Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Bekannte Fahrwasser an den Märkten - Ist extreme Austerität angemessen?

16.10.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (08.00 Uhr) bei 1.2970, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im asiatischen Handel bei 1.2978 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.88 In der Folge notiert EUR-JPY bei 102.30, während EUR-CHF bei 1.2093 oszilliert.

An den Finanzmärkten bewegen wir uns in bekannten Fahrwassern. Die Risikoaversion ist leicht rückläufig. Diese Konstellation ist jedoch bisher eher stochastisch geprägt und ist nicht in der Lage, die Kraft zu entwickeln, die für einen Ausbruch ausdem derzeitigen Korrektur- und Konsolidierungszyklus erforderlich wäre.

Es ist absolut zu begrüßen, dass wir in der Eurozone nachhaltige Reformpolitik umsetzen. Für einen nachhaltigen Erfolg einer solchen Politik darf jedoch nicht die Ökonomie stranguliert werden. Anders ausgedrückt bedarf es einer Reformpolitik, die die Kontraktion der Wirtschaftsleistung pro Jahr nicht stärker als 1% - 2% ausfallen lässt. Reformen brauchen einen Zeitraum bis sie greifen.

Wenn man wegen kurzfristiger Verfehlungen das Tempoder Reformen immer weiter aggressiv erhöht, kommt es zum konjunkturellen Infarkt, der alle bisherigen Reformen riskiert. Dabei liegt das Risiko nicht nur auf konjunktureller Seite, sondernauch auf gesellschaftspolitischer Seite. Die Situation in Griechenland ist das beste Beispiel für eine unsensible Gangart. Das Thema Portugal sollte mit der griechischen Lernkurve angemessener abgearbeitet werden. Kommen wir zu den portugiesischen Fakten:

(Reuters) - Portugal hat am Montag weitreichende Steuererhöhungen und Einschnitte angekündigt, stößt dabei aber auf immer größeren Widerstand in der Bevölkerung. Finanzminister Vitor Gaspar warnte, sollte der von den internationalen Geldgeber geforderte Sparkurs nicht eingehalten werden, drohe eine Katastrophe. Der Haushalt für das kommende Jahr sieht die bislang schärfsten Steuererhöhungen im Rahmen des Sparprogramms vor, die sich für einen durchschnittlichen Arbeiter auf bis zu drei Monatsgehälter summieren können. Die neuen Abgaben haben ein Volumen von 4,3 Milliarden Euro. Vor dem Parlament in Lissabon verlangten rund 2000 Demonstranten den Rücktritt der Mitte-Rechts-Regierung. Das südeuropäische Land steuert auf das dritte Jahr in der Rezession zu.

Die Regierung stellte den Sparkurs als alternativlos dar. "Der Spielraum für einseitige Entscheidungen existiert praktisch nicht", sagte Gaspar. Sollte der Haushalt abgelehnt werden, würde sich Portugal aus dem Hilfsprogramm verabschieden. Die Regierung in Lissabon muss massive Einsparungen im Haushalt vornehmen, um die Auflagen für die 78-Milliarden-Euro Hilfe der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen. Die oppositionellen Sozialisten nannten die Steuerpläne eine "fiskalische Atombombe" - sie verhindere Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Reine und aggressive Austeritätspolitik ist nicht angemessen. Es kommt auf die Dosierung an. Der Mensch kann ohne Salz nicht leben, zu viel Salz bringt ihn aber um. Der bisherige Weg, die strukturellen fiskalischen Defizite in den Griff zu bekommen, war erfolgreich. Die Defizite der Eurozone sind maßgeblich konjunkturell bedingt. Diesen Zusammenhang gilt es, in der Politik zu verstehen und angemessen damit umzugehen.

Der Blick auf nachfolgende Tabelle sollte noch einmal verdeutlichen, dass es um mehr geht als nur Portugal oder Griechenland. "Food for thought!“

Open in new window


Ja, reden wir kurz von unseren europäischen "Freunden“ auf der Insel. Nein, ich meine nicht die Helgoländer. Wir verweisen bezüglich der Fakten aufdie Rubrik "Letzte Nachrichten“. Wenn man in eine Gemeinschaftsinstitution einsteigt, dann gilt es auch, Gemeinschaft zu leben. Für Egoisten ist durchaus in einer Gemeinschaft Platz. Für Egozentriker ist grundsätzlich kein Platz, da sie alle anderen behindern. Die Rolle die das Vereinigte Königreich seit Beitritt zur EU spielte, ist analytisch sehr "spätviktorianisch“ und stört den Integrationsprozess der EU und der Eurozone erheblich. Die Latenz, mit der britische Extrawürste“ produziert werden, ist bei jeder "Extrawurst“ ein Schlag ins Gesicht der anderen Teilnehmer, weil sie faktisch einer Bevorteilung des UK und einer Benachteiligung aller anderen Teilnehmer gleichkommt. Anders ausgedrückt ist das Verhalten des UK respektlos. Es ist an der Zeit, sich über den zukünftigen Status des UK in der EU Gedanken zu machen.

Die Zahlen aus den USA gaben gestern keinen Grund zur Beanstandung. Alle Datensätze waren positiv geprägt. Der "NY Fed Manufacturing Index“ verbesserte sich per Oktober von bisher -10,41 auf -6,16 Punkte. Zwar wurde die Konsensusprognose bei -4,55 Punkte verfehlt. Die Lage hellt sich jedoch tendenziell auf.

Open in new window


Die US-Einzelhandelsumsätze setzten per Berichtsmonat September deutliche positive Akzente. Es kam zu einem Anstieg im Monatsvergleich um +1,1%. Ein wenig "I-Phone 5“ Effekt spielt fraglos eine Rolle. Die Prognose lag bei 0,8%. Mehr noch wurde der Vormonatswert von +0,9 auf +1,2% revidiert.

Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 5,4% nach zuvor 5,0%. Wir weisen darauf hin, dass diese Datenreihe nicht inflationsbereinigt ist. Die Boskin-Kommission hat die Preismessung in den USA Anfang der 90-er Jahre statistisch so nivelliert, dass Inflation deutlich zu gering ausgewiesen wird.

Open in new window


Die US-Lagerbestände verzeichneten einen Anstieg imMonatsvergleich um 0,58% nach zuvor 0,79%. Das aussagefähige "Inventory/Sales Ratio“ verharrte unverändert bei 1,28 Monatsumsätzen. Der Lageraufbau korreliert damit mit erhöhten Absatz.

Open in new window


Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2600 - 1.2630 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"