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Die konjunkturelle Komponente der Defizitkrise kommt in den Fokus!

13.08.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.46 Uhr) bei 1.2290, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2242 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.30. In der Folge notiert EUR-JPY bei96.25, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Seit mehr als 12 Monaten verweisen wir in regelmäßigen Abständen darauf, dass die Latenz der Krise, angefacht durch eine unangemessene Spekulation und forciert durch die Aktivität des ordnungspolitischen Rahmens des US-zentrischen Finanzsystems (u.a. Ratingagenturen), die Konjunkturentwicklung in den Reformländern erheblich belastet, da die Investitionstätigkeit drastisch rückläufig ist, obwohl die Reformen die Rahmenbedingungen gerade für Investitionen verbessern. In den letzten Wochen werden die Konjunkturthemen dominanter wahrgenommen und diskutiert.

Werfen wir kurz einen Blick nach Italien. Unsere Kommentierung ist blau eingefärbt. Wir bedienen uns der Reuters-Meldung.

Rom, 12. Aug (Reuters) - Italien wird sich nach denWorten von Finanzminister Vittorio Grilli wegen der Rezession in diesem Jahr stärker verschulden müssen als geplant. "Wir wissen, dass das nominelle Defizit schlechter ausfallen wird", sagteGrilli der Zeitung "La Repubblica" vom Sonntag.

Die Spekulation auf den Zerfall der Eurozone lähmt wirtschaftliche Aktivität.

Beim strukturellen Defizit liege die Regierung abervoll im Plan.

So ist es. Laut IWF soll der Saldo des Primärhaushalts per 2012 bei +3,0% des BIP liegen. Dieser Wert scheint revisionsanfällig zu sein. Werte zwischen 2,0% - 2,5% sind voraussichtlich realistischer. Deutschland wird laut IWF übrigens nur einen positiven Primärsaldo in Höhe von 1,0% vorweisen können.

Daher seien keine weiteren Haushaltskürzungen geplant.

Richtig, das würde die Wirtschaft unnötig weiter drangsalieren.

Italien will 2013 einen strukturellen Haushaltsüberschuss erwirtschaften.

Na, der aktuelle Primärsaldo hat doch schon eine erhebliche strukturelle Aussagekraft.

Unter strukturellem Defizit versteht man den Teil des Staatsdefizits, der nicht auf konjunkturelle Schwankungen zurückzuführen ist.

Stimmt!

Das Haushaltsdefizit sollte nach den Plänen der Regierung in diesem Jahr bei 1,7 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen und 2013 auf 0,5 Prozent sinken.

Sehr geehrte Ratingagenturen - Ja, der Wert von 1,7% des BIP wird im laufenden Jahr verfehlt - USA, Japan und UK liegen im Dunstkreis von 9% des BIP - USA und Japan machen noch nicht einmal Reformen - Wo ist die sachliche Würdigung inden Testaten der Agenturen ablesbar? Werden wir explizit und vergleichen die USA mit Italien: USA Italien .

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Der Leiter der Länderratinganalyse EMEA von Standard & Poors Moritz Krämer nahm in seinem Gastbeitrag im Handelsblatt am 07. August 2012 (meine Urlaubszeit) Bezug auf meinen Beitrag vom 26. Juli im Handelsblatt und rückte meine Betrachtungsweise in den Bereich der Verschwörungstheorien. Dabei geht er nicht auf meine Argumente oder impliziten Belege ein. Der grobschlächtige Verweis auf die Methodik der Länderanalyse ist kein Argument per se. Ich nehme kein einziges Wort, Argument oder auch keinen impliziten Beleg zurück.

Die oben aufgeführten Fakten, die die USA im Bereich der Bestbenotung sehen und ein historisch einmalig reformfreudiges Italien mit drastisch besseren Neuverschuldungsdaten, sowohl im Bereich Quantität als auch Qualität, nahe dem "Junk“-Niveaubewerten, stehen für sich und beantworten nahezu alle offenen Fragen. Auch die Analysen der Universität St. Gallen zu diesem Themenkomplex lassen die Einlassungen seitens S&P als wenig sachlich klassifizieren.

Die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone steckt in der Rezession und kämpft gegen hohe Schulden und wachsendes Misstrauen der Finanzmärkte. Im zweiten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt das vierte Mal in Folge geschrumpft. Der Rückgang fiel mit 0,7 Prozent sogar überraschend stark aus. Der Internationale Währungsfonds sagt der drittgrößten Volkswirtschaft in der Euro-Zone für 2012 einen Einbruch um knapp zweiProzent voraus. Der Industrieverband Confindustria befürchtet sogar ein Minus von 2,4 Prozent, während die Regierung von einem Rückgang um 1,2 ausgeht.

Das existentielle Risiko der Eurozone basiert heutenicht mehr auf maßgeblich strukturellen Verwerfungen der Fiskallage, sondern sie sind konjunktureller Natur. Ein Hinauszögern der notwendigen kontinentaleuropäischen Solidarität erhöht das Zerfallsrisiko.

Wir freuen uns, dass unser Außenminister Westerwelle über Spanien positiv spricht. Es ist in der Tat von erheblicher Bedeutung, die Reformländer für ihre Erfolge zu würdigen und nicht den Ansätzen der "Münchner Kamarilla + Freundeskreis“, die jedwede Reformerfolge bisher vollständig ignorierten und damit willentlich oder unwillentlich der Agenda NY/London Vorschub leisteten und leisten, zu folgen.

Es geht hier um unsere Zukunft und Unabhängigkeit. Ein Zerfall der Eurozone entspräche der Unterordnung unter die Machtachse NY/London, die ursächlich für die Fehlentwicklungen der letzten 22 Jahre verantwortlich zeichnet und deren Volkswirtschaften mit der Fokussierung auf den Finanzdienstleistungssektor/Dienstleistungssektor eine massive Fehlentwicklung nicht bereinigt haben. Ein Zerfall der Eurozone böte die Chance, Teilen des kontinentaleuropäischen produzierenden Gewerbes eine neue Heimat zu geben. Die jetzige Auseinandersetzung ist auch eine Auseinandersetzung um Investitionen und damit um zukünftigen Kapitalstock.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.2370 - 00 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg !

© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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