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Seitwärtsbewegung dominiert

23.10.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (08.00 Uhr) bei 1.3050, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.3083 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 79.90 In der Folge notiert EUR-JPY bei 104.25, während EUR-CHF bei 1.2107 oszilliert.

Die Märkte bewegen sich in bekannten Fahrwassern. Seitwärtsbewegung dominiert. Neue Erkenntnisse sind nur in Ansätzen gegeben, die nicht in der Lage sind, Trendbewegungen auszulösen.

Gestern wurden die Haushaltsdefizite diverser europäischer Länder per 2011 revidiert. Wir bedienen uns des Reuters Artikels. Unsere Einlassungen sind in blau eingefärbt. Zunächst erlauben wir uns festzustellen, dass hinsichtlich der Reformen und der damit verbundenen mittelfristigen Wirkungen der Blick durch die Frontscheibe wichtiger ist als der Blick in den Rückspiegel per 2011.

Im Kampf gegen die hohen Staatsdefizite haben die Euro-Krisenländer im vergangenen Jahr sehr unterschiedlich abgeschnitten. Richtig! Nach den am Montag vom Statistikamt Eurostat veröffentlichten Zahlen gingen die Defizite 2011 inGriechenland und Spanien kaum zurück und lagen nahe zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Portugal und Irland erzielten dagegen beachtliche Erfolge beim Abbau der Neuverschuldung. Alle vier Länder brauchen Finanzhilfe vom Euro-Rettungsfonds und sind daher zu harschen Spar-und Reformprogrammen verpflichtet.

Portugal gelang es, das Defizit 2011 auf 4,4 Prozent des BIP zu senken von 9,8 Prozent im Vorjahr. Das ist in der Tat substantiell, vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Bewertung der portugiesischen Staatsanleihen durchaus sachlich anfechtbar. Griechenland dagegen, wo die Schuldenkrise Ende 2009 ausgebrochen war, hatte im vergangenen Jahr ein noch größeres Minus in der Staatskasse als bisher bekannt. Eurostat revidierte die Quote um 0,3 Prozentpunkte nach oben auf 9,4 Prozent - das schmälert den Erfolg gegenüber dem Vorjahr, als das Defizit bei 10,7 Prozent lag.

Zu bedenken ist jedoch, dass die Wirtschaft um 7% kollabierte und damit nicht maßgeblich strukturelle, sondern konjunkturelle Aspekte sich belastend auswirkten. Der Politik der Eurozone ist bewusst, dass die konjunkturelle Stabilisierung der Reformländer nach den strukturellen fiskalischen Reformen zwingend erforderlich ist.

Die Bankenkrise bestimmte unterdessen die Schuldenstatistik Spaniens und Irlands. Da die Staatshilfen für irische Banken aus der Berechnung des Defizits 2011 herausfielen, sackte der Wert auf 13,4 Prozent vom Rekordwert 30,9 Prozent im Vorjahr. Für Spanien mussten die Statistiker die Kennzahl um fast einen Prozentpunkt auf 9,4 Prozentheraufsetzen. Das lag vor allem an den staatlichen Kapitalspritzen für drei notleidende Banken. Im Vorjahr hatte die Neuverschuldung bei 10,7 Prozent gelegen. Bankenhilfen sind grundsätzlich einmalige Maßnahmenund nicht extrapolierbar.

Die gesamte Euro-Zone hat das Defizit im vergangenen Jahr deutlich senken können auf 4,1 von 6,2 Prozent. Dazu trug vor allem Deutschland bei mit einem Rückgang auf 0,8 Prozent nach 6,2 Prozent 2010. Bisher lag die Quote bei 4,2%. Ergo sind 4,1% etwasbesser. Gegenüber USA, UK und Japan sind wir in der Tat das Paradepferd in der Neuverschuldung. Das gilt auch für die Reformpolitik.

Wenden wir uns kurz der FTD von gestern zu. In dem Artikel "Schmutzig - aber renditestark“ wird thematisiert, dass die USA den Europäern an den Kapitalmärkten den Rang ablaufen, obwohl sie ihre Schuldenprobleme weniger energisch angehen.

Lieber Herr Kirchner von der FTD, das ist eine recht beschönigende Umschreibung. Richtiger hieße es, dass die USA bisher noch gar nichts geleistet haben, außer mit Verbalakrobatik Erwartungen zu schüren und durch finanzielle Repression die Gläubiger zu schröpfen.

Richtig schreiben Sie in dem Artikel: "Mit ihrer Einschätzung (USA Gewinner am Kapitalmarkt) liegen Gross und El-Erian seit knapp zwei Jahren richtig, auch wenn das manchem Kritiker der US-Strategie gar nicht gefällt. Schließlich gehen die Länder der Euro-Zone ihre Probleme an mit Hilfspaketen, Strukturreformen und Sparmaßnahmen. So sollen die Schulden - zurzeit 87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - wieder heruntergefahren werden. Die USA steuern trotz eines Defizits von 110 Prozent des BIPs nur halbherzig gegen.“

Weiter schreiben Sie: "Folker Hellmeyer verleitete diese Betrachtung jüngst zu einem verbalen Tobsuchtsanfall. In einem Schwall politisch inkorrekter Worte schrieb sich der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank im Frühsommer seinen Frust von der Seele: "Sind wir intellektuell so behindert und haben so geringes Selbstbewusstsein, dass wir uns ein drittes Mal innerhalb von gut zehn Jahren von unseren Kollegen in London und New York das Fell über die Ohren ziehen lassen wollen? Es könne doch wohl nicht angehen, dass "Defizittäter" belohnt würden, "Defizitreformer" hingegen bestraft.“

Nun, ob das ein verbaler Tobsuchtsanfall war oder die sachliche Darstellung, dass uns die aus New York und London determinierten Sichtweisen in den letzten 12 Jahren teuer zu stehen gekommen sind, wenn sie sich gegen Sachlichkeit und Logik wendeten, ist mehr als diskussionswürdig. Fakt ist, dass bisher die Sichtweisen Londons und New Yorks dominierten. Das war auch bei der "Cash-Burn Rate“ und der "MBS Burn Rate“ zunächst so!

Fakt ist aber auch, dass das jedes Mal nach einer künstlich induzierten "Party“, an der die Finanzmedien breitwillig teilnahmen und kritische Distanz vermissen ließen, in einem Debakel endete, wenn die Sichtweisen nicht mit Nachhaltigkeit unterlegt waren. Das galt für den "Neuen Markt“, es galt auch für MBS. Nun sind wir mit den Thema USD und Staatsanleihen befasst …

Lieber Herr Kirchner, wer hat wohl damals sehr zeitig vor diesen Entwicklungen aus NY und London gewarnt und ist geflissentlich überhört worden? Sie können das im Internet nachlesen. Finanzökonomischer Masochismus ist weder mein Ding,noch das Ding der Bremer Landesbank!

Im letzten TV-Duell vor der Wahl hat US-Präsident Barack Obama erfolgreich versucht, mit scharfen Angriffen gegen seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney zu punkten. Dem früheren Gouverneur von Massachusetts warf der Amtsinhaber am Montag eine rückwärtsgewandte außenpolitische Agenda vor. In der Diskussion vermieden beide Kontrahenten Fehler. Obama, dessen Vorsprung deutlich reduziert ist, griff Romney latent an und fokussierte sich auf Romneys Schwächen.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2780 - 1.2810 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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