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Irland steht weiter im Fokus - Klartext zur Faktenlage und zu Moody’s!

23.11.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute morgen (06.35 Uhr) bei 1.3585, nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3547 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 83.40. In der Folge notiert EUR-JPY bei 113.30, während EUR-CHF bei 1.3450 oszilliert.

Selten lagen Faktenlage, Marktverständnis der Situation und daraus abgeleitet Marktreaktion weiter von einander entfernt als heute.

Irland wurde vom Finanzmarkt, maßgeblich über den unregulierten "Schwanz des Hundes" "Credit Default Swap Market", der den Hund "Regulierter Staatsanleihemarkt" dominiert, genötigt, Hilfen des IWF und der EU anzunehmen, obwohl es sachlich nicht geboten war.

Nachdem nun Hilfen des IWF und der EU zur Verfügung gestellt werden, geht die Stimmungsparty gegen Irland und damit auch die Eurozone weiter!

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Faktenlage der Liquidität:
  • Irland ist bis Mitte 2011 voll durchfinanziert und muss den Finanzmarkt bis dahin nicht in Anspruch nehmen.
  • Irland hält eine jederzeit verfügbare Liquiditätsreserve von 22 Mrd. Euro. Deutschland hat so etwas nach meinem Wissensstand nicht.
  • Irland hat jederzeit Zugriff auf einen Pensionsfonds in einem Volumen von 25 Mrd. Euro. Hier ergibt sich eine zusätzliche Liquiditätsreserve.
  • Ergo stehen Irland liquide Mittel in Höhe von 47 Mrd. Euro jederzeit zur Verfügung. So etwas hat kein anderes Reformland vorzuweisen!
  • Der IWF wird zusammen mit der EU Irland Mittel in einem Volumen von circa 90 Mrd. Euro zur Verfügung stellen.
  • Großbritannien und Schweden bieten bilaterale Kreditlinien in einer Größenordnung von circa 10 Mrd. Euro an.

Irland braucht bis Mitte 2011 keine Mittel des Finanzmarkts. Irland steht voraussichtlich seitens des IWF und der EU inklusive bilateraler Hilfen Großbritanniens und Schwedens circa 100 Mrd. Euro Mittel zur Verfügung. Weiterhin steht eine eigene Liquiditätsreserve von 47 Mrd. Euro zur Verfügung.

Mithin ergibt sich für den Zeitpunkt nach Mitte 2011 eine Reserve von circa 147 Mrd. Euro für Irland.

Bei einer jährlichen Gesamtwirtschaftsleistung von circa 200 Mrd. Euro entspricht dieser Reserverahmen knapp 75% der Wirtschaftleistung eines Jahres. Es gibt nach meiner Kenntnis kein anderes Land weltweit, das einen derartigen Reserverahmen vorzuweisen hat.

Wenden wir uns den Fakten zum Geschäftsmodell Irlands zu:
  • Irland hat bereits mit Ausbruch der Krise Reformen beschlossen.
  • Irland wird weitere Reformschritte einleiten. Diese beziehen sich vor allen Dingen auf Verringerung sozialer Kosten und Erhöhung der Kompetitivität (Senkung des Mindestlohns)
  • Irland hält an seinen niedrigen Unternehmenssteuern (12,5%) fest, da diese ein integraler Bestandteil des Geschäftsmodells sind.
  • Irlands Problem ist nicht das Geschäftsmodell der Wirtschaft, sondern das Bankenproblem.
  • Irlands Banken werden in Folge der Krise restrukturiert.
  • Der globale Aufschwung verleiht den Reformen Irlands Rückenwind.
  • Die Mittel des Staates, die zur Bankenrettung aufgewendet werden, zählen voll als Defizit, sie sind aber nicht gleichzusetzen mit Verlusten!

Wir sind bei Irland also mit einem reformfreudigen Land konfrontiert, dessen Geschäftsmodell mit Ausnahme des Bankensektors in Ordnung ist. Der Finanzmarkt hat ein erkennbares Problem, zwischen öffentlicher Mittelverwendung und der Bewertung von Verlusten zu unterscheiden.

Vor diesem sachlichen Hintergrund der Liquiditätslage, die grundsätzlich historisch einmalig positiv ist und der Tatsache, daß Irland reformfreudig seine Zukunft neu gestaltet, kommt die Ratingagentur Moody’s auf die Idee, eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Irlands um mehrere Stufen zu erwägen.
  • Wir nehmen das zur Kenntnis und fragen uns, ob diese zuvor dargestellten Fakten für Moody’s keine Rolle spielen.
  • Wir fragen uns, wie Moody’s dann die USA so beurteilen kann, wie es Moody’s derzeit macht. Die USA sind das Land, das überhaupt keinen Plan hat, wie mit der überbordenden Gesamtverschuldung umgegangen werden soll! Darüber ist es bei den USA nicht nur ein Bankenproblem, sondern es dreht sich um ein krankes Geschäftsmodell!

Nehmen wir die Daten des IWF noch einmal auf:
  • Bei Irland ist in der Staatsverschuldung erst bei 250% des BIP ein Staatsbankrott unausweichlich. Aktuell stellt sich die Verschuldung auf knapp 90%.
  • Bei den USA liegt das Niveau des "Point of no Return" eines Staatsbankrotts laut IWF bei circa 180% des BIP. Die USA stehen derzeit bei 95% und werden im laufenden Fiskaljahr eine Zunahme zwischen 10%-12% aufweisen!

Noch Fragen Kienzle? - Nein Hauser!

Bei der Bewertung des Sektors "Sovereign Risk" durch Ratingagenturen drängt sich ein unangenehmer Geruch politischer Einseitigkeit auf!


Wenden wir uns den Veröffentlichungen der Wirtschaftsdaten zu:

Das Verbrauchervertrauen legte per November in der Eurozone von zuvor -10,9 auf -9,5 Punkte zu und setzte damit einen positiven Akzent, der belegt, daß die Staatsdefizitdebatte nicht entscheidende Traktion entwickelt. Bezüglich der dargestellten Faktenlage ist das auch gut so!

Aus den USA stand der "Chicago Fed National Activity Index" per Oktober auf der Agenda. der Index legte von -0,52 (revidiert von -0,58) auf -0,28 Punkte zu. Unsere Erwartung, daß sich hier eine positive Entwicklung einstellt, ist damit erfüllt worden. Der Blick auf den Chart verdeutlicht, daß sich eine deutliche Normalisierung der Konjunkturlage in den USA ergeben hat.

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Zusammenfassend ergibt sich derzeit ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.3850 - 1.3880 dreht den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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