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Europas Defizitkrise verstärkter im Fokus der Devisenmärkte

24.03.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.30 Uhr) bei 1.4085, nachdem im europäischen Geschäft Höchstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4214 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.95. In der Folge notiert EUR-JPY bei 114.05, während EUR-CHF bei 1.2815 oszilliert.

Nachdem der Euro in letzten Tagen freundlich und stabil tendierte, ergibt sich dank unserer Freunde in Portugal (Opposition im Parlament) heute eine leicht veränderte Situation.

Das portugiesische Parlament hat den gestern in der Abstimmung stehenden Reform- und Sparplan (Steuererhöhungen, massivste Ausgabekürzungen seit 30 Jahren) mit den Stimmen der Opposition abgelehnt. Daraufhin informierte der portugiesische Premierminister Socrates (Minderheitsregierung) Präsident Silva über seinen Rücktritt. Trotz dieses Rücktritts wird die Regierung bis zur Akzeptierung des Rücktritts durch Präsident Silva die Geschäfte weiter führen.

Die Ablehnung stellt eine Enttäuschung dar. Fraglos ist es schwierig für eine Minderheitsregierung, derartig massive und für die Bevölkerung schmerzhafte Reformen umzusetzen. Der Versuch der Regierung Socrates ist aber nur allzu verständlich. Eine Regierung ist logischerweise lieber selbstverantwortlich in einem Reformprozess, als dass aus Brüssel der Reformprozess dirigiert wird.

Genau hier liegt der Grund, warum sich Irland (mit einer Liquiditätsreserve in Höhe von 25% des BIP und durchfinanziert bis Mitte 2011!) lange gegen den Schutzschirm wehrte und auch die bisherige Regierung in Portugal den ernsthaften Versuch unternahm, den Schutzschirm zu vermeiden.

Ohne der weiteren Entwicklung vorgreifen zu wollen, rückt der Schutzschirm mit der aktuellen Entscheidung des Parlaments für Portugal sehr nahe. Hier gilt es die Fakten zu definieren:
  • Dieser Schritt ist voraussichtlich in Bezug auf den Zins, den Portugal zu entrichten hat, tendenziell eine leichte Entlastung.
  • Wesentlicher ist jedoch, dass damit auf der Zinsseite eine erhöhte Planungssicherheit gegeben sein wird.
  • Der Reformprozess ist nicht beendet. Er wird jedoch nicht mehr aus Lissabon gesteuert, sondern Brüssel sitzt maßgeblich am Tisch.

Fakt ist, dass die Opposition Portugals mit der gestrigen Ablehnung des Reformprozesses, den eigenen politischen Einfluss in wesentlichen Teilen kastriert hat. Das ist fraglos eine kognitive Meisterleistung, die als Ausdruck eines Mangels an Abstraktionsfähigkeit interpretiert werden darf. Eine andere Interpretationsvariante bietet sich jedoch auch an:

Nachdem über Monate gegen unsachliche Ratingagenturen (erst Reformen unter Androhung fordern, dann latent markante Fortschritte ignorieren und mit Herabstufungen den Erfolg unterminieren - "Chapeau"!) und die obwaltenden Kräfte aus London und NY (via unregulierten CDS-Markt, der den regulierten Staatsanleihemarkt preislich dominiert) mit sachlicher Reformpolitik angekämpft wurde, galt es jetzt, anzuerkennen, dass sich Portugal nicht alleine erfolgreich wehren kann. Für diesen Fall würde ich das Argument des mangelnden Abstraktionsvermögens adhoc zurücknehmen.

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Was bedeutet diese politische Entscheidung aus Lissabon?
  • Es wird Neuwahlen geben (wie in Irland).
  • Es wird in und vor der Wahl polemisch.
  • Der Reformprozess wird schlussendlich fortgesetzt.
  • Die Agenda der Eurozone steht nicht zur Disposition.

Seit einigen Tagen reiten einige Kollegen wieder das "griechische Pferd". Ängste werden geschürt. In der Tat kam es zu einer Verschärfung der Fiskalposition, die mit einem schwachen vierten Quartal 2010 korreliert ist.

Nachdem 2010 ein Reformerfolg mit einer Reduktion der Neuverschuldung um circa 17 Mrd. Euro (oder 17.000 Millionen) war, ergötzt man sich jetzt daran, dass in den ersten beiden Monaten des Jahres 2011 das Defizit um 76 Millionen Euro höher als im Vorjahr ausgefallen ist. Dazu der O-Ton aus dem Handelsblatt: "Das Etatdefizit stieg dadurch auf 1,02 Milliarden Euro, gegenüber 944 Millionen in den beiden ersten Monaten 2010."

Es ist schlicht weg und ergreifend unfassbar, dass uns Milliardenbeträge seitens der USA ohne Reformwerk täglich um die Ohren fliegen dürfen und 76 griechische Defizitmillionen bei einem schmerzhaften Reformprozess in der Lage sind, die Integrität der Eurozone in Frage zu stellen? Ministerpräsident Papandreou betonte noch einmal vor dem EU-Gipfel, dass Griechenland alle seine Schulden zurückzahlen werde. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Diese Debatte wirft nicht Fragen über Griechenland auf, sondern über den Zustand der Medien und verantwortlicher Analysten!

Gestern ergaben sich bei den Veröffentlichungen keine tragenden positiven Aspekte:

Der Auftragseingang der Eurozone verfehlte per Berichtsmonat Januar mit einem Anstieg um 0,1% im Monatsvergleich deutlich die bei 1,5% angesiedelte Konsensusprognose. Der Vormonatswert wurde von +2,1% auf +2,7% revidiert. Die Zunahme im Jahresvergleich in Höhe von 20,9% (Prognose 21,7%) nach zuvor 19,2% (revidiert von 18,5%) verdeutlich jedoch, dass diese Entwicklung lediglich eine Diskussion über die Amplitude des Wachstums zulässt.

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Als dramatisch darf der Einbruch des Absatzes der neuen Wohnimmobilien in den USA per Berichtsmonat Februar um -16,9% im Monatsvergleich auf 250.000 Objekte in der annualisierten Darstellung bezeichnet werden. Damit wurde ein neuer historischer Tiefstwert in dieser Datenreihe, die es seit 1963 gibt, erreicht. Im Jahresvergleich lag der Rückgang des Absatzes bei 28%. Das Volumen an zu verkaufenden Objekten stellt sich aktuell auf 8,9 nach zuvor 7,4 Monatsumsätze.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3420 - 1.3450 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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