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EZB liefert, kann aber nicht beeindrucken

07.09.2012  |  Eugen Weinberg
Energie

Die Ankündigung unlimitierter Anleihekäufe durch die EZB und der stärker als erwartete Rückgang der US-Rohöllagerbestände konnten die Ölpreise nur kurzzeitig beflügeln. Denn in den USA wird erneut die Freigabe der strategischen Reserven diskutiert. Im Gespräch sind dabei 100-180 Mio. Barrel, was das im letzten Jahr freigegebene Volumen von insgesamt 60 Mio. Barrel bei weitem übertreffen würde. Die US-Rohöllagerbestände sind in der vergangenen Woche laut US-Energieministerium um 7,4 Mio. Barrel zurückgegangen. Verantwortlich hierfür war Hurrikan Isaac, welcher zu deutlich niedrigeren Importen und einer stark rückläufigen US-Ölproduktion geführt hat. Dennoch könnte der Lagerabbau der Debatte um eine Freigabe der Notfallreserven Vorschub leisten. So sind die US-Benzinvorräte in der vergangenen Woche erstmals seit Ende 2008 unter die Marke von 200 Mio. Barrel gefallen.

Ebenfalls zum Preisrückgang beitragen dürfte der Umstand, dass sich das Nordseeangebot wieder normalisieren soll. Das Angebot der vier Brent-Ölsorten Brent, Forties, Oseberg und Ekofisk soll auf 871 Tsd. Barrel pro Tag steigen, nachdem im September ein Rekordtief von 720 Tsd. Barrel pro Tag erreicht wurde. Grund für den Rückgang waren Wartungsarbeiten, welche im Oktober abgeschlossen sein werden. Die Normalisierung der Nordseeproduktion spricht zudem für eine Verringerung der Preisdifferenz zwischen Brent und WTI, welche Mitte der Woche 19 USD je Barrel erreichte.

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Edelmetalle

"Buy the rumours, sell the facts", so könnte man gestern die Reaktion des Marktes auf die EZB-Zinsentscheidung und die anschließende Pressekonferenz beschreiben. Denn nachdem z.B. der Goldpreis im Vorfeld der EZB-Sitzung deutlich auf 1.714 USD je Feinunze und damit den höchsten Stand seit fast sechs Monaten gestiegen ist, setzten mit Beginn der Pressekonferenz Gewinnmitnahmen ein, die den Preis wieder unter die Marke von 1.700 USD drückten. Dabei hatte EZB-Präsident Draghi keineswegs enttäuscht, als er den unlimitierten Kauf von Staatsanleihen verkündete. Zudem gibt es für den Erwerb dieser Anleihen mit einer Laufzeit zwischen ein und drei Jahren relativ laxe Bedingungen.

Daneben verzichtet die EZB bei einem Zahlungsausfall oder Schuldenschnitt eines Landes der Eurozone auf ihren Anspruch der bevorzugten Behandlung. Außerdem hat sie die Anforderungen an die von den Banken zu erbringenden Sicherheiten weiter gesenkt. Angesichts dieser umfangreichen Maßnahmen fällt es kaum ins Gewicht, dass die EZB die Leitzinsen nicht geändert hat. Die gestrigen Entscheidungen haben unterstrichen, dass die EZB bereit ist, alles zu tun, um den Euro zu retten. Da dies unweigerlich zu höherer Inflation führen wird, sollte Gold davon profitieren. Im Falle enttäuschender US-Arbeitsmarktdaten heute Nachmittag könnte der Fed-Vorsitzende Bernanke bei der nächste Woche stattfindenden Sitzung der US-Notenbank Fed "QE3" verkünden. Dies würde den Rohstoffpreisen und allen voran Edelmetallen deutlichen Auftrieb geben.


Industriemetalle

Der im Hafen von Tianjin in China festgestellte Preis für Eisenerz ist zwar gestern nicht weiter gefallen, bleibt aber mit 87 USD je Tonne nahezu auf dem tiefsten Stand seit Oktober 2009. Dadurch werden aber immer mehr Eisenerzproduzenten unprofitabel. Berechnungen von Bloomberg zufolge machen auf dem gegenwärtigen Preisniveau rund 20% der weltweiten Produzenten Verluste - fast ausschließlich in China. Dies dürfte dazu führen, dass die chinesischen Eisenerzproduzenten ihre Produktion drosseln werden und die Händler sich verstärkt auf dem Weltmarkt nach Angebot umschauen - zumal das chinesische Eisenerz mit einem Eisenanteil von gut 30% im internationalen Vergleich qualitativ betrachtet deutlich niederwertiger ist.

Einhergehend mit den aktuell niedrigen Frachtraten - der Baltic Dry Index ist auf ein 7-Monatstief gefallen - dürfte dies in den kommenden Monaten zu erhöhten Importen in China führen und damit den Eisenerzpreis stützen. Einer deutlich steigenden Nachfrage nach Eisenerz könnte allerdings der geplante Abbau von Überkapazitäten in der chinesischen Stahlindustrie entgegenstehen, dem Hauptabnehmer für Eisenerz. Diese werden vom Ministerium für Industrie und Informationstechnologie auf über 160 Mio. Tonnen beziffert. Anderen Angaben zufolge könnten sich die Überkapazitäten sogar auf mehr als 200 Mio. Tonnen belaufen, da in manchen Fällen Stahlhütten ihre Kapazitäten zu niedrig ausweisen.


Agrarrohstoffe

Der meistgehandelte Kakaokontrakt notiert derzeit mit knapp 2.700 USD je Tonne auf einem 10-Monatshoch. Zwar fiel das Angebotsdefizit für das Erntejahr 2011/12 im letzten Quartalsbericht der Internationalen Kakao Organisation geringer aus als zunächst angenommen. Dass die Preise in den letzten zwei Wochen dennoch um mehr als 10% gestiegen sind, dürfte daran liegen, dass das anhaltend trockene Wetter in Westafrika die Ernteaussichten für die im Oktober beginnende Haupternte eintrübt und somit die Angebotsrisiken für 2012/13 erhöht. In einigen Gebieten der Elfenbeinküste und Ghanas hat es in den vergangenen 45 Tagen nur 10-30 Prozent der üblichen Regenfälle gegeben. Allerdings sind für die kommenden Tage Niederschläge angekündigt, was zu einem Preisrückgang beitragen dürfte.

Der Preis für Kaffee Arabica erreichte gestern mit 157 US-Cents je Pfund ein 2½-Monatstief. Die Ernte eines Hochertragsjahres in Brasilien dürfte weitgehend eingebracht sein, was die weltweite Angebotssituation entspannt. Zusätzlich bestehen Hoffnungen, dass sich die Bohnenqualität aufgrund der günstigen Wetterbedingungen verbessern könnte. Der Fokus dürfte sich nun verstärkt auf die im Oktober beginnende Ernte in Kolumbien richten, wo erneut mit einer enttäuschenden Erntemenge zu rechnen ist. Aus diesem Grund sollte der Preis einen Boden finden und mit Blick auf die kommende Niedrigertragsernte in Brasilien wieder steigen.




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