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"Wir sind inmitten einer epochalen tektonischen Verschiebung" (Teil 2)

02.04.2011  |  Redaktion
Den 1. Teil des Exklusiv-Interviews mit F. William Engdahl können sie hier lesen ...


Lars Schall: Wie steht der "Krieg gegen den Terror" am Anfang des 21. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Öl?

F. William Engdahl: Der "Krieg gegen den Terror" wurde von der Bush-Administration nach bestimmten dramatischen Ereignissen in New York City und dem Pentagon im September 2001 erklärt. Die meisten Amerikaner machen sich nicht die Mühe, die Punkte zu verbinden und zu fragen: "Nun, wenn so ist, wie die Regierung sagt, dass dieser fiese Charakter, der durch die CIA für den Krieg in Afghanistan gegen die Sowjetunion ausgebildet wurde, Osama bin Laden - wenn er der Bösewicht ist, der hinter diesem Tod und dieser Zerstörung auf amerikanischem Boden steckt, und er versteckt sich in den Höhlen von Tora Bora in Afghanistan, wie kommt es, dass wir plötzlich Osama bin Laden vergessen, ihn in den Höhlen lassen, und unsere Feuerkraft auf Saddam Husseins Irak richten?"

Nun, bereits im Jahr 1998 hatten Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und einige andere prominente Neo-Konservativen einen offenen Brief an Präsident Clinton unterzeichnet, in dem sie einen Regimewechsel mit allen Mitteln im Irak forderten. Saddam Hussein müsse gehen. (xiii) Was war die Situation im Irak? Der Druck der Sanktionen, die im großen und ganzen bilaterale Sanktionen waren, die durch die Vereinigten Staaten und Großbritannien über dem Irak während der gesamten 1990er Jahre verhängt wurden, begann innerhalb der UN-Sicherheitsrat auseinanderzubrechen. Laut später durchgesickerten Informationen finanzierte der Irak durch das "Öl für Lebensmittel"-Programm der Vereinten Nationen im Wesentlichen die Wiederwahl der französischen Reierung unter Jacques Chirac. Daher wurde sämtliche Verkäufe von irakischen Öl für Lebensmittel in der UN-Programm durch die französische Bank BNP Paribas durchgeführt, und das geschah in Euro, unter anderem um die Franzosen zu begünstigen.

Die Erklärung des "Kriegs gegen den Terror" war wirklich Samuel Huntingtons "Clash of Civilizations", das Konzept der sogenannten Christenheit gegen den Islam. Bush selbst verwendete den Begriff kurz: "Das ist ein heiliger Kreuzzug", ehe er daran erinnert wurde, dass die früheren Kreuzzüge im 11. und 12. Jahrhundert nicht gerade ein Höhepunkt in der christlichen Kultur waren, dies waren wilden Plünderungs-Expeditionen in den Nahen Osten. Der "Krieg gegen den Terror" wurde von einigen in Washington als Antwort auf den Verlust des "gottlosen sowjetischen Kommunismus" als neues "Feindbild", angesehen, um die Amerikaner zu mobilisieren. Es ist im Wesentlichen ein Krieg, dessen Ziel und Feind nicht definiert sind. Der Terrorismus ist ideal, um ein neues Feindbild zu schaffen.

Das Problem, das das Pentagon nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion besaß, war, dass es keinen Feind übrig hatte. Die Sowjets waren vom Kalten Krieg erschöpft und wehten buchstäblich mit einer weißen Fahne der Kapitulation. Sie sagten: "Okay, Ihr habt das überlegene Wirtschaftssystem, scheint es, wir können nicht mit Euch mithalten. Wir wollen unsere Wirtschaft zu entwickeln; lasst uns mit dieser militärischen Konfrontation aufhören." Also demontierte Russland den Warschauer Paktes und begann sein Militär zu verkleinern, mit Ausnahme der Kernwaffen (das ist vielleicht das Einzige, was die Welt heute vor einer globalen Pentagon-Militärherrschaft bewahrt). Aber sei es drum: der "Krieg gegen den Terror" hatte nichts mit Osama bin Laden zu tun, er war nur ein nützlicher Vorwand. Er hat mit Schaffung eines neuen Feindbildes nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus für die leichtgläubige amerikanische Bevölkerung und die der Welt tun. Obwohl außerhalb der Vereinigten Staaten, das kann ich sagen, sind nur sehr wenige Menschen von der US-Argumentation für den "Krieg gegen den Terror" überzeugt. Sie betrachten dies als Vorwand für militärische Abenteuer überall dort, wo Washington entscheidet.


Lars Schall: Warum also ist der Irak das Ziel geworden?

F. William Engdahl: Weil Saddam Hussein Verträge zur Entwicklung von Iraks riesigen Ölreserven abgeschlossen hatte. Irak hat, wie Sie wissen, die zweitgrößten Quelle von unerschlossenem Öl in der Welt hinter Saudi-Arabien, zumindest so anerkannt von der US-Regierung. Einerlei, ob dies zutrifft oder nicht, es hat sicherlich riesige Reserven an noch unerschlossenem Öl, aber Saddam Hussein hatte mit dem Wirtschaftsembargo der Vereinten Nationen und der US-amerikanischen "Flugverbotszone" nicht die Ressourcen, um das Öl für die Wirtschaft zu entwickeln. Also hatte er Verträge mit der staatlichen chinesischen Ölgesellschaft, dem russischen Ölkonzern und französischen Ölkonzern gemacht, vor allem, um ihnen die Entwicklungsrechte an Öl in einigen der vielversprechendsten unerforschten Gebieten im Irak zu geben.

In einem echten Sinn ist der "Krieg gegen den Terror" gegen China, Russland und das Potential, wie Brzezinski 1997 in seinem Buch "Die einzige Weltmacht" erklärte, von Eurasien als Landmasse im Hinblick auf die Geopolitik gerichtet. Das geht zurück auf Sir Halford Mackinder, dem britischen Geographen und seinem berühmten Aufsatz von 1904, "The Geographical Pivot of History", wo er über Russland und seine Landmasse als "Herzland" der Welt spricht. Brzezinski und Kissinger sind beide Studenten der Mackinder. Sie reden nicht oft darüber, aber es ist klar, dass sie in der britischen Geopolitik-Strategie geschult wurden. Und die Idee ist: Sie müssen unter allen Umständen eine Kohäsion unter den Großmächten Eurasiens verhindern.

Interessanterweise schufen dann 2001 die Großmächte Eurasiens: Russland, China und die verschiedenen Ländern der ehemaligen Sowjetunion dazwischen, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Turkmenistan, die sogenannte Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organization), zunächst als ein Dialogforum für eine mögliche Zusammenarbeit. Es war nicht wie die Europäische Union konzipiert, aber zumindest als Anfang für eine Art Zusammenhalt. Und das stellte den ultimativen Halford Mackinder-Alptraum für die amerikanische Geopolitik dar, weil, wie Brzezinski ganz offen schrieb: Der einzige Ort auf diesem Globus, der die personellen Ressourcen hat, die wissenschaftliche Basis, die industrielle Basis, die Energierohstoffbasis, um eine Herausforderung für die amerikanische Weltmacht zu sein, ist Eurasien. Das ist buchstäblich das, um was es im "Krieg gegen den Terror" geht.




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