Interview mit James Turk
05.04.2013 | GoldMoney
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Wir werden sich die Dinge in der Eurozone im Jahr 2013 und darüber hinaus entwickeln? Was wären Signale, die darauf hindeuten, dass die Märkte verstanden haben, dass der Kaiser keine Kleider trägt?James Turk: Bislang waren die Demonstrationen in den Straßen noch relativ zivil, mit einigen Ausnahmen allerdings. Das sind die vielleicht offensichtlichsten Ereignisse. Wenn sich die Wirtschaft in Europa weiter abschwächt, werden auch Bürgerunruhen wahrscheinlicher, was paradox ist. Der Euro wurde als vereinigende Kraft für Europa dargestellt, er hatte aber den gegenteiligen Effekt. Die sich lautstark zu Wort meldenden Separatisten im spanischen Katalonien sind ein Beispiel für diese wachsende Spannung.
Und der Dollar? Glauben Sie, dass er eine gute Alternative zum Euro ist?
James Turk: Bei Weitem nicht. Wenn überhaupt, dann ist der Dollar eine noch schlechtere Wette als der Euro - im Kontext der Sicherung von Vermögen und Kaufkraft. Auf allen Ebenen des amerikanischen Staates leuchten die roten Zahlen. Die aktuellen Vereinbarungen hinsichtlich des “fiscal cliff“ dürften die Verschuldung der Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren um über 4 Billionen $ erhöhen - und wenn wir etwas aus den Schätzungen des US-Haushaltsausschusses lernen konnten, dann dass sie immer zu optimistisch sind. Die Gesamtdefizite werden diese Summe aber bei Weitem überschreiten.
Der Ökonom John Williams von ShadowStats.com zeigt, wenn sich die US-Regierung nach allgemein verbindlichen Bilanzierungsregeln (GAAP) richten müsste, dann hätte das reale Defizit von 2012 nicht “bloß" bei 1,1 Billionen $ gelegen, sondern eher im Bereich von 7 Billionen $.
Ein Billion hier, eine Billion da: Bald schon werden wir auch reale Währungsentwertung sehen. Die Wirtschaft ist zu schwach, um diese Verschuldungs- und Ausgabemengen stemmen zu können, und das ist auch der Grund, warum die Federal Reserve monatlich 80 Milliarden $ druckt - ohne ein eindeutiges Ende dieser Wertpapieraufkäufe anzugeben. Letzten Endes wird das zu einem totalem Vertrauensverlust in den Dollar und zu einer Hyperinflation in der Vereinigten Staaten führen.
Nathan Sheets, Chef für Internationale Wirtschaft bei der Citigroup und ehemaliger führender Mitarbeiter der Fed, sagte: “Sorgen um den Reservestatuts der Dollars werden ich mir erst dann machen, wenn wir mit dem Mars in Handelskontakt treten. Nur eine extraterrestrische Währung könnte mit dem Dollar konkurrieren.” Stimmen Sie zu?
James Turk: Nein. Gehen Sie einfach 100 Jahre zurück, ich wette, sie würden auf jede Menge Top-Ökonomen und Financiers treffen, die ihnen schwören würden, dass nichts den Status des britischen Pfunds als Weltreservewährung in Frage stellen könnte. Oder gehen Sie noch weiter zurück, zum Französischen Franc, den Spanischen Real oder den Holländischen Gulden.
Allein die Betrachtung der haushaltspolitischen Situation der USA, der Politik der Federal Reserve, des Zustands des Bankensektors und der steigenden Goldnachfrage seitens der Zentralbanken der Schwellenländern zeigen doch ganz deutlich, dass die Tage des Fiat-Dollars als unangefochtener Referenzpunkt im internationalen Finanzwesen gezählt sind. Ein Land kann nicht dauerhaft dieses Privileg missbrauchen, und das machen die USA, und dann erwarten, dass man es behalten darf.
2002 hatten Sie korrekt den historischen Wendepunkt für Gold identifiziert. Sie sagten damals: "Für mich zeigt sich sehr, sehr deutlich, dass Alan Greenspan jetzt allen ‘grünes Licht‘ für den Goldkauf gibt.". Das bezog sich auf seine Anmerkung, er wolle die Zinssätze deutlich senken, um Geld billig zu machen. Aktuell halten die Zentralbanken die Zinssätze im Westen bei null oder nahe null, müssen Goldinvestoren nun einen Anstieg der Zinssätze fürchten?
James Turk: Die nominalen Zinssätze werden in den kommenden Jahren steigen, die realen Zinssätze werden aber weiterhin negativ bleiben, also wird man mit Barersparnissen auch weiterhin Geld verlieren. Für den Bullenmarkt der Edelmetalle sind die negativen Realzinsen der entscheidende Punkt, denn sie bedeuten, dass mit dem Halten unverzinslicher Vermögensanlagen keine Opportunitätskosten entstehen.
Die meisten Zentralbanken der entwickelten Welt können es sich nicht leisten, den Sparern reale Gewinne zu bieten, weil die Staaten und Gesellschaften, denen sie dienen, zu stark verschuldet sind. Positive reale Zinssätze würden die Staatsbudgets mit außer Kontrolle geratenden Zinsleistungen erdrücken, sie wären verheerend für den Immobilienmarkt, wo die Hausbesitzer flexiblen Hypothekenzinsen ausgesetzt sind. Der Anleihemarkt würde in die Tiefe stürzen. Die 2008er-Krise wäre dagegen ein Spaziergang.
Genau aus diesem Grund greifen Staaten und Zentralbanken auch auf "Finanzrepression" zurück: Es werden negative Zinssätze beibehalten, um auf diesem Weg die Wirtschaften von Schuldenlasten befreien zu können. Das Problem dabei ist, dass das nur funktioniert, wenn man ständig Geld druckt, um Anleihen aufzukaufen. Auf kurze Sicht mag das noch nicht zu steigenden Preisen führen, da ein großer Teil dieses Geldes in Form von Bankenreserven nicht aktiv ist; man muss aber auch den psychologischen Gesamteffekt verstehen, der auf der Nachfrageseite der Währungsrechnung wirkt.
Ein Berg kann nur so und so viel Schneeflocken tragen, bevor es eine Lawine gibt. Auch der US-Dollar und andere Fiat-Währungen können nur so und so viel Missbrauch vertragen, bevor auf der Nachfrageseite - buchstäblich über Nacht - eine Krise ausbricht.
Unterm Strich befinden sich die Zentralbanken in der größten Klemme überhaupt.
Sie haben ausgiebig zum Thema Goldkursmanipulation geforscht. Warum sollte dieses Thema aus Sicht der Investoren wichtig sein?
James Turk: Gold ist die feste Bezugsgröße in der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Das Gesamtangebot dieses Metalls wird nicht per Zentralbankendekret bestimmt, es steigt jährlich um 1% bis 2%. Es ist Geld.
Von Rohstoffen wie Öl oder Getreide unterscheidet es dahingehend, dass es nicht verbraucht wird. Es wir akkumuliert: das gesamte in der Menschheitsgeschichte abgebaute Gold existiert nach wie vor. In einer jüngst veröffentlichten Studie für die GoldMoney Foundation mache ich darauf aufmerksam, dass die oberirdisch vorkommenden Goldbestände in etwa genauso schnell wachsen, wie die Weltbevölkerung und die globale Vermögensschöpfung - Faktoren also, die erklären, warum sich die Kaufkraft von Gold über lange Zeiträume hinweg gehalten hat.