten können diese Hilfen jedoch kaum verhindern.




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