Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Interview mit Dr. Kurt Richebächer

06.01.2003  |  Dr. Kurt Richebächer
- Seite 3 -
Frage: Warum sind Investitionsausgaben und Kapitalbildung so wichtig?

Richebächer: Im Grunde dreht sich alles um Kapitalinvestition. Sie ist die kritische Masse im Prozeß des volkswirtschaftlichen Wachstums, welcher all die Dinge erzeugt, die Wohlstand und Lebensstandard anheben. Kapitalinvestition bedeutet die Errichtung neuer Gebäude, Anlagen und Maschinen. Dies erzeugt Nachfrage, Beschäftigung, Einkommen, Gewinne und greifbares Vermögen. Die Installation dieser Kapitalgüter erzeugt wachsende Nachfrage, Produktivität, Beschäftigung, Einkommen und Gewinne, welche nebenbei auch die Kredite tilgen. Man merke sich, daß Kapitalbildung strategisch wichtig ist, um allgemeinen Wohlstand zu erzeugen.


Frage: Verstehe. Was also verursacht den Gewinnrückgang, welcher die Kapitalinvestition ruiniert?

Richebächer: Lassen Sie mich zunächst sagen, wenn Sie die Schlüsselrolle der Gewinne bei der Gestaltung der volkswirtschaftlichen Aktivität bedenken, ist es verwunderlich, wie wenig Aufmerksamkeit dieses außergewöhnliche Blutbad bei den Gewinnen erhält. Vor allem da nichts in Sicht ist, was die Profitabilität der US-Unternehmen verbessern und die kommerzielle Kapitalinvestitionen stimulieren könnte.


Frage: Nennen Sie uns den Grund für das Gewinnproblem.

Richebächer: Kostensenkungen der Unternehmen zum Beispiel. Die weitverbreiteten Maßnahmen, welche einzelne Firmen durchführen können, um ihre eigenen Gewinne zu verbessern, haben insgesamt den gegenteiligen Effekt auf die Gewinne anderer Firmen. Kommerzielle Ausgaben sind die Hauptquelle kommerzieller Einnahmen, nicht die Verbraucherausgaben. Eine Kürzung in kommerziellen Ausgaben kürzt kommerzielle Einnahmen. Höhere Gewinne und höherer Reichtum können nicht einfach aus der allgemeinen Kostensenkung entstehen.


Frage: Was sonst beeinträchtigt die Gewinne?

Richebächer: Steigende Wertminderung auf Anlagen und Ausstattung nagt an den Gewinnen.


Frage: Und?

Richebächer: Unternehmen nehmen gewaltige Summen an neuen Krediten auf, und die Zinslasten sind ein rekordhoher Aufwand. Beispielsweise schluckte Zinsaufwand 1997 23% der Gewinne in der Fertigung, 2001 waren es fast 100%.


Frage: Aber die geliehenen Gelder flossen in produktive Anlagen, welche Gewinne steigerten, oder?

Richebächer: Nur wenig floß in wirklich neue Investitionen. Das größte Batzen ging drauf für Fusionen, Übernahmen und Aktienrückkäufe, trug rein gar nichts zur Produktionskapazität bei. Gewaltige Summen lösten sich in wertlosem Goodwill auf, was die absurd hohen Zahlungen für Übernahmen reflektiert.


Frage: Nichts von dieser Kreditaufnahme hat den Gewinnen genutzt?

Richebächer: Nein. Als die Gewinne runtergingen, haben die Konzerne effektiv ihre Bilanzen und Kreditratings ruiniert. Der Verfall der Kreditqualität ist unglaublich.


Frage: Zurück zur Diskussion über Gewinnprobleme. Was zehrt noch an den Gewinnen?

Richebächer: Der wichtigste von allen. Das US-Handelsbilanzdefizit hat die US-Unternehmensgewinne vernichtet. In vier Jahren steigerte sich dieses von 128 Milliarden Dollar auf 450 Milliarden jährlich.


Frage: Wie drückt das Handelsbilanzdefizit auf die Gewinne?

Richebächer: Indem es regelmäßiges Einkommen und Ausgaben von inländischen Herstellern auf ausländische Hersteller umleitet. Das Handelsbilanzdefizit impliziert einen direkten Transfer der Gewinne der Vereinigten Staaten ins Ausland. Angesichts der monströsen Größe des Defizits muß es die US-Gewinne praktisch massakrieren.


Frage: Was bewirkt dieser Gewinnrückgang für den Aktienmarkt?

Richebächer: US-Aktien sind auch heute noch überbewertet. Der schlimmste Teil des Bärenmarktes wird noch kommen und wird ind einer vollständigen Zerstörung des finanziellen Reichtums enden, welcher aus der Blase gezogen wurde.


Frage: Noch vor ein paar Jahren hörten wir Geschichten von einem endlosen Boom und einer neuen Ära. Was ging schief?

Richebächer: Amerikas neues Markenzeichen des Kapitalismus funktionierte nicht. Konzernmanager konzentrierten sich darauf, Shareholder Value zu schaffen, indem sie Aktien zurückkauften, Kosten senkten, Fusionen und Akquisitionen durchführten. Diese Strategie half, Aktienpreise in absurde Höhen zu schrauben, jedoch waren die Auswirkungen für die Volkswirtschaft zerstörerisch.


Frage: Warum?

Richebächer: Mr. Cook, diese Strategien bauen keine Fabriken. Sie steigern nicht die kommerziellen Einkommen. Im selben Umfang wie sie neue Investitionen verhindern, was sie tun, so reduzieren sie auch die Gewinne.


Frage: Können Sie das ausführlicher erläutern?

Richebächer: Steigender Wohlstand und steigende Lebensstandards kommen nicht durch existierende Fabriken, sondern durch neue Fabriken. Es ist nicht Produktivität, welcher Reichtum erzeugt. Es sind allein die Investitionsausgaben, nicht die Verbraucherausgaben, welche wirtschaftlichen Wachstum antreiben. Die bereichernden Wirkungen des freien Unternehmertums sind immer durch den Bau von Fabriken entstanden, nicht durch den Aktienmarkt oder rücksichtslose Konsumenten-Kreditkäufe.


Frage: Sie meinen, diese Unternehmen haben ihr Kapital für finanztechnische Zwecke und Spekulation statt zum Bau produktiver Anlagen genutzt?

Richebächer: Absolut richtig. Beispielsweise sind die meisten Gewinne im Hightech-Sektor durch hohe Gewinne am Aktienmarkt entstanden.


Frage: Sagen sie damit, daß die neue Informationstechnologie keine Gewinne macht?

Richebächer: Ja, und es ist pure Ironie, daß die schlechtesten Gewinnzahlen aus dem Hightech-Sektor kamen, für welchen die Wall Street nie dagewesene Wunder der Produktivität und Gewinnsteigerung herumposaunte. Diese schwachen Gewinne haben sich in der Folge in einen Gewinnzusammenbruch verwandelt.


Frage: Was ist Ihre Erklärung für das Versagen?

Richebächer: Die Wichtigkeit der Information und Informationstechnologie für Produktion und Wohlstandsbildung wurden lächerlich überschätzt.


Frage: Hat nicht Hightech die höchsten Produktivitätsgewinne?

Richebächer: Solcher Produktivitätswachstum ist statistische heiße Luft.


Frage: So weit würde ich nicht gehen. Ich weiß, Sie halten hedonistische Preisermittlung für statistischen Unfug.

Richebächer: Wenn sie diese statistische Frisierung sehen, sie läßt uns nachdenken, ob nicht etwa systematische Täuschung hinter diesen Praktiken liegt.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"