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Fiatgeld in Frankreich

22.06.2011  |  Redaktion
- Seite 4 -
Abschrift: Die Assignaten

Max Keiser: 1789: Frankreich befindet sich in Aufruhr. Das Ancien Régime wird gestürzt und die Assemblée Nationale schafft den Feudalismus mit seinen Privilegien für Adel und Kirche ab und ruft die Menschenrechte aus. Die Bastille wird gestürmt und der König gezwungen, eine konstitutionelle Monarchie anzuerkennen. Ein Gefühl der Freiheit und Erleuchtung durchläuft das Land. Die klügsten Köpfe der Nation kommen hier zur Nationalversammlung um leidenschaftliche Reden zu halten. Doch die erdrückende Verschuldung ist ein Problem. Einige regen deshalb an, Banknoten in Umlauf zu bringen um Liquidität und Wohlstand zu schaffen.

Max Keiser: Der Widerstand ist heftig. Jacques Necker, der Finanzminister, argumentiert leidenschaftlich, dass das Drucken von Geld auf einen gefährlichen Weg führt und erinnert die Versammlung an die Mississippi-Blase und John Law, der den meisten noch lebhaft in Erinnerung ist. Necker wurde von den Befürwortern der Assignaten rigoros attackiert. Sie hatten einen listigen Plan: Sie wollten Besitztümer der Kirche konfiszieren um eine einmalige Ausgabe von 400 Millionen Livre zu organisieren. Dies war die verbriefte Hypothek (CDO) dieser Zeit. Limitiert, einmalig, durch Vermögenswerte gedeckt. Was kann da noch schiefgehen?

Max Keiser: TDie Schuldenkrise eskalierte. Silber verschwand von den Märkten. Es gab ein öffentliches Verlangen nach Papiergeld, doch die Verteidiger von ehrlichem Geld waren wortgewandt. Sie erinnerten sich an John Law und die Mississippi-Kompanie. Zu ihnen zählten Leute wie Necker, DuPont, Maury ... Die Debatte zwischen Papier- und Hartgeld dauerte ein ganzes Jahr. Die Papiergeld-Anhänger sagten: "Es wird ein einmaliges Geschäft sein, vollkommen abgesichert." Und am Ende wurde so mit hauchdünner Mehrheit die Ausgabe von 400 Millionen Livre Assignaten gebilligt.

James Turk: Pierre, hilf mir Folgendes zu verstehen: 1720 brach die Mississippi-Blase zusammen und brachte viel Unheil über Frankreich und seine Bevölkerung. Siebzig Jahre später wendete sich Frankreich wieder einer Papierwährung zu. Wie konnte das geschehen?

Pierre Jovanovic: Um die Revolution in Gange zu halten, hatte Talleyrand folgende, geniale Idee: Er sagte "Wir werden uns alles nehmen, alles stehlen, was dem Vatikan gehört." Wie man weiß war der Vatikan zu dieser Zeit sehr mächtig. Dem Papst allein gehörte nahezu halb Europa. So erfanden sie diese außergewöhnliche Aktion, die sie "la caisse de l’extraordinaire" nannten - Die "außerordentliche Kasse". So etwas kann man sich nicht ausdenken. Diese Sonderkasse wurde geschaffen, um alles zu verkaufen, was sie vom Vatikan nahmen.

James Turk: Sie konfiszierten Grundbesitz ...

Pierre Jovanovic: Alles! Gebäude, Menschen, Viehzeug ...

James Turk: ... Und sie führten diese Assignaten ein, um sich mit dem Verkauf dieser Besitztümer Geld zu beschaffen, mit dem die Staatsschuld beglichen werden sollte.

Pierre Jovanovic: Es war zu Beginn noch keine Papierwährung, da sie Zinsen darauf zahlten. Die französische Regierung bezahlte Zinsen ... bis sie merkten, dass es so eine gute Idee war, dass sie die Assignaten einfach zu einer Papierwährung überführten ... und die Geschichte begann aufs Neue.

Max Keiser: Das zweite Mal ging es einfacher. Die Emission wirkte Wunder. Die Regierung bezahlte für ihre Ausgaben. Die Menschen erhielten ihre glänzenden neuen Assignaten, der Handel blühte auf und die Liquidität stieg.

Max Keiser: Jedoch war das Geld schon nach nur fünf Monaten wieder ausgegeben und da die Regierung sich weiterhin ein Haushaltsdefizit leistete, wurden schnell Rufe nach einer weiteren Ausgabe von Assignaten laut. Die Billigung der zweiten Emission von Assignaten dauerte nur drei Monate und wurde von einer breiten Mehrheit mitgetragen, mit 503 zu 423 Stimmen. 800 Millionen Livre wurden ausgegeben. Necker trat zurück. Die Königsfamilie floh in Dienerskleidung aus dem Tuilerienpalast und wurde in Varennes gefangengenommen.

Max Keiser: Die Assignaten hatten schon begonnen an Wert zu verlieren. Gold, Silber und Kupfer wurden dem Umlauf entzogen. Doch die Leute wollten mehr. Die Regierung emittierte weitere 100 Millionen Livre an Assignaten; die Preise stiegen, doch die Leute wollten mehr. Es war ein Teufelskreis ... Preise steigen, mehr Assignaten. Ausländer, der Exiladel, Geschäftsleute, die Kirche - sie alle wurden für die steigenden Preise verantwortlich gemacht.

Max Keiser: Aber nicht die Assignaten. Die Spekulation grassierte, da die Leute versuchten, sich gegen eine abwertende Währung zu schützen. Ein neuer Stand der Spekulanten bildete sich heraus, der mehr von diesem Falschgeld haben wollte und die Regierung unter Druck setzte, die Druckerpressen am Laufen zu halten. Im Dezember 1791 wurde eine neuerliche Emission autorisiert: weitere 800 Millionen Livre. In der Zwischenzeit verloren die Erstausgaben weiter an Wert: vom Nennwert 100 Livre auf 53 Livre. Im März wurde Clavière Finanzminister, mit dem Versprechen, das Gelddrucken zu beschleunigen.

Im April folgte die fünftgrößte Auflage: 500 Millionen Livre. Gleichzeitig wurden mehrere kleinere Emissionen und Wiederauflagen ausgeführt. Bis 1792 folgte Auflage um Auflage, alle paar Monate, bis eine Gesamtauflage von dreieinhalb Milliarden Livre erreicht war. Die Nahrungsmittelpreise stiegen weiter. Im August 1792 führten Hungerkrisen zum Ende der konstitutionellen Monarchie, dem Aufstand der Pariser Kommune, dem Sturm des Tuilerienpalastes, der Verhaftung der Königsfamilie und der Übernahme der Nationalversammlung durch die Jakobiner. Die Guillotine machte Überstunden.




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