Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Gold-Hausse durch Basel III?

17.12.2012  |  Thorsten Proettel
Hohe Regelungsdichte beschäftigt Banken

Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften für die Finanzwirtschaft haben als Folge der Krise sprunghaft zugenommen. Die Zeiten, in denen nur der nationale Gesetzgeber Regelwerke erlassen hat, sind ohnehin längst vorbei. Eine Vielzahl von Akteuren wie BaFin, Bundesbank, die neu geschaffene Europäische Bankenaufsicht (EBA) in London und demnächst auch noch die EZB sind auf dem Feld aktiv. Nicht zu vergessen ist der Baseler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der mit seinen bisherigen Regelwerken Basel I und Basel II international die Bankenaufsicht beeinflusst. Angesichts dieser Vielstimmigkeit und der ohnehin schon komplexen Materie kann vermutlich kein Mensch mehr behaupten, den Durchblick bewahrt zu haben. Insofern ist es auch kein Wunder, dass es immer wieder zu Missverständnissen bezüglich neuer Regelungen kommt.


Gold für Banken bald unentbehrlich?

Ein solches Missverständnis machte auch unter Goldanlage-Fans in den letzten Wochen die Runde: In verschiedenen Börsenbriefen und Internetblogs wurde die angeblich geplante Höherstufung von Gold als so genanntes Tier 1-Asset durch den Baseler Bankenausschuss als nächster großer Goldpreistreiber angekündigt. Demnach wäre Gold zukünftig erstklassiges Kapital, wie es von Banken und Sparkassen zur anteiligen Hinterlegung von Krediten benötigt wird. Die Änderung solle als Teil des neuen Regelwerks Basel III implementiert werden. Damit entstünde bei den Kreditinstituten eine zusätzliche Goldnachfrage, denn der Bedarf an Tier 1-Assets wird zweifelsohne zunehmen. Um das Bankensystem stabiler zu machen, soll zukünftig ein höherer Anteil der Kredite mit erstklassigem Kapital abgesichert werden. Von den Kommentatoren wurden diese Berichte teilweise auch noch mit der grundsätzlich richtigen Meldung garniert, dass viele Banken in den letzten Wochen schon begonnen hätten, größere Goldmengen zu kaufen.


Tier-Einteilungen beziehen sich auf Passivbilanz

Die Krux an den obigen Erläuterungen liegt in verschiedenen Bereichen. Zuallererst ist festzuhalten, dass sich die Tier-Einteilungen nicht auf die Aktivseite der Bankbilanz beziehen, wo die Vermögenswerte der Kreditinstitute wie Bargeld, Notenbankguthaben, Staatsanleihen, Darlehensforderungen und gegebenenfalls auch Gold aufgeführt werden. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine Klassifizierung für das Eigenkapital auf der Passivseite der Bilanz. Dort wird die Mittelherkunft, also Fremdkapital und Eigenkapital aggregiert. Nur der Vollständigkeit wegen sei erwähnt, dass ersteres im Regelfall aus Spar- und Giroguthaben der Kunden besteht. Für das Eigenkapital und die Mischformen sehen bereits die bestehenden Regelwerke eine Einteilung in verschiedene Rangstufen (engl. "tier") vor. Als höchste und damit als beste Klasse gilt die Tier 1-Kategorie, wozu das gezeichnete Kapital und die Gewinnrücklage gehört. Genussscheine gelten bislang als Tier 2-Asset und ganz am Schluss kommt Hybridkapital wie Nachranganleihen in der Tier 3-Klasse.


Noch eine Kapitaleinteilung …

Das Basel III-Regelwerk besteht jedoch nicht nur aus Eigenkapitalrichtlinien, sondern auch aus Vorschriften zur Liquiditätssteuerung der Banken und Sparkassen. Und hier wäre tatsächlich Gold eine Option. Zukünftig müssen die Finanzinstitute eine Mindestliquiditätsquote (LCR) erfüllen. Konkret soll der Bestand an erstklassigen liquiden Aktivposten den voraussichtlichen Nettoabfluss von Barmitteln innerhalb von 30 Tagen in einem Stress-Szenario abdecken. Mit anderen Worten: Das Bargeld und die leicht zu versilbernden Kapitalanlagen sollen ausreichen, um alle Kunden auszahlen zu können, die ihr Geld abheben wollen. Die Kapitalanlagen der Kreditinstitute werden hierbei in sogenannte Level 1-Aktiva, darunter Bargeld aber auch sichere Staatsanleihen, und Level 2-Aktiva wie Pfandbriefe unterteilt, wobei letztere nur zu 85% angerechnet werden dürfen.


… und der wahre Kern der Geschichte

Das Londoner World Gold Council als Interessenvertretung der Goldminenindustrie hat im Oktober den Vorschlag gemacht, dass auch Gold zum Level 1-Aktiva erklärt werden soll. Hierfür spräche, dass Gold gute Diversifikationseigenschaften habe, die sich im Falle eines wirklichen Stress-Szenarios positiv auf den Vermögensbestand der Banken auswirken könnten. Tatsächlich wurde der Vorschlag der Londoner Lobbygruppe in Basel aber bislang nicht ernsthaft diskutiert und es ist sehr unwahrscheinlich, dass Gold ein Level 1-Aktiva wird. Es eignete sich zwar bislang hervorragend zur Kapitalanlage. Aber es fehlt in den meisten Ländern an einer Handelsplattform, auf der auch während einer Krise große Goldmengen verkauft werden können. Auf die Finanzplätze London und New York will sich vermutlich keine deutsche Sparkasse verlassen müssen.

Was es mit den größeren Goldkäufen der Banken in den letzten Wochen auf sich hat ist übrigens schnell erklärt: Es dürfte sich weniger um strategische Positionierungen gehandelt haben, sondern eher um eine Bevorratung für die Privatkunden: Denn in wenigen Tagen ist Weihnachten und viele Menschen beglücken ihre Lieben zum Fest mit Geschenken aus Edelmetall.


© Thorsten Proettel
Commodity Analyst

Quelle: Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart



Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. Sie gibt unsere unverbindliche Auffassung über den Markt und die Produkte zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses wieder, ungeachtet etwaiger Eigenbestände in diesen Produkten. Diese Publikation ersetzt nicht die persönliche Beratung. Sie dient nur zu Informationszwecken und gilt nicht als Angebot oder Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Für weitere zeitnähere Informationen über konkrete Anlagemöglichkeiten und zum Zwecke einer individuellen Anlageberatung wenden Sie sich bitte an Ihren Anlageberater.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"