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Europäisches Sparen bremst Wachstum aus

08.08.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (08.45 Uhr) bei 1.2375, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im amerikanischen Handel bei 1.2428 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.35. In der Folge notiert EUR-JPY bei96.95, während EUR-CHF bei 1.2012 oszilliert.

Zurzeit beobachten wir in beinahe gesamten Europa, dass sich die Dynamik in der Eintrübung der Wirtschaftsleistung fortsetzt. Gestern erreichten uns schwache Konjunkturzahlen aus Italien (Industrieproduktion, BIP 4. Quartal in Folge rückläufig), Deutschland und auch aus dem Vereinigten Königreich (s.u.). Heute Morgen wurden schwache deutsche Exportzahlen geliefert. Deutschlands Exporte gehen zu 35% in die Eurozone. Die aktuellen Werte liefern einen leichten Geschmack davon, wie es sich anfühlen könnte, wenn einzelne Länder den Euroraum verlassen würden.

Grundsätzlich ist diese Entwicklung alles andere als überraschend und war von vielen Experten schon eher erwartet worden. Wir bewegen uns in Europa aufgrund der Unsicherheit um den Fortbestand des Projektes Europa momentan auf wackeligen Beinen. Aufgrund abnehmender Kapitalinvestitionen und Abzug von Liquidität (prominentes Beispiel: Dutch Shell verschiebt 15 Mrd. EUR in die USA) wird dem Wirtschaftsraum Grundlage für Wachstum entzogen.

Und dies obwohl die Reformen in Europa historisch einmalig sind und sich die Reformländer beinhart sanieren. Alleine in den letzten Tagen verkündeten Spanien, Italien und Griechenland neue Programme in Milliardenhöhe.

Irland ist wieder erfolgreich am Kapitalmarkt aktivgewesen, für Portugal wird 2013 die Rückkehr an den Finanzmarkt wahrscheinlich.

Sind das keine Ambitionen? Wir möchten nicht leugnen, dass es sicher viel Reformbedarf in der Eurozone gibt. Wir verweigern uns aber der political correctness und Euro-bashing, denn wir berufen uns auf Fakten und sehen, dass in USA, GB und Japan keine Reformen angeschoben werden und die Notwendigkeit in diesen Ländern definitiv nicht kleiner als in Europa ist.

Die letzten Spekulationen um einen Griechenland-Austritt aus der Eurozone sind gefährlich, denn die Folgen sind nicht absehbarund in höchstem Maße kontraproduktiv.

S&P setzt Griechenland wieder auf einen negativen Ausblick, was bedeutet, dass eine erneute Herabstufung in den nächsten Monaten kommen wird. Die Troika lobte zwar die Sparbemühungen des Landes, aber die Aussicht auf weitere Hilfestellungen macht eine Herabstufung der größten Ratingagentur anscheinend notwendig …

Wir haben uns in letzter Zeit häufig irritiert überRatingentscheidungen gezeigt. Wir nehmen die neuerliche Meldung zum Anlass um auf eine Studie der Uni St. Gallen hinzuweisen, die von neutraler Stelle aus die Rolle der Ratingagenturen untersucht hat.

Im Kern sagt die Studie, dass sich schlechte Ratings sich selbst erfüllen, wenn sie ungerechtfertigt sind. In der Studie werden nicht nachvollziehbare Herabstufungen europäischer Länder als zentrale Ursache und Treiber der europäischen Schuldenkrise identifiziert. Ratings sind ein multiples Gleichgewicht, welches im schlechten Falle dafür sorgt, dass Länder in die Insolvenz getrieben werden.

Es wird darauf eingegangen, wie schädlich fehlerhafte Herabstufungen für Länder mit Top-Bonitäten. Wir erinnern an die skandalösen Umständeder "versehentlichen Herabstufung“ von Frankreichs AAA-Rating Ende 2011 durch S&P …

Die Studie ermittelte - und das ist der Kern unserer Kritik - dass die europäischen Länder nach anderen Maßstäben als außereuropäische Länder beurteilt werden. Die Herabstufungen könnten nicht durch Verschlechterungen der Wirtschaftslage und der Staatsfinanzen begründet werden. So seien viel zu viele Stufen bei Herabstufungen verwendet worden. Viele Reformländer sind derzeit ähnlich schwach bewertet wie Schwellen- und Entwicklungsländer. Im Fazit kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass dieRatingagenturen als zentrale Auslöser und Antreiber der europäischen Schuldenkrise zu benennen sind.

© Uni St. Gallen (PIGS or Lambs? The European Sovereign Debt Crisis and the Role of Rating Agencies) (http://www.unisg.ch/de/UeberUns/HSGMediacorner/Aktuell/RssNews/Forschung-Lehre/Juli+2012/Ratingagenturen-Eurokrise-Studie-FGN-HSG-29Juni2011.aspx)

Wir Danken für diesen kritischen Blick abseits von medialen Herdentrieb und political correctness! Die Konjunkturzahlen von gestern:

Die Auftragseingänge in der Industrie fielen mit -1,7% für den Juli noch schwächer aus als vorher vermutet. Aufgrund der sich eintrübenden Weltkonjunktur wurden sowohl aus dem Aus- (-1,5%) und Inland (-2,1%) weniger Neubestellungen abgegeben als im Vormonat. Der Vormonat wurde auf 0,7% nach 0,6% revidiert.

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Schwache Nachfragewerte von Aus- und Inland lassen die UK- Produktion stark einbrechen. Die Produktion lag im Juni 2,5% unter dem Vormonat und 4,3% unter dem Vorjahreswert. Die Exporte in die Eurozone, die 47% der UK- Exporte ausmachen,fielen über 4% im Vergleich zum Vorquartal. Als Sondereffekt wirkten sich die zwei Feiertage anlässlich des Thronjubiläums negativ aus.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2370 - 00 neutralisiert den negativen Bias des Euros. Dem Euro fehlt oberhalb von 1.2380/-90 die Dynamik, es droht ein Rückfall unter 1.2370 welcher uns schnell zur 1,2280 bringen kann.

Viel Erfolg!


© Moritz Westerheide
Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



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