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Interview mit Dr. Kurt Richebächer

06.01.2003  |  Dr. Kurt Richebächer
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Frage: Okay, fahren wir fort. Sie haben die Wirkung von Fusionen, Akquisitionen und Aktienrückkäufen auf Konzernbilanzen der neuen Ära nicht erwähnt.

Richebächer: Konzernmanager haben ihre Bilanzen mit der Rücksichtslosigkeit von Desperados gehebelt, welche kurzfristig viel zu gewinnen und langfristig wenig zu verlieren haben. Sie haben ihre Bilanzen ruiniert, um die zunehmend unbefriedigende Gewinnleistung zu verbergen und auszugleichen.


Frage: Klingt übel.

Richebächer: Sie haben teurere Kredite gegen Aktien getauscht. Der Trick war, die Investoren zu täuschen, indem sie die Zahl der Aktien reduzierten.


Frage: Ich möchte erwähnen, daß Sie lange vor allen anderen wegen dieser dubiosen Geschäftspraktiken die Alarmsirenen ertönen ließen.

Richebächer: Der plötzliche Ausbruch der Gewinn-Täuschungsmanöver fußte auf dem allgemeinen Wunsch, die katastrophale Gewinnsituation zu verstecken. Das ist als der kritische Punkt zu identifizieren.


Frage: Manche würden behaupten, daß es die Aktienpreise anhob?

Richebächer: Bloß für eine gewisse Zeit. Bestenfalls haben sie sich mit Krediten belastet, welche die Gewinne schmälern, schlechtestenfalls haben sie ihre Ehre und ihre Zukunft zerstört.


Frage: Was sind die Konsequenzen von so viel aufgenommenen Krediten?

Richebächer: Nachlassende Kreditverfügbarkeit für Konzerne und die Möglichkeit einer Kredit-Krise. Schwer angeschlagene, schwache Bilanzen und schwache Gewinnleistung haben die Kreditwürdigkeit der Konzerne schwer reduziert. Ich kann mir bei dieser heiklen Lage kein gutes Endergebnis vorstellen.


Frage: Lassen Sie uns einen Moment über Ersparnisse sprechen. Was sind Ihre Bedenken bei der geringen Sparquote?

Richebächer: Ersparnisse sind die unentbehrliche Bedingung für Wirtschaftswachstum. Ohne Ersparnisse aus dem regelmäßigen Einkommen kann keine Zuname an produktiven Anlagen oder Aktienkapital entstehen.


Frage: Wie kommt es, daß Volkswirtschaftler hier kein Problem erkennen können?

Richebächer: Es gibt da eine allgemeine Weigerung, die Wirklichkeit zu betrachten. Die völlige Aufzehrung aller nationalen Ersparnisse ist für die US-Volkwirtschaft die heikelste Lage von allen. Diese sind die Kapitalquelle der Volkswirtschaft.


Frage: Was ist aus den Ersparnissen geworden die wir schon hatten?

Richebächer: Sie wurden verschleudert, um Ausgaben zu bezahlen, die der Verbraucher nicht von seinem regelmäßigen Einkommen bezahlen kann. Und Konzerne haben ihre Dividentenzahlungen aus ihren Nettogewinnen finanziert.


Frage: Was passiert mit Ländern mit geringen Ersparnissen?

Richebächer: Sie haben geringe Investitionen, geringe Löhne und geringe Gewinne.


Frage: Aber die Regierungsvolkswirtschaftler und die Fed sagen, wir müßten das nicht mit Ersparnissen machen, wir könnten es kreditfinanziert machen. Was ist damit?

Richebächer: Ha! Ich glaube kaum, daß man die Sünde zur Tugend erklären kann. (Bessere Übersetzung für "turn vice into virtue"?)


Frage: Warum nicht?

Richebächer: Kredit schafft Kaufkraft aus dem Nichts. Kredit allein kann nicht dauerhaft eine Volkswirtschaft stützen. Die sich heute aufblähende Schuldenlast wird irgendwann zurückgezahlt werden müssen. Ich habe kaum Zweifel, daß eine Schuldenkrise bevorsteht. Wenn die meisten der Schulden für unproduktive Zwecke wie Konsum und Spekulation verwendet werden, muß es letzten Endes in eine Schuldenfalle führen. Die hemmungslose Verschulden ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn.


Frage: Ein Großteil davon ist Hypothekenrefinanzierung, nicht wahr?

Richebächer: Man ist geneigt zu sagen, die amerikanische Öffentlichkeit mache ihr Zuhause zu Geld.


Frage: Das beunruhigt Sie?

Richebächer: Ich kann nur sagen, daß in Europa niemand, weder der Hausbesitzer noch der Bankier in Erwägung ziehen würde, jemandens Haus als Sicherheit zu nutzen, außer vielleicht im Falle eines Notfalls.


Frage: Ich habe noch nie einen amerikanischen Volkswirtschaftler oder Sprecher der Wall Street sich dagegen aussprechen sehen. Tatsächlich ermutigen sie dazu.

Richebächer: Zweifellos. Hypothekenrefinanzierung und Eigenheimbeleihung standen im Epizentrum der Kreditexplosion. Ich muß zugeben, daß ich diese Komponente der amerikanischen Blase grob unterschätzt habe. Ich kann nur sagen, daß die letzten Zweifel ausgeräumt hat, daß dies die bei weitem größte und schlimmste Kreditblase ist, welche die Welt je gesehen hat.


Frage: Aber nur Sie und eine handvoll Kritiker erwähnen das. Die Öffentlichkeit mag es, und jeder im Hypothekengeschäft nickt zustimmend.

Richebächer: Sollen sie es genießen solange sie es noch können. Das US-Finanzsystem von heute hängt in einer gefährlichen Lage. Es ist wie ein Kartenhaus, aus nichts anderem aufgebaut als aus finanziellen Hebeln, Kreditexzessen, Spekulation und Derivaten.


Frage: Werden wir runterfallen und krachen?

Richebächer: Ich würde sagen, bereiten Sie sich auf weit schlimmeres vor.


Frage: Was ist die wahre Natur dieser Rezession, welche Sie vorhersagen?

Richebächer: Sie wird sich als ungewöhnlich schwer und tief erweisen.


Frage: Warum?

Richebächer: Der Schlüssel zur Ergründung der Schwere der kommenden Krise liegt in der Schätzung der Verletzlichkeit einer Volkswirtschaft und ihrem Finanzsystem, welche seit Jahren der rücksichtslosesten Finanzexpansion und Spekulation in der Geschichte ausgesetzt war.


Frage: Das ist die Österreichische Theorie vom Wirtschaftskreislauf, richtig?

Richebächer: Ja, die Länge und Schwere von Rezessionen oder Depressionen hängt kritisch von der Größe der Beeinträchtigung und Unausgeglichenheit ab, die sich in der Volkswirtschaft während des vorhergehenden Booms aufgestaut hat.


Frage: Und darum sagen Sie konsequent voraus, daß der US-Volkswirtschaft eine harte Landung bevorsteht?

Richebächer: Ja. Lassen Sie mich es zusammenfassen. Die US-Wirtschaft der 90er rangiert als die schlimmste Blasenwirtschaft der Geschichte. Der Boom wurde auf nichts anderem als Hebeln über Hebeln errichtet. Eine schwindende Versorgung von Binnenersparnissen wurde durch grenzenlose Kreditschöpfung zur Hebelung von Immobilienanlagen mehr als subventioniert.


Frage: Und die Fed ist schuld?

Richebächer: Es ist sehr wichtig zu erkennen, daß die Federal Reserve jegliche Kontrolle des Geldes und der Kreditschöpfung aufgegeben hat. Die Macht der amerikanischen Kreditmaschinerie, Kredite aus dem Blauen heraus zu schöpfen ist einzigartig und nie dagewesen.


Frage: Nun, manche würden sagen, es hätte die Wirtschaft gerettet.

Richebächer: Diese exzessive monetäre Schlaffheit hat nur die unausweichliche Krise verschoben und verschlimmert.


Frage: Lassen Sie uns über den Dollar sprechen. Sie haben gesagt, daß er schwächer werden wird, und zu einem gewissen Grad ist er das schon. Wird noch mehr Schwäche eintreten?

Richebächer: Wir schätzen es als unentrinnbares Ereignis ein. Wachsende Desillusionierung mit der US-Volkswirtschaft werden der Auslöser sein.


Frage: Aber mag die Welt nicht einen starken Dollar?

Richebächer: Es gefiel dem Rest der Welt, weil es ihre Exporte ankurbelte, und es gefiel den USA da es ihre Finanzmärkte ankurbelte. Aber tatsächlich waren die gewaltigen Kapitalflüsse in die Staaten die einzige und wichtigste Säule der US-Finanzmärkte geworden. Nehmen sie diese Säule weg, und diese Märkte werden augenblicklich kollabieren, was verwüstende Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben wird, was sich schnell in einen wilden Kreditcrash verwandeln wird.


Frage: So schnell könnte das gehen?

Richebächer: Tatsache ist, daß die Aussetzung der US-Finanzmärkte gegenüber ausländischen Investoren und Kreditgebern über die letzten Jahre in solch einer grotesken Größenordnung zugenommen hat, daß eine kontrollierte, allmähliche Dollarentwertung nicht länger machbar erscheint. Unter den heutigen extremen Bedingungen gibt es nur die Alternativen starker oder kollabierender Dollar.


Frage: Gibt es eine Medizin dagegen?

Richebächer: Um das schlimmste zu vermeiden könnte die Fed gezwungen sein, die Zinssätze drastisch anzuheben.


Frage: Oh mein Gott!

Richebächer: Die Gefahren, die an der Währungsfront lauern, sind immens. Das schwerstens ausgehebelte US-Finanzsystem ist feindlich gegenüber einem starken Dollar und großen Kapitalzuflüssen. Das US-Handelsdefizit und die angestaute Verschuldung im Ausland haben ein Ausmaß erreicht, welche sich jeder möglichen Handlung durch Zentralbanken widersetzen. Das Schicksal des Dollars ist bar jeder Kontrolle.

Vielen Dank.


© Dr. Kurt Richebächer (12/2002)

Quelle: Investmentrarities.com übrsetzt von Kai Hackemesser






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