Nowotny (EZB-Rat) spricht Klartext!
05.07.2011 | Folker Hellmeyer
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Zentralbanker halten sich meist vornehm zurück. Das Modell "Greenspan" stellte bezüglich der Verkündung neuer Paradigmen und einer verfehlten Zentralbankpolitik (Umbau der USA von einer "Income-driven-" zu einer "Asset-driven Economy" ab 1997 als Grundlage der globalen Finanzkrise) eine wenig erbauliche Ausnahme dar.
Die vornehme Zurückhaltung ist auch grundsätzlich richtig. Der Begriff grundsätzlich lässt aus guten Gründen Ausnahmen zu. An bestimmten Punkten reicht es nicht, den Mund nur zu spitzen, nein, da muss gepfiffen werden.
EZB-Ratsmitglied Nowotny kritisierte die Ratingagenturen für ihre Haltung in der Griechenland-Krise. Es sei aufgefallen, dass die Agenturen in der Eurokrise "viel strikter" seien, als in vergleichbaren Situationen - etwa in Südamerika. "Das sei schon etwas, worüber man nachdenken muss!" sagte Nowotny.
Wir stimmen Herrn Nowotny umfänglich zu und freuen uns, dass die in diesem Format eingenommene Position gegenüber dem Establishment der Agenturen prominenten Zuspruch erfährt. Herr Nowotny spricht noch vom Nachdenken. Das geht in die richtige Richtung, besser ist jedoch Handeln.
Naivität bei den führenden Eliten in Politik und Wirtschaft bezüglich der Rolle einzelner Institutionen in der ordnungspolitischen Struktur des US-zentrischen Finanzsystems sollte man sich nicht dauerhaft leisten.
Der "Trackrecord" dieser Institutionen ist eindeutig. Bei allen Verwerfungen, die sich aus den USA ergaben, war man und ist man weitgehend blind (Neuer Markt, Immokrise, Veränderung des US-Geschäftsmodells, Verschuldungsaufbau, Unfähigkeit zu Reformen).
Gegenüber Europa zeigt man alle erdenkliche Härte und konterkariert durch Herabstufungen zur Unzeit schlussendlich das markante Reformwerk, indem Kapitalzuflüsse verhindert und Kapitalabflüsse forciert werden, obwohl das markante Reformwerk die Geschäftsmodelle nachhaltig optimiert und damit einen Vertrauensvorschuss verdient.
Bleiben wir bei den Agenturen. "ISDA General Counsel" David Geen sagte gegenüber Reuters, dass der französische Plan ein freiwilliger "Rollover" sei, der nach Statuten der Kreditausfallversicherungen keinen Ausfall darstellt. Damit stellt sich ISDA gegen die Position von S&P. Das freut uns sehr, dass von Seiten ISDA Klartext zu vernehmen ist. Schlussendlich erscheinen die Positionen der Ratingagenturen eine politische Tendenz aufzuweisen. Diese Erkenntnis muss zu europäischem Handeln führen!
Gestern stand lediglich die Veröffentlichung der Erzeugerpreise der Eurozone auf der Agenda. Per Berichtsmonat Mai stellte sich im Monatsvergleich ein Rückgang um -0,2% ein. Die Prognose lag bei -0,1%. Im Jahresvergleich übersetzte sich dieses Ergebnis in einen Preisanstieg um 6,1% (Prognose 6,3%) nach zuvor 6,7%. Der Rückgang impliziert eine temporäre Entspannung, die durch aggressiv erhöhte Risikoaversion in der ersten Maihälfte begründet war. Diese Tendenz im Monatsvergleich ist damit wenig trendfähig.
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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.4050 - 80 neutralisiert den positiven Bias.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank
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