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IWF fordert mehr Zeit zur Konsolidierung der Reformländer

12.10.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.54 Uhr) bei 1.2935, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2952 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.00. In der Folge notiert EUR-JPY bei101.30, während EUR-CHF bei 1.2085 oszilliert.

Aufgrund der Brisanz der politischen Entscheidungenmöchten wir den heutigen Forex Report nutzen, um auf einen Reuters Artikel einzugehen, der sich ausführlich mit den letzten Entwicklungen auseinandersetzt.

Tokio/Berlin, 11. Okt (Reuters) - IWF-Chefin Christine Lagarde will in Griechenland und anderen Euro-Schuldenstaaten die Sparschraube lockern und stößt damit auf den Widerstand der Bundesregierung. Griechenland solle zwei Jahr mehr Zeit zur Haushaltssanierung bekommen, sagte Lagarde am Donnerstag bei einer Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Tokio: "Manchmal ist es besser, etwas mehr Zeit zu bekommen."

Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnte dies ab undwandte sich auch gegen einen zweiten Schuldenschnitt in Griechenland zulasten der öffentlichen Gläubiger. Die privaten Gläubiger sollten sich langsam aber sicher auf einen zweiten Forderungsverzicht einstellen ...

Aus Sicht der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute lassen sich die Probleme allerdings mit Reformen allein nicht lösen. Das haben auch unsere Politiker teilweise erkannt und Wachstumsimpulse angestoßen. Diese wirken allerdings erst mittel- bis langfristig und können daher zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Wirkung zeigen.

Lagarde sagte, sie sei wiederholt dafür eingetreten, dass angeschlagene Euro-Staaten mehr Zeit zur Konsolidierung bekämen. Auch bei Portugal und Spanien habe sie dafür plädiert. Dies gelte vor allem, wenn mehrere Länder gleichzeitig Sparprogramme auflegten, um ihre Defizite zu verringern. Wir stimmen Frau Lagarde voll zu. Sie muss hier mitdeutscher Gegenwehr rechnen. Bundesbankpräsident Weidmann sieht hier drin ein weiteres Zeichen dafür, dass sich die Politik wieder auf die Zentralbanken verlässt. Er sieht aber die Politik in der Pflicht, um die Staatsschuldender Euroländer in den Griff zu bekommen.

Mit ihrer Forderung schlug sich Lagarde auf die Seite der griechischen Regierung, die zwei Jahre mehr Zeit verlangt, um die im Gegenzug für die Hilfen zugesagten Reformen umzusetzen. Sie will die Rezession nicht weiter verschärfen. Der IWF und die EU-Kommission haben die Bremswirkung des Sparens lange Zeit unterschätzt, wie der IWF Chefökonom Blanchard mitteilte. Er plädiert inzwischen dafür, dass ein Land nicht auch noch zusätzlich sparen soll wenn das Wachstum schlechter als erwartet ausfällt.

Der IWF hatte auch ins Gespräch gebracht, den Griechen weitere Schulden zu erlassen, nachdem die privaten Gläubiger dem Land im Frühjahr bereits 100 Milliarden Euro gestundet hatten. Diesmal wären allerdings die öffentlichen Geldgeber an der Reihe, bei denen mittlerweile der Hauptteil der griechischen Schulden liegt: Dies sind der IWF, die EZB und die Steuerzahler der anderen Euro-Staaten.

Deutschland hat dem Land allein im Rahmen des ersten Hilfspakets 15,2 Milliarden Euro als Nothilfe überwiesen. Damit würden sowohl die EZB und auch der IWF ihre Rolle als vorrangiger Gläubiger aufgeben. Da nicht damit zu rechnen ist, dass der IWF auf einen Teil seiner Forderungen verzichten wird, darf diese Form eines weiteren Schuldenschnitts in dieser Form als unwahrscheinlich angesehen werden. Die EZB Regelungen verbieten darüber hinaus direkte Staatsfinanzierung, wie ein etwaiger Forderungsverzicht auf Griechenlandforderungen interpretiert werden würde.

Schäuble sagte dagegen, Europa sei auf Kurs und habe bereits mehr geschafft, als der übrigen Welt vielleicht klar sei. Endlich werden die Reformerfolge nicht mehr totgeschwiegen, sondern - wenn auch sehr kurz gehalten - in die Öffentlichkeit gebracht. Stattdessen wurden in den vergangenen Monaten hauptsächlich nominelle Ziele in den Vordergrund gestellt, die unter oben genannten Schwierigkeiten häufig nicht erreicht werden konnten. So wurde eine negative Grundstimmung geschaffen, die dafür gesorgt hat, dass Kapitalströme in das Land vollständig zum Erliegen kamen.

Dem Herbstgutachten der Forschungsinstitute zufolgegibt es zu einem Schuldenschnitt allerdings keine Alternative. "Wir vermuten, dass Griechenlandnicht zu retten ist", sagte der Kieler Ökonom Joachim Scheide. Sein Kollege Kai Carstensen vom Münchner Ifo-Institut sagte, Griechenland habe viel erreicht, es reiche aber nicht aus, um die Schuldentragfähigkeit schnell wiederherzustellen. Deshalb sagten die Institute: "Liquiditätshilfen - nein, Restrukturierung der Schulden - ja." Weitere Vermutungen und Schätzungen werden wir in den nächsten Wochen noch genug hören. Wir warten lieber auf Fakten aus dem Troika Bericht, der die weitere Richtung vorgeben wird.

Lagarde forderte nicht nur von Europa, sondern auchvon den USA mehr Einsatz bei der Lösung der Schuldenprobleme. Sie erwarte mutige und kooperative Schritte, um das Unbehagen der Firmen zu beseitigen, die wegen der Krise Investitionen und Einstellungen zurückstellten. Die Geldpolitik möchte sich aus ihrer führenden Rolle bei der Krisenbekämpfung zurückziehen und die Politik zu wirtschaftspolitischen Entscheidungen bringen. Dies ist absolut richtig, denn wir haben eine Strukturkrise und keine Liquiditätskrise.

US-Finanzminister Timothy Geithner sagte, in den USA öffne sich nach der Präsidentenwahl am 06. November bis zum Jahresende ein Zeitfenster zurVereinbarung eines Konsolidierungsplans. Dessen Volumen müsse etwa zwei bis drei Prozent desBIP betragen. Das sei bescheiden im Vergleich zu den Problemen in den meisten anderen Ländern der Welt. Die USA werden sich nicht dagegen wehren können, früher oder später auch reformieren zu müssen. Momentan befindet sich das Land in einer komfortablen Situation. Spätestens wenn sich die Eurokrise beruhigen sollte, werden die Investoren auf die „Sünder“ USA, GB und Japan kritischer bewerten.

Die Krise verschont auch nicht die aufstrebenden Staaten, die die Weltwirtschaft 2009 aus der Rezession geführt hatten. Brasilien hat die Leitzinsen am Mittwoch auf ein Rekordtief, gesenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln, Südkorea am Donnerstag."Die Entwicklungsländer, die ein Wachstumsmotor waren, werden nicht immun gegen die zunehmende Unsicherheit in der Weltwirtschaft sein", sagte Weltbankchef Jim Yong Kim. Als die Zinsen in Brasilien bei 45% waren (aktuell 7,25%) ging es Brasilien da besser als heute? Krise? Es ist vielmehr positiv, dass sich für die Notenbanken in den Schwellenländern Spielräume zur Lockerung der Zinsen geben, ohne Inflation zu kreieren.


Blicken wir auf die Konjunkturdaten von gestern:

Das Außenhandelsdefizit der USA vergrößerte sich imAugust stärker als angenommen. Der Wert von -44,2 Mrd. USD übertraf die Analystenprognosen um 0,2 Mrd. Im Vormonat lag der Wert bei -42,5 Mrd. USD. Die Binnennachfrage ging zurück und auch der Export litt und ging um 1% zurück.

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Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe fielen dagegen sehr stark um 30.000 im Gegensatz zur Vorwoche. Die Zahl von 339.000 Erstanträgen wurde damit zum ersten mal seit Februar 2008 wieder erreicht. Diese Zahl überraschte stark positiv. Ab einer Zahl von 350.000 und unterhalb wird von einem Rückgang der Arbeitslosenquote ausgegangen.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2600 - 1.2630 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Moritz Westerheide
Bremer Landesbank



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