Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Die wahre Lehre vom Geld: Vor 100 Jahren erschien Ludwig von Mises' "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel"

27.11.2012  |  Presse
- Seite 5 -
Monetäre Konjunkturtheorie

Was später gewissermaßen zu einem "Kernstück" der Österreichischen Schule der Nationalökonomie werden sollte – die monetäre Konjunkturtheorie der Österreicher –, war ebenfalls bereits in Mises‘ "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel" enthalten.

Mises gab eine umfassende theoretische Erklärung des Konjunkturzyklus – des "Boom-and-Bust"-Zyklus. Dies gelang ihm, indem er drei bisher separate Theoriebausteine miteinander verband: (1) Die "Currency School", (2) Böhm-Bawerks Zins- und Kapitaltheorie und (3) Knut Wicksell’s Unterscheidung zwischen Marktzins und "natürlichem Zins".

Der "Boom-and-Bust-Zyklus" wird unweigerlich in Gang gesetzt, so Mises, wenn Banken neues Geld durch "Zirkulationskredit" – also das ungedeckte Kredit-Fiat-Geld – in Umlauf bringen.

Durch das Ausweiten des Zirkulationskredits wird der Marktzins unter sein "neutrales Niveau" gesenkt. Die gesamtwirtschaftliche Ersparnis sinkt zu Gunsten von mehr Konsum. Gleichzeitig steigt die Investitionsnachfrage, und die Volkswirtschaft beginnt, "über ihre Verhältnisse" zu leben.

Der gesunkene Zins befördert Investitionen, die ohne das Herabsenken des Zinses nicht angegangen worden wären. Knappe Ressourcen werden verstärkt in Investitionsgüter gelenkt zu Lasten der Konsumgüterproduktion.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion wird "zeitintensiver", oder: Die "Umwegsproduktion" nimmt zu. Das Produktionsangebot entspricht dadurch nicht mehr der "wahren Nachfrage" – schließlich hat sich die Zeitpräferenz der Marktakteure ja nicht verändert.

Die Folge ist: Der "Boom", der durch die Ausgabe von neuem Geld in Gang gesetzt wurde, ist nur von kurzer Dauer. Er mündet in einen "Bust". Er korrigiert die Fehler und Fehlinvestitionen, die im Zuge des Booms aufgebaut wurden.

Wie aber wird daraus ein Boom-und-Bust-Zyklus, also eine Abfolge von Boom und Bust? Mises erkannte die polit-ökonomische Dimension des Problems: Niemand mag den Bust, keine Regierung, die Unternehmensverbände nicht, die Gewerkschaften nicht und die Arbeitnehmer nicht.

Wenn sich ein Bust am Horizont zeigt, werden Rufe nach "Gegenmaßnahmen" laut. Die Zentralbank wird aufgefordert den Zins zu senken, um so den Bust in einen neuen Boom umzulenken. Das Spiel wiederholt sich: Es kommt zum Boom-und-Bust-Zyklus.

In seinem Magnum Opus Nationalökonomie aus dem Jahr 1940 formuliert er diese Erkenntnisse wie folgt: "Doch endlos hätte man den Aufschwung der Konjunktur durch Festhalten an der Kreditausweitung nicht verlängern können. Früher oder später muss es zum Zusammenbruch des durch die Kreditausweitung ausgelösten Aufschwungs kommen, und der Anpassungsprozess, den man Niedergang der Konjunktur nennt, wird umso schmerzlicher sein und umso mehr Zeit beanspruchen, je länger die Kreditausweitung fortgesetzt worden war und je grösser der Umfang der durch sie bewirkten Kapitalfehlleitung gewesen ist."


Welt-Zentralbankkartell

Am Schluss seines Buches formulierte Mises eine Sorge, und zwar die Sorge vor einer "Weltumlaufsmittelbank" beziehungsweise vor einem "Weltkartell der Umlaufsmittelbanken", die dann nämlich die Geldmenge, die Umlaufsmittelzirkulation, schrankenlos ausweiten und für große Inflation sorgen könnten.

Aus heutiger Sicht eine bemerkenswert weitsichtige Sorge. Denn die großen Zentralbanken dieser Welt haben eben diesen Weg der Kartellierung eingeschlagen: Sie haben ihre Geldpolitiken vereinheitlicht, aufeinander abgestimmt, haben damit den Wettbewerb des Geldes herabgesetzt und sind nun in der Lage, eine weltweite Politik der koordinierten Geldentwertung durchzuführen.


Was ist zu lernen?

Mises erkannte bereits 1912, dass das Ausgeben von ungedecktem, per Kredit "aus dem Nichts" geschaffenem Geld unweigerlich für Wirtschaftsstörungen sorgt. Er erkannte, dass das Teilreservebanksystem unweigerlich Krisen auslöst, und er sah auch die unheilvolle Rolle staatlicher Zentralbanken(-interventionen).

Im Grunde formulierte Mises bereits 1912 eine tiefgehende Kritik an einem Geldsystem, das erst Jahrzehnte später seine volle Gestalt annehmen sollte: das staatliche Geldproduktionsmonopol, in dem Geld per Kredit, dem keine Ersparnisse zugrunde liegen, geschaffen wird.

Wer Mises geldtheoretische Arbeit gelesen hat, der erkennt: Das ungedeckte Kredit-Fiat-Geldregime hat schwere ökonomische und ethische Defekte. Es ist inflationär; es begünstigt einige wenige auf Kosten vieler; es sorgt für Spekulationswellen, Fehlinvestitionen und "Boom-and-Bust"-Zyklen; und es führt letztlich in eine Depression.

Mises hatte stets die aktuelle Wirtschafts- und Politikentwicklung seiner Zeit klar im Blick. Er sah frühzeitig Probleme, als die amerikanische Regierung in den fünfziger Jahren immer mehr neue US-Dollar per Kreditvergabe in Umlauf brachte, die nicht durch Goldbestände gedeckt waren. Und genau das führte dann auch zum endgültigen Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods Anfang der siebziger Jahre und bereitete den Weg in das weltweite Papiergeldsystem.

Im Jahr 1953 – also noch zur Zeit des Systems von Bretton Woods – erschien Mises’ Buch in einer zweiten Auflage in englischer Sprache, versehen mit einem zusätzlichen Kapitel. Darin empfahl Mises eine Rückkehr zu "gutem Geld", das für ihn im Goldgeld bestand: Die Geldmenge ist vollständig durch Gold gedeckt, und die staatliche Zentralbank wird abgeschafft.

Mises’ Geldtheorie hat keinen Einfluss auf die Gestaltung der Geldordnung nach dem Zweiten Weltkrieg genommen, vor allem wohl, weil sie in der Mainstream-Volkswirtschaftslehre nicht Fuß fassen konnte. Der geld- und wissenschaftspolitische Betrieb ist anderen, keynesianisch-monetaristischen Lehren gefolgt.

Gleichwohl zeigt sich die Erklärungskraft von Mises’ geldtheoretischen Einsichten unübersehbar in der aktuellen globalen Schuldenkrise, die im Kern für den Niedergang interventionistischer-sozialistischer Wirtschaftspolitiken und ihrer ungedeckten Papier- beziehungsweise Kredit-Fiat-Geldsysteme steht – so, wie es Mises schon vor 100 Jahren theoretisiert hat.


© Thorsten Polleit


Thorsten Polleit, 44, ist Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Chefökonom und Mitglied im Verwaltungsrat der der Degussa Goldhandel GmbH, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance und Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama. Seine Website ist: www.thorsten-polleit.com.


[1] Mises, 1924, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 57.

[2] Angemerkt sei hier folgendes: Der amerikanische Anthropologe David Graeber, der mit seinem Buch "Schulden - Dier ersten 5000 Jahre" einen Welterfolg feiert und zur Lichtgestalt der "Occupy-Bewegung" aufgestiegen ist, fußt seine Geld- und Kapitalismuskritik auf Knapps Theorie - also auf einer falschen Theorie.

Ungewollt formuliert Graeber dabei jedoch eine richtige Kritik: Weil der Staat ja mittlerweile das freie Marktgeld zerstört und durch sein ungedecktes Kredit-Fiat-Geld ersetzt hat, trifft Graebers ökonomisch-ethische Kritik am heutigen staatlichen Geld in Gänze zu. Hingegen ist seine grundsätzliche Geld- und Kapitalismuskritik unhaltbar.


Literatur

Hülsmann, J. G. (2007), The Last Knight of Liberalism, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama.

Mises, L. von (1912), Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, München und Leipzig, Duncker & Humblot.

Mises, L. von (1976 [1929]), Kritik des Interventionismus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.

Mises, L. v. (1996), Human Action, 4th ed., Fox & Wilkes, San Francisco.

Rothbard, M. N. (1999), Ludwig von Mises: Dean of the Austrian School, in: 15 Great Austrian Economists, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, S. 143 - 166.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"