Edelmetalle: Robuste Nachfrage und Angebotsrisiken treiben Preise
30.11.2012 | Eugen Weinberg
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Die sich verbessernde Gesamtwirtschaft dürfte sich auch in einer höheren Silbernachfrage aus dem Immobilien- und Bausektor u.a. aufgrund von Investitionen in die Infrastruktur widerspiegeln. Dagegen könnte die Photovoltaikindustrie weiter unter Druck stehen, da die staatlichen Subventionen sukzessive zurückgeführt werden. Zwar dürfte der deutliche Rückgang der Nachfrage aus diesem Segment im nächsten Jahr gestoppt werden. Allerdings ist nicht mit einer Erholung zu rechnen, da u.a. der Silbergehalt in den Solarzellen abnimmt. Neben den traditionellen Industriesektoren trägt zudem eine Reihe von neuen bzw. Nischenanwendungen zum erwarteten Nachfrageanstieg bei. Haupttreiber des erwarteten Nachfrageanstiegs auf Länderebene soll insbesondere eine starke Nachfrage in China sein. Dort trägt der schnell steigende Lebensstandard dazu bei, dass z.B. vermehrt Elektronikgeräte nachgefragt werden. Ebenso sollte in diesem Land das Wachstum im Bausektor höher ausfallen als in den Industrieländern. So hat China schon in den letzten zehn Jahren massiv seinen Anteil an der Fabrikationsnachfrage von 8% im Jahr 2000 auf 18% im vergangenen Jahr gesteigert - auf Kosten von Europa.
In den nächsten drei Jahren dürfte China seinen Nachfrageanteil sukzessive ausbauen und zu den USA als größtem Silbernachfrager (24% Anteil) weiter aufschließen (Grafik 9). Für Indien sieht Thomson Reuters GFMS ebenfalls hohes Wachstumspotenzial, allerdings ist dort die Industrienachfrage relativ preissensitiv und könnte durch die hohen Silberpreise in lokaler Währung gebremst werden. Deutlich langsamer wachsen soll dagegen die Nachfrage in den Industrienationen, vor allem in Japan und in Europa.
Platin:
Mitte November hatte Johnson Matthey, der weltweit größte Verarbeiter von Platin und Palladium, seinen viel beachteten Marktbericht zur Gruppe der Platinmetalle veröffentlicht. Verglichen mit dem Bericht vom Mai, in welchem für das Jahr 2012 noch ein Angebotsüberschuss in Höhe von rund 400 Tsd. Unzen prognostiziert wurde, wurde nun im neuen Bericht die Prognose vollständig revidiert. So erwartet Johnson Matthey jetzt, dass der globale Platinmarkt 2012 ein Angebotsdefizit von 400 Tsd. Unzen aufweisen wird.
Allein aufgrund der langwierigen Streiks hat der weltweit größte Platinproduzent Südafrika in den ersten drei Quartalen dieses Jahres mindestens 300 Tsd. Unzen verloren. Insgesamt könnten die Arbeitsniederlegungen und die Schließungen von kleineren Minen Südafrika bis zu 600 Tsd. Unzen Platin kosten, was sich in einem Rückgang der lokalen Produktion auf ein 11-Jahrestief von 4,25 Mio. Unzen niederschlägt (Grafik 10). Auf globaler Ebene geht Johnson Matthey von einem Rückgang der Minenproduktion im Jahresvergleich um 10% auf 5,84 Mio. Unzen aus, wofür größtenteils Südafrika verantwortlich ist, welches knapp drei Viertel der globalen Minenproduktion stellt. Zum erwarteten Defizit trägt aber auch ein niedrigeres Angebot durch Recycling bei. Dieses dürfte 2012 um 11% auf 1,83 Mio. Unzen fallen.
Vor allem eine deutlich geringere Wiedergewinnung von Platin aus Altfahrzeugen zeichnet hierfür verantwortlich. Denn aufgrund der schwachen Konjunktur sinkt die Bereitschaft, sich ein neues Auto anzuschaffen.
Dagegen zeigt sich die Nachfrage nach Platin gemäß Johnson Matthey in diesem Jahr stabil bei 8,07 Mio. Unzen (ohne Berücksichtigung von Recycling). Auf Sektorebene sind dabei durchaus unterschiedliche Tendenzen zu erkennen (Grafik 11).So soll die Brutto-Nachfrage aus der Automobilindustrie - Platin wird in der Produktion vonDiesel-Katalysatoren verwendet - um 1% auf 3,07 Mio. Unzen sinken. Der Rückgang der Nachfrage im wichtigsten Konsumentensegment hängt mit der schwachen Automobilkonjunktur in Europa(der europäische Automarkt ist stark diesellastig) sowie einem leichten Rückgang der Marktanteile von Dieselfahrzeugen zusammen. Auch in anderen industriellen Anwendungen, vor allem in der Glasindustrie, erwartet Johnson Matthey einen Rückgang der Nachfrage (-13% auf 1,79Mio. Unzen). Die schwächere Nachfrage in den industriellen Segmenten wird allerdings durcheine höhere Schmucknachfrage ausgeglichen, die auf ein 3-Jahreshoch von 2,73 Mio. Unzen steigen soll.
Damit macht sich der Preisabschlag von Platin gegenüber Gold bemerkbar, imZuge dessen es offensichtlich zu Substitutionseffekten kommt. Mit Ausnahme von ca. fünf Wochen im Frühjahr war Platin 2012 stets günstiger als Gold. Vor allem China hat die niedrigeren Platinpreise Einschätzungen von Johnson Matthey zufolge genutzt und steht mittlerweile mit 1,92 Mio. Unzen für 70% der gesamten Schmucknachfrage. Zusätzlich werden dem Markt in diesem Jahr 490 Tsd. Unzen durch die Investmentnachfrage entzogen. So verzeichneten die Platin-ETFs seit Jahresbeginn Zuflüsse von gut 200 Tsd. Unzen. Der Rest dürfte auf die Münznachfrage zurückzuführen sein.
Für das nächste Jahr geht Johnson Matthey nicht davon aus, dass sich die Angebotssituation grundlegend ändert. So dürften die Streiks in Südafrika noch lange nachwirken und möglicherweise sogar wieder aufflackern, sollte es aufgrund der niedrigen Preise und höheren Kosten zu Minenschließungen und damit zu Massenentlassungen kommen. Angaben von Lonmin zufolge, dem weltweit drittgrößten Platinproduzenten, sind nach den Streiks nun 25% der südafrikanischen Platinminen auf Basis der laufenden Kosten nicht mehr rentabel. Davor waren es "nur" 10%.
Gleichzeitig soll sich die Nachfrage aus der Automobilindustrie und den anderen industriellen Anwendungsbereichen erholen. Dies deutet auf ein weiteres Jahr mit Defiziten hin, was sich in höheren Preisen widerspiegeln sollte. Einzig ein mögliches höheres Angebot durch Recycling, welches preissensitiv ist, könnte die Situation im nächsten Jahr etwas entspannen. Wir erwarten, dass Platin zum Jahresende 2013 die Marke von 1.900 USD je Feinunze übersteigt.